IWF:Die starke Zentrale

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In der Krise mächtig wie nie: Der IWF gilt als wichtige Schaltstelle der internationalen Krisenpolitik - und entdeckt den Anleger.

Nikolaus Piper

Der Internationale Währungsfonds war oft ein ungeliebtes Kind. Konservative mochten ihn nicht weil er, so glaubten sie, falsche Anreize setzt und Regierungen der Dritten Welt ebenso wie deren Geldgeber zu Leichtsinn verleitet. Linke gaben ihm die Schuld am Elend der Entwicklungsländern.

Tragende Rolle: Tagungsrunden unter IWF-Vorsitz (wie hier in Washington) werden in Zukunft immer wichtiger. (Foto: Foto: dpa)

"IWF und Weltbank organisieren die Armut der Völker", skandierten Demonstranten, als sich Vertreter der beiden Institutionen vor zwanzig Jahren in Berlin trafen. Ökonomen wie Joseph Stiglitz prangerten die Praxis des IWF an, von finanziell bedrängten Regierungen Kürzungen im Staatshaushalt, Privatisierungen und Liberalisierungen zu verlangen.

All dies sind Ereignisse aus einer vergangenen Welt. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise ist der IWF zur unbestrittenen und unverzichtbaren Zentrale der Krisenpolitik geworden. Derzeit drängt der Fonds Regierungen nicht zu Kürzungen, sondern lotet aus, wie weit sie sich verschulden können, um dem Absturz der Weltwirtschaft entgegenzuwirken. Notkredite des IWF kommen Staaten wie Island, Ungarn und der Ukraine zugute; selbst das Euro-Mitglied Griechenland gilt als IWF-Kandidat.

Mehr Einfluss

Länder der ehemals Dritten Welt wollen mehr Einfluss im Fonds haben. Die chinesische Zentralbank hat sogar vorgeschlagen, die Sonderziehungsrechte (SZR), eine Kunstwährung, die der IWF verwaltet, zu einer globalen Reservewährung auszubauen. Faktisch fungiert der Fonds derzeit als Weltzentralbank, nicht in dem Sinne, dass er für Inflation und Geldmenge verantwortlich wäre, wohl aber als Kreditgeber der letzten Instanz, der das Weltfinanzsystem stützt, wenn alle anderen Sicherungen versagen.

Die neue Macht des IWF zeigt sich an zwei kleinen, aber wichtigen Nachrichten von der Frühjahrstagung des Fonds am vergangenen Wochenende. Erstens erhielt der IWF von seinen Mitgliedsstaaten den Auftrag, regelmäßig deren Krisenpolitik zu "beurteilen". Dieser unscheinbare Beschluss ist eine Konsequenz des Weltfinanzgipfels von London am 2. April und bedeutet, dass der Fonds zur zentralen Koordinierungsstelle in der Weltrezession wird. Die Rolle wird er nicht so schnell aufgeben, auch dann nicht, wenn die Krise vorbei sein wird.

Die zweite Nachricht ist, dass der IWF zum ersten Mal in seiner Geschichte die Ausgabe eigener Anleihen vorbereitet. Normalerweise finanziert er sich durch die regulären Einzahlungen ("Quoten") und durch direkte Kredite seiner Mitgliedsstaaten. Die neuen Anleihen werden nun einen zweiten Finanzierungskanal eröffnen; zugeschnitten ist er auf Länder wie China, Russland, Indien und Brasilien. Nur Zentralbanken können die neuen Anleihen erwerben, keine privaten Investoren.

Spielraum des IWF erweitert sich

Es ist eine, im Vergleich zu direkten Krediten, leichtere, weil rückholbare Form der Finanzierung. Der Spielraum des IWF erweitert sich, Schwellenländer, die sich an der bisherigen Krisenfinanzierung des IWF nicht beteiligt hatten, bekommen dadurch mehr Einfluss. Das Recht, Anleihen zu begeben, hat der Fonds seit seiner Gründung 1944, aber Amerikaner und Europäer hatten sich bisher dagegen gewehrt. Jetzt hat die neue US-Regierung ihre Meinung offenbar geändert. Auch dies ein Zeichen dafür, wie schnell sich die Dinge in der Weltrezession verändern.

Der Aufstieg des IWF zur Zentralinstanz für die internationale Krisenpolitik nützt im Ergebnis der Weltwirtschaft. Die Krise hat, neben vielem anderen, gezeigt, dass eine globalisierte Wirtschaft ohne funktionierende globale Gremien keine Zukunft hat. Die Gruppe der sieben großen Industrieländer ( G7) ist für die Aufgabe zu klein, die größere Gruppe der G20 zu heterogen. Wichtig ist jetzt, dass die Reform des Fonds beschleunigt wird.

Der Aufstieg der Schwellenländer in den Gremien des IWF, vor allem zu Lasten Europas, kommt jetzt infolge der Krise fast von selbst. Umso wichtiger ist es aber, dass der Fonds auch unter völlig veränderten Bedingungen als Kreditgeber eine erste Adresse bleibt, dass seine Gremien effizienter arbeiten und dass er bei der Finanzierung nicht mehr auf fragwürdige Kompromisse angewiesen ist.

© SZ vom 27.04.2009/kaf/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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