Irland in der Krise:"Exzesse unvorstellbaren Ausmaßes"

Griechenland und Irland - beide Länder bekommen viele Milliarden Euro von der Europäischen Union. Doch lässt sich die Situation beider Länder vergleichen? Ein Gespräch mit dem Finanzexperten Kornelius Purps von der Unicredit.

Hans von der Hagen

Wieder muss die Europäische Währungsgemeinschaft eines ihrer Mitgliederländer retten. Doch lässt sich die Situation Irlands mit der von Griechenland vergleichen, das im Frühjahr gerettet wurde? Und wenn Irland mit seinen rund vier Millionen Einwohnern schon so viel Geld braucht - wie viel würden dann andere gefährdete Staaten wie Spanien benötigen, die wesentlich größer sind? Kornelius Purps, Anleihenstratege bei der Unicredit im Interview.

Kornelius Purps

Kornelius Purps: "Konkret ging es vor allem darum, ein Übergreifen der Probleme auf die Iberische Halbinsel zu vermeiden. Ich kann mir schon vorstellen, dass von Seiten der deutschen aber auch anderer europäischer Banken hier Einfluss genommen wurde, aber das halte ich in Anbetracht des jeweiligen Engagements in Irland durchaus für gerechtfertigt."

(Foto: oH)

sueddeutsche.de: Herr Purps, Irland ist nicht Griechenland, heißt es. Lassen Sie das gelten?

Kornelius Purps: Ganz klares Ja. Unterm Strich haben beide Länder zwar horrende Haushaltsprobleme. Aber das sind die einzigen Gemeinsamkeiten. Die Ursache dafür ist bei beiden Ländern vollkommen unterschiedlich. Vereinfacht ausgedrückt: Die Griechen haben über Jahrzehnte über ihre Verhältnisse gelebt und zusätzlich noch ihre Statistiken nicht im Griff gehabt. Bei den Iren durfte der Bankensektor frei laufen und hat sich im Zuge einer heimischen Immobilienkrise vollkommen verrannt.

sueddeutsche.de: Die Iren haben demnach indirekt, eben via den Finanzsektor, über die Verhältnisse gelebt. Und Irland hat dafür auch finanzielle Unterstützung von der EU bekommen. Hat sich Europa das Problem selbst herangezogen?

Purps: Irland war über zwei Jahrzehnte das Musterland Europas. Das Land, dass mit Unterstützung europäischer Beihilfen zu einer wohlhabenden und absolut wettbewerbsfähigen Ökonomie herangewachsen ist. Aber es wurde nicht auf Exzesse geachtet, die ein unvorstellbares Maß erreicht haben, die jetzt das Land an den Rand des finanziellen Ruins drücken. Europa hätte sicherlich schon frühzeitiger auf die Probleme im irischen Immobiliensektor aufmerksam werden müssen.

sueddeutsche.de: Island und Irland sind zwei Länder, die ihre Banken nicht mehr beherrschen konnten und selbst die Schweiz hatte große Problem mit ihrer UBS. Muss die Bankengröße - simpel formuliert - an Kriterien wie Einwohnerzahl oder Wirtschaftskraft geknüpft werden?

Purps: Es gibt verschiedende Bestrebungen, nach einer optimalen Größe von Banken zu suchen. Man könnte andenken, ob die Bilanzsumme einer Bank an die Einwohnerzahl geknüpft wird; doch das Bankgeschäft ist international und die einzelnen Institute sind sehr unterschiedlich finanziert und investiert: Es werden also differenzierte Lösungen benötigt. Wichtig ist aber auch, dass die Bankenaufseher national und international besser zusammenarbeiten. Wenn eine nationale Bankenaufsicht der Ansicht ist, die eigene Bank oder das eigene Bankensystem sei nicht zu groß, aber die internationale Aufsicht zum Schluss kommt, die Bank oder das ganze Bankensystem sei gemessen an der Volkswirtschaft längst zu mächtig, dann müssen die Institutionen gemeinsam eine Lösung finden.

sueddeutsche.de: Was bleibt den deutschen Banken jetzt erspart?

Purps: Sie müssen sich nicht mehr sorgen, dass die irischen Banken kurzfristig in Liquiditätsnöte rutschen. Die europäischen Institute sind untereinander stark vernetzt, was nicht bedeuten muss, dass eine deutsche Bank sofort in Schieflage geraten wäre, aber das Engagement der deutschen Institute in Irland ist nach Zahlen des Internationalen Währungsfonds vom Juni mit fast 140 Milliarden Euro doch schon relativ groß .

sueddeutsche.de: Die EU hat Irland angeblich regelrecht zu den Hilfen gedrängt. Haben da die deutschen Banken mitgedrängelt?

Purps: Hier haben sicher die Erfahrungen mit Griechenland eine große Rolle gespielt. Jetzt war die EU vor allem bemüht, weiteren Schaden vom europäischen Finanzsystem abzuwenden. Konkret ging es vor allem darum, ein Übergreifen der Probleme auf die Iberische Halbinsel zu vermeiden. Ich kann mir schon vorstellen, dass von Seiten der deutschen aber auch anderer europäischer Banken hier Einfluss genommen wurde, aber das halte ich in Anbetracht des jeweiligen Engagements in Irland durchaus für gerechtfertigt.

sueddeutsche.de: Wenn ein Land wie Irland womöglich schon fast 100 Milliarden Euro benötigt - mit wie viel Geld müsste dann Spanien gestützt werden?

Purps: Jetzt könnte man mathematisch einfach hochrechnen - die spanische Wirtschaft ist x-Mal so groß wie die irische, also bräuchte Spanien soundso viel Geld. Auf Deutschland bezogen wären das schon 1,4 Billionen Euro. Aber ich kann es mir überhaupt nicht anmaßen, hier eine Zahl zu nennen, weil die Situation in den Ländern unterschiedlich ist. Beispielsweise waren die Griechen mit zehn Milliarden Euro als Kapitalpuffer für die Banken zufrieden - das war lediglich eine Beigabe zum Rettungspakt. In Irland besteht die Hilfe offenbar ganz überwiegend aus Unterstützung für den Bankensektor, während das Geld für den Staat wiederum eher als Beigabe zu sehen sein dürfte. In Portugal und Spanien müsste da erneut anders gerechnet werden.

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