Invasive Pflanzen:Raus hier!

Exotische Pflanzen können einheimische Arten verdrängen und auch für Menschen zur Plage werden. Wer verbotene Sträucher oder Bäume pflanzt, könnte in der Schweiz bald im Gefängnis landen.

Von Jochen Bettzieche

Wer beim Gärtnern nicht aufpasst, könnte in der Schweiz vielleicht bald im Gefängnis landen. Denn die Bundesregierung will die heimische Flora und Fauna besser vor unerwünschten Pflanzen schützen. Eigentümer oder Mieter, die Ambrosia, kanadische Goldrute oder einen Essigbaum im Garten wuchern lassen, müssen nach einem Gesetzesentwurf mit Bußgeldern, in extremen Fällen sogar mit bis zu drei Jahren Gefängnis rechnen. Die Behörden der Kantone sollen die Einhaltung der Regeln überwachen. "Bald kommt der Garteninspektor", titelte die NZZ. So weit ist es in Deutschland noch nicht. Aber auch in hiesigen Gärten sind invasive Arten ein wachsendes Problem.

Seit der Mensch mobil ist, hat er schon immer auch Tiere und Pflanzen von seinen Reisen und Wanderungen mitgebracht. Das kann auch viele Vorteile haben, wie etwa im Fall vom Mais oder der Kartoffel. Breiten sich die Neophyten ("Neu-Pflanzen") allerdings unkontrolliert aus und schaden dabei dem hiesigen Ökosystem, indem sie beispielsweise heimische Arten verdrängen, heißen sie invasiv. Dazu gehören auch in Gärten gern gesehene Zierpflanzen wie das Japanische Geißblatt oder Robinien.

Wie gefährlich invasive Arten tatsächlich sind, ist umstritten

In Deutschland definiert Paragraf sieben des Bundesnaturschutzgesetzes den Begriff invasive Art als "eine Art, deren Vorkommen außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets für die dort natürlich vorkommenden Ökosysteme, Biotope oder Arten ein erhebliches Gefährdungspotenzial darstellt." Problematisch können die neuen Arten aber nicht nur für Pflanzen und Tiere, sondern auch für die Menschen werden. Die Aufrechte Ambrosia zum Beispiel produziert sehr viele Pollen, die Allergien auslösen können. Der Riesenbärenklau kann bei Hautkontakt und Sonnenlicht schwere Verbrennungen verursachen.

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Der Riesenbärenklau kommt ursprünglich aus dem Kaukasus, breitet sich aber immer weiter in Westeuropa aus.

(Foto: imago/Werner Schmitt)

Wie gefährlich invasive Arten sind und welche Folgen ihre Ausbreitung für die Natur hat, ist allerdings umstritten. Olaf Schmidt, Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, sieht keine großen ökologischen Probleme: "Ich kenne keine heimische Pflanze, die wegen der Ausbreitung invasiver Arten in Mitteleuropa ausgestorben ist." Von 100 Neobiota-Arten etablierten sich zehn längerfristig in Deutschland, und davon verursache nur eine Art Probleme. Laut Schmidt lenkt das Thema von größeren Gefahren für das Ökosystem wie der Versiegelung von Flächen, Pestizideinsatz und Überdüngung ab: "Gesetzliche Vorschriften für Gartenbesitzer halte ich für überzogen."

Nur für wenige Pflanzen gibt es ein Verkaufsverbot

Nur für wenige Neophyten gibt es ein Verkaufsverbot. Die EU hat dafür eine Liste aufgestellt, die in diesem Sommer von 23 auf 36 Pflanzen erweitert wurde: Sie dürfen auch in Deutschland nicht eingeführt, gehalten, gezüchtet, transportiert, in den Verkehr gebracht, getauscht oder freigesetzt werden. Auf der "Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung" stehen unter anderen Zier- und Nutzpflanzen wie die Gelbe Scheinkalla. So verdrängt diese nach Angaben des Bundesumweltministeriums "durch Beschattung seltene oder gefährdete Arten wie zum Beispiel bestimmte Orchideen- und Torfmoosarten". Andere Arten schadeten darüber hinaus Ökosystemen, indem sie die Fließgeschwindigkeit von Gewässern verlangsamten oder deren pH-Wert veränderten.

Grundlage für die Gesetzgebung ist die EU-Verordnung 1143/2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten. Laut EU kommen in Europa etwa 12 000 gebietsfremde Arten, Pflanzen, Tiere, Pilze und Mikroorganismen vor, von denen zehn bis 15 Prozent als invasiv angesehen werden. "Invasive gebietsfremde Arten sind eine der größten Bedrohungen für Biodiversität und die damit verbundenen Ökosystemdienstleistungen", nennt die Präambel den Grund, warum die EU aktiv wurde.

Invasive Pflanzen: Robinien sind in Europa weit verbreitet. Ursprünglich kommen die Bäume aus Nordamerika.

Robinien sind in Europa weit verbreitet. Ursprünglich kommen die Bäume aus Nordamerika.

(Foto: mauritius images / blickwinkel)

Die Bundesregierung hatte bereits 2013 eine Liste invasiver und potenziell invasiver Arten erstellt, die weit mehr als die 36 Arten enthält, für die gesetzliche Vorschriften gelten. So gilt beispielsweise der bei hiesigen Gartenbesitzern sehr beliebte Kirschlorbeer als potenziell invasiv. Es lägen begründete Annahmen vor, dass er heimische Arten gefährde. Die negativen Auswirkungen seien aufgrund ungenügenden Wissensstands nicht endgültig zu beurteilen, aber ausreichend, um Maßnahmen zu begründen.

