Investieren in Gold:Angst macht sexy

Sie fürchten den Dollar-Absturz oder die Inflation: Aus Sorge um die Stabilität des Geldes investieren immer mehr Anleger in Gold - manche lagern es sogar im eigenen Keller.

Simone Boehringer

Er ist fußballfeldgroß, von der Außenwelt abgetrennt durch ein gutes Dutzend Schleusen und wohl einer der bestbewachten Orte der Welt. Die Rede ist von einem Großraumtresor der britischen Großbank HSBC in der Nähe von London. Dort lagern riesige Goldschätze, nicht nur solche der britischen Notenbank und von direkten Kunden der HSBC-Bank. Nummeriert und auf einfachen Holzpaletten gestapelt liegen dort auch immer mehr Vermögen privater Goldanleger aus aller Welt.

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Alles was glänzt: In manchen Wochen kaufen die Fondsmanager mehr Gold, als zur selben Zeit in den Minen weltweit produziert wird.

(Foto: Foto: dpa)

Während viele Menschen bange die fortschreitende Wirtschaftskrise verfolgen und Experten darüber philosophieren, ob womöglich der Verfall des amerikanischen Dollars oder gar das Ende der bestehenden Finanzordnung bevorsteht, steigt der Inhalt des HSBC-Tresors nahezu kontinuierlich im Wert.

Liebling der Pessimisten

Von Mitte April bis Anfang Juni zog der Goldpreis um 13 Prozent an, zuletzt sank der Kurs allerdings wieder leicht. Doch viele Experten gehen davon aus, dass es nicht lange dauern wird, bis auch die Rekordmarke von März 2008 bei 1033 Dollar fällt.

Gold ist für viele die Option für alle Fälle, die Alternative, falls trotz aller Milliardenhilfen von Staat und Zentralbanken das Wirtschaftssystem in eine Depression fällt. Oder auch: Wenn die Konjunktur, schuldenfinanziert wie noch nie zuvor, wieder anspringt und das viele frische Geld der Zentralbanken endlich genutzt wird und Inflation entsteht.

"Die Zentralbanken wagen mit ihrer laxen Nullzinspolitik gerade ein großes Experiment. Wenn es gut geht, ist die Inflation vorprogrammiert. Wenn nicht, ist Gold eine gute Absicherung gegen den schleichenden Zerfall der Papiergeldwährungen", sagt Jochen Hitzfeld, Edelmetall-Analyst bei Unicredit.

Die Angst treibt den Preis nach oben

Anders als bei der letzten heißen Goldrally vor einem Jahr ist es dieses Mal nicht mehr die steigende Schmucknachfrage aus asiatischen Ländern wie Indien, die den Preis treiben. Im Gegenteil: Die meisten dieser traditionellen Nachfrager haben ihre Einkäufe wegen des historisch hohen Goldpreises und der zurückgehenden Nachfrage nach Schmuck im Zuge der Krise stark zurückgefahren.

Dafür wächst die Zahl ängstlicher Investoren, die "ihr" Gold physisch irgendwo gehortet wissen wollen, falls es zum Schlimmsten kommt. Ein großer Teil dieser Skeptiker sitzt in Europa, namentlich Deutschland, das in seiner jüngeren Geschichte schon eine Hyperinflation und zwei Währungsreformen erlebt hat.

Ein wachsender Teil der Goldanleger sitzt aber erstaunlicherweise mittlerweile auch in den Vereinigten Staaten, dem Mutterland der Weltreservewährung Dollar, jahrzehntelang der sichere Hafen schlechthin für Krisenzeiten.

"Offensichtlich fürchten immer mehr Menschen die Inflation und halten einen beschleunigten Abwärtstrend des Dollars für möglich", sagt George Milling-Stanley. Er ist Direktor beim World Gold Council (WGC), einer wichtigen Lobby-Vereinigung der größten Minenbetreiber der Welt.

Lesen Sie auf der nächten Seite, wieso einige Investoren ihr Gold am liebsten im eigenen Haus lagern wollen.

Das Gold im eigenen Keller

Das WGC ist der Erfinder einer Anlageklasse, die in diesen Krisenzeiten immer mehr Investoren anlockt und inzwischen zu den Haupttreibern des Goldpreises gehört: Es geht um physisch gedeckte Goldfonds und Investmentzertifikate.

Das heißt, die Anleger erwerben nicht nur ein Wertpapier oder einen Fondsanteil, sondern die Anbieter versichern ihnen, dass sie für jedes Wertpapier den Gegenwert physisch in einem Tresor hinterlegen. Wird das Ganze von einem externen Treuhänder verwaltet, so die Investmentidee, sind die Anleger auch im Falle der Pleite ihrer Investmentgesellschaft auf der sicheren Seite.

Mehr Gold als die Schweizer Nationalbank

Der größte dieser Fonds heißt SPDR Gold Shares, wird vorwiegend in den USA vertrieben und hortet inzwischen rund 1100 Tonnen Gold für seine Kunden - das meiste davon eben in jenem berühmten Tresor der HSBC-Bank. Damit ist SPDR zum sechstgrößten Goldhalter der Welt avanciert. Im Frühjahr erst überholte der Fonds die Schweizer Nationalbank, die einen Goldschatz von 1040 Tonnen hütet.

Die Idee für den Fonds hatten die Lobbyisten des World Gold Council. Inzwischen stellt er nach Auskunft Milling-Stanleys nur noch Experten und Analysen, den Vertrieb managt das Investmenthaus State Street Global Advisors. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte kontrolliert die Bestände.

Das Produkt hat derart eingeschlagen, dass es inzwischen viele Nachahmer gibt, darunter auch einige in Deutschland vertriebene Produkte. Einige Anbieter geben den Investoren sogar die Möglichkeit, dass sie sich ihre Schätze direkt ausliefern lassen können.

Ein Spielball des Dollars

Der Ursprungsfonds SPDR hat zwischenzeitlich Wochen gehabt, in denen die Fondsmanager aufgrund der hohen Nachfrage mehr physisches Gold einkaufen mussten, als zur selben Zeit in den Minen weltweit produziert wurde. "Alle physisch hinterlegten Investmentprodukte zusammengenommen absorbieren inzwischen gut zehn Prozent der weltweiten Goldnachfrage", schätzt Michael Geister vom Anbieter ETFS.

Seit ein paar Wochen legen die Fonds allerdings langsamer zu. An ihre Stelle treten zunehmend Spekulanten, die an den großen Rohstoffbörsen mit Termingeschäften auf steigende Goldpreise setzen. "Die Positionen entsprechen inzwischen einem Gegenwert von 570 Tonnen. Das entspricht einem Viertel der Weltjahresproduktion an Gold", erklärt Eugen Weinberg, Edelmetallexperte bei der Commerzbank.

Die meisten dieser Anleger sichern sich damit gegen Preisschwankungen des Dollars ab, bei angelsächsischen Profi-Investoren nach wie vor die dominierende Basiswährung im Depot. "Der Goldpreis ist damit zu einem Spielball des Dollars geworden, und dieses Geld ist sehr flüchtig", warnt Weinberg. Sobald der Dollar auch nur leicht gewinnt, werden binnen Minuten Tausende Terminkontrakte aufgelöst und der Goldpreis purzelt.

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