Investmentberater orientieren sich um:Handzahme Haie

Gestopftes Maul: Das prestigeträchtige Geschäft mit Fusionen und Übernahmen läuft nicht mehr - Investmentbanken besinnen sich auf Aktien und Anleihen.

Martin Hesse

Die Investmentbanken haben erstmals seit einem Jahr ihre Gebühreneinnahmen gesteigert. Allerdings verdienen sie ihr Geld nicht mehr vorwiegend mit der Beratung bei Fusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions, M&A). Hier ging das Geschäft auch im zweiten Quartal weiter zurück. Dagegen sind die Einnahmen aus der Begleitung von Kapitalerhöhungen und der Platzierung von Anleihen drastisch gestiegen.

Investmentberater orientieren sich um: Nur noch kleine Fische: Das Geschäft mit Firmenkäufen und Zusammenschlüssen läuft nicht mehr.

Nur noch kleine Fische: Das Geschäft mit Firmenkäufen und Zusammenschlüssen läuft nicht mehr.

(Foto: SZ-Graphik)

Auf dem Niveau von 2003

Nach neuen Zahlen des Informationskonzerns Thomson Reuters wurden im ersten Halbjahr des Jahres Firmen im Gesamtwert von 872,5 Milliarden Dollar übernommen. Das ist so wenig wie seit 2003 nicht mehr. "Es gibt vor allem drei Gründe für den Rückgang: Die anhaltnde Unsicherheit über die Konjunktur, die stark schwankenden Aktienkurse und die knappen Finanzierungsmöglichkeiten", sagt Willi Schulz, der das M&A-Geschäft der Citigroup in Deutschland leitet. Die drei größten Übernahmen weltweit waren der Verkauf der Pharmakonzerne Wyeth und Schering-Plough an Pfizer beziehungsweise Merck sowie der Zusammenschluss der Rohstoffkonzerne Rio Tinto und BHP Billiton. Außerdem spielte wegen der Krise der Staat als Firmenkäufer eine große Rolle. In Großbritannien erwarb er hohe Anteile an den Banken Lloyds und RBS, in Deutschland stieg er bei der Commerzbank und der Hypo Real Estate ein.

"Das M&A-Geschäft wird weiterhin von Transaktionen geprägt sein, die aus Krisensituationen entstehen, wie etwa bei den Zulieferern", erwartet Schulz. In dem Maße, wie die Rezession auf andere Branchen übergreife, werde es auch dort zu Notverkäufen kommen. "Versorger sowie Pharma-Konzerne bilden eine Ausnahme, da sie weitgehend unabhängig von der Konjunktur sind und sich weiterhin gut finanzieren können."

Der Rückgang des M&A-Geschäfts hängt vor allem damit zusammen, dass es an willigen Käufern fehlt. "Finanzinvestoren sind mit der Restrukturierung ihrer angeschlagenen Firmen beschäftigt und wer Geld hat, will warten, bis sich die Finanzierungsmärkte erholen", sagt Mark Pohlmann, Leiter des Investmentbanking bei der UBS in Deutschland. Auch Unternehmen seien vorrangig mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Staatsfonds aus dem Mittleren Osten und Asien halten sich mit Zukäufen derzeit ebenfalls zurück. Das gilt vor allem für Europa, glaubt Stephan Leithner, Chef des europäischen M&A-Geschäftes bei der Deutschen Bank. "Staatsfonds treibt vielfach die Erwartung um, dass Europa die Krise langsamer überwindet als die USA - entsprechend beginnt man sich stärker US-Investitionsmöglichkeiten zuzuwenden."

Die Investmentbanker stellen sich darauf ein, dass das Geschäft mit Firmenkäufen flau bleibt. "Übernahmen werden auf kleinere Firmen beschränkt bleiben, bis sich die Finanzierungsmärkte nachhaltig erholen", erwartet Pohlmann. Das sehe er in den nächsten zwei Quartalen nicht. In der M&A-Beratung nahmen die Investmentbanken im ersten Halbjahr 7,5 Milliarden Dollar ein. Insgesamt nahmen die Berater 28,5 Milliarden Euro an Gebühren ein. Das lag vor allem daran, dass Unternehmen sich wegen der Krise in großem Stil über Kapitalerhöhung und die Platzierung von Anleihen und Wandelanleihen mit frischem Geld versorgten. Die Investmentbanken organisieren diese Verkäufe.

Rekordverdächtige 304 Milliarden Dollar

Weltweit nahmen Unternehmen über Kapitalerhöhungen im ersten Halbjahr den Rekordbetrag von 304 Milliarden Dollar auf. Lediglich in Deutschland haben sich Firmen bisher kaum auf diese Weise Geld besorgt. "Es war klug, sich Kapital zu holen, solange der Markt aufnahmebereit ist, wie es vor allem britische Unternehmen getan haben", sagt Pohlmann. Für Nachzügler werde es schwerer, Investoren zu überzeugen. Die Investmentbanker erwarten aber, dass auch in Deutschland Firmen vermehrt Kapital am Markt aufnehmen werden. Leithner rechnet zudem damit, dass der Trend zur Finanzierung über Anleihen anhält. "Es gibt eine strukturelle Verschiebung vom Kreditmarkt zum Anleihenmarkt."

Unter den Investmentbanken hat sich in der M&A-Beratung zuletzt Morgan Stanley weltweit an die Spitze gesetzt. Die meisten Gebühren verdiente allerdings Goldman Sachs. In Deutschland liegt gemessen am M&A-Volumen J.P. Morgan an der Spitze, bei der Zahl der Mandate und den Gebühren hat die Deutsche Bank die Nase vorn. Sie dominiert hier auch das Geschäft mit Anleihe

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