Ewald Weber, Leiter der Forschungsgruppe zum Thema Biodiversität an der Universität Potsdam, wird deutlicher. In seinem Buch "Invasive Pflanzen der Schweiz - erkennen und bekämpfen" schreibt er, der Kirschlorbeer verwildere leicht und könne einen dichten Unterwuchs in Wäldern bilden. Das verhindere "das Aufkommen anderer Pflanzenarten". Der Wissenschaftler empfiehlt, den Kirschlorbeer keinesfalls in der Nähe eines Waldes zu pflanzen. Auch sollten Gartenbesitzer Blütenstände nach dem Verblühen abschneiden. So verhindern sie, dass Vögel die Samen weiterverbreiten. Ein Vorschlag, der so ähnlich auch im Schweizer Gesetzentwurf steht. Sollten die Samenstände bereits stehen, gehören sie in eine professionelle Kompostieranlage. Darin ist es so warm, dass sämtliche Pflanzenteile absterben. Auf dem eigenen Kompost hingegen können die Samen keimen. Die Entfernung unerwünschter Pflanzen ist oft einfacher gesagt, als getan. Einen Kirschlorbeer zu entfernen, ist harte Arbeit. Ihn einfach oberhalb der Erde abzusägen, hilft nicht. Jahr für Jahr treibt er neu aus. Wer den Kirschlorbeer daher gänzlich aus dem Garten entfernen will, muss die Wurzel ausgraben. Aber das ist vor allem bei älteren Pflanzen oft mühsam und ohne Bagger kaum zu bewältigen. Zu groß, zu schwer und zu verzweigt sind die Wurzeln. In solchen Fällen empfiehlt der Wissenschaftler das "Ringeln". Dabei schneidet der Gärtner im Winter an allen Stämmen ein circa 15 Zentimeter breites Band aus der Rinde, lässt aber ungefähr ein Zehntel stehen. Dieses entfernt er erst im Juni des folgenden Jahres. Der Baum sollte dann innerhalb kurzer Zeit sterben und kann im Winter gefällt werden, ohne dass er danach wieder treibt. Das Verfahren funktioniert auch bei anderen invasiven Arten wie Robinie und Schneeball.

In der Schweiz dürfen bestimmte Pflanzen bald nur mit Warnhinweis verkauft werden

Noch verkaufen Gärtner und Gartencenter gerne exotische Pflanzen. Gerade ihre Robustheit, ihre Durchsetzungskraft und ihre oft immergrünen Blätter machen sie beliebt. Geht eine Art oft gut an, ist die Gefahr einer Reklamation gering. Die Anzahl der Pflanzen, die nicht verkauft werden dürfen, ist in den EU-Ländern und auch in der Schweiz schließlich nur gering. Naturschutzverbände appellieren daher an Gartencenter, invasive Pflanzen freiwillig aus dem Sortiment zu nehmen. In der Schweiz sollen Verkäufer künftig zumindest verpflichtet werden, manche Gewächse nur mit Warnhinweisen und Instruktionen zu verkaufen. Gartenbesitzer müssen die unkontrollierte Verbreitung unterbinden.

Invasive Pflanzen: Der Kirschlorbeer ist bei vielen Gartenbesitzern beliebt. Wer ihn wieder loshaben möchte, muss die gesamte Wurzel ausgraben.

Der Kirschlorbeer ist bei vielen Gartenbesitzern beliebt. Wer ihn wieder loshaben möchte, muss die gesamte Wurzel ausgraben.

(Foto: imago stock&people)

Weber hat sich auch mit den ökonomischen Folgen befasst. Denn invasive Arten verursachen Kosten. Allein für die ärztliche Behandlung wegen eines Kontakts mit Ambrosia fallen in Deutschland im Jahr laut Weber etwa 24,5 Millionen Euro an. Die professionelle Entfernung von Bärenklau kostet 11,3 Millionen Euro. Und Großbritannien gibt jährlich 344 Millionen US-Dollar aus, um zwölf Neophyten mit Hilfe von Herbiziden zu kontrollieren.

Dass die Schweiz bei der Bekämpfung vor allem die privaten Gartenbesitzer in die Pflicht nehmen will, stößt nicht überall auf Zustimmung. So kritisiert der Schweizer Hauseigentümerverband (HEV), dass die Haushalte einen großen Teil der Kosten selbst tragen müssen. Das sei eine Zumutung, sagte vor Kurzem der HEV-Direktor Markus Meier. Vor allem die Entfernung von gesundheitsschädlichen und stark wuchernden Pflanzen wie dem Riesenbärenklau kann schnell teuer werden, weil sie besser von Fachleuten durchgeführt werden sollte. Der Eigentümerverband sieht in dem geplanten Gesetz außerdem einen zu starken Eingriff in das Eigentumsrecht. "Die Vorlage öffnet Tür und Tor für die staatliche Willkür, indem Grundstücke betreten und staatlich kontrolliert werden können", kritisiert der HEV. Mancherorts gibt es schon konkrete Pläne, via Handy-App invasive Pflanzen melden zu können. Damit werde eine "Neuphyten-Miliz" aufgebaut, kritisierte HEV-Vorstand Christoph Buser das Vorhaben. "Wirkt wie ein Aufruf zum Denunziantentum gegen Wohneigentümer. Nicht akzeptabel!"

In Deutschland bleibt es im Vergleich zur Schweiz vor allem bei Empfehlungen. So rät zum Beispiel das Bundesamt für Naturschutz Gartenbesitzern, keine invasiven Neophyten anzupflanzen und vorhandene Eindringlinge zu entfernen. Oft gibt es eine heimische Alternative: Laut Bundesamt sollten Gartenbesitzer zum Beispiel statt Götterbaum oder Kudzu lieber Vogelbeere oder gewöhnlