Investivlohn:Kapitalismus für alle

Arbeitnehmer sollen künftig stärker am Erfolg ihres Unternehmens teilhaben. Doch der Investivlohn hat auch seine Tücken.

Johannes Scherer

Ab 2009 will der Staat die Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland stärker fördern, um damit mehr Arbeitnehmer am Erfolg ihrer Betriebe teilhaben zu lassen. Doch die Gefahr ist groß, dass die an sich gute Idee an viel Bürokratismus und zu starren Anlagekonzepten scheitert.

Investivlohn: Mitarbeiter der Salzgitter AG am Hochofen: Mitarbeiter sollen stärker am Erfolg eines Unternehmens beteiligt werden.

Mitarbeiter der Salzgitter AG am Hochofen: Mitarbeiter sollen stärker am Erfolg eines Unternehmens beteiligt werden.

(Foto: Foto: dpa)

Einmal ihm Jahr müssen die börsennotierten Unternehmen in Deutschland ihre Bilanzen und damit auch die Bezüge der Manager offenlegen. Dann werden stets Forderungen laut, man müsse die Arbeitnehmer stärker am Erfolg der Unternehmen beteiligen. Ausnahmsweise sind bei diesem Thema Union und SPD einer Meinung. Eine Arbeitsgruppe der großen Koalition unter der Leitung von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) und CSU-Chef Erwin Huber hat jetzt nach monatelangen Diskussionen und Streitereien einen Entwurf vorgelegt. Die Mitarbeiterbeteiligung soll demnach mit staatlichen Zuzahlungen und steuerlichen Anreizen gefördert werden.

Deshalb erhöht sich im kommenden Jahr die Arbeitnehmersparzulage für vermögenswirksame Leistungen, die in betrieblichen Beteiligungen angelegt werden, von 18 auf 20 Prozent. Solche Beteiligungen können Belegschaftsaktien oder Genussscheine sein. Die Einkommensgrenze, bis zu der die Sparzulage gezahlt wird, steigt von 17.900 (Verheiratete 38.500) Euro auf 20.000 (40.000) Euro, um so den Kreis der Berechtigten ein wenig zu vergrößern. Außerdem sind statt der bisherigen 135 Euro künftig 360 Euro im Jahr lohnsteuer- und sozialabgabenfrei, sofern diese Summe in die Mitarbeiterbeteiligung fließt.

Millionen vom Staat

Auch die alte SPD-Forderung nach einem Deutschland-Fonds findet sich in dem Referentenentwurf wieder, wenn auch etwas abgeändert. Vorgesehen ist die Schaffung von Beteiligungsfonds, in die Arbeitnehmer zwecks Mitarbeiterbeteiligung investieren können. Diese neue Fondskategorie, die von Kapitalanlagegesellschaften aufgelegt und von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht überwacht wird, unterliegt allerdings engen Anlagegrenzen. So müssen nach einer Anlaufphase von zwei Jahren 75 Prozent des Fondsvermögens in das Unternehmen investiert sein, dessen Mitarbeiter in den Fonds einzahlen. Die restlichen 25 Prozent dürfen gestreut in andere Aktien, Anleihen oder am Geldmarkt angelegt werden.

Der Staat lässt sich diese neue Förderung bis zu 300 Millionen Euro im Jahr kosten. Allerdings ist fraglich, ob damit das ehrgeizige Ziel der Koalition erreicht wird, aus den derzeit rund zwei Millionen Arbeitnehmern in Deutschland, die an ihren Betrieben beteiligt sind, mittelfristig drei Millionen zu machen. Denn die Beteiligungsfonds funktionieren nur dann, wenn der Arbeitgeber ebenfalls mitmacht und etwa das Investment in den Fonds aus der Firmenkasse finanziert.

Lesen Sie im zweiten Teil, warum die Modelle zum Investivlohn kritisiert werden - und wer die Kritiker sind.

Kapitalismus für alle

Einer der ersten Kritiker der Modelle war der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI), dessen Mitglieder, die Fondsgesellschaften, an den geplanten Beteiligungsfonds gut verdienen könnten. Der Verband stößt sich vor allem an der Beschränkung, drei Viertel des Fondsvermögens in nur einem Unternehmen anzulegen. In der Tat widerspricht dies der Maxime jeder vernünftigen Anlagestrategie, das Kapital breit zu streuen, um so die Verlustrisiken zu minimieren.

So steckt jeder Beteiligungsgroschen zu drei Vierteln in nur einem Unternehmen, an dem dessen Mitarbeiter über den Fonds zwar am Gewinn beteiligt sind, allerdings nicht mitbestimmen dürfen. Der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens hängt also nach wie vor von der Qualität des Managements ab. Wenn es falsche Entscheidungen trifft und der Betrieb in Schieflage gerät, leidet auch der Beteiligungsfonds unmittelbar darunter. Kommt es im Extremfall zu Entlassungen, sind die betroffenen Arbeitnehmer gleich doppelt bestraft. Einerseits sind sie arbeitslos, andererseits sinkt auch der Wert ihres Beteiligungsfonds.

Komplexität stößt auf Kritik

Die 75-Prozent-Grenze kritisiert auch der Präsident des Arbeitgeberverbandes, Dieter Hundt - allerdings aus einem anderen Grund. Er sieht für Unternehmen keinen Anreiz, eine Mitarbeiterbeteiligung anzubieten, wenn sie 100 Prozent in einen Fonds investieren müssen, aber nur 75 Prozent davon in den eigenen Betrieb zurückkommen. Damit dürfte Hundt der Mehrheit der deutschen Firmenlenker aus der Seele sprechen. Denn die heimische Wirtschaft ist geprägt von kleinen und mittelständischen Firmen.

Das erklärt auch, warum Deutschland in Sachen Mitarbeiterbeteiligung in Europa nur im Mittelfeld liegt. Laut einer Studie der Europäischen Kommission bieten hierzulande nur rund 25 Prozent aller Betriebe ihren Arbeitnehmern eine Gewinn- oder Kapitalbeteiligung an. Spitzenreiter ist Frankreich, wo 85 Prozent der Unternehmen ihre Mitarbeiter am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben lassen. Dazu passt eine Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit in Deutschland. Danach sind von den Unternehmen mit Beteiligungsmodellen hierzulande nur neun Prozent in heimischem Besitz, 31 Prozent dagegen sind in ausländischer Hand.

Der Bundesverband der Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) kritisiert die Komplexität der geplanten Fonds. Was geschieht beispielsweise, wenn ein Arbeitnehmer den Job wechselt - freiwillig oder gezwungenermaßen? Was macht er dann mit seiner Beteiligung am früheren Arbeitgeber? Zurückgeben und den Einsatz und eventuelle Erträge kassieren? Dann schlägt die für 2009 geplante Abgeltungsteuer zu. Das heißt, dass vom Kapitalertrag 25 Prozent der Fiskus bekommt. So könnte sich also, wenn die Beteiligungsformen über die Jahre kräftig an Wert gewinnen, die Mitarbeiterbeteiligung auch für den Staat zu einem lohnenden Projekt entwickeln.

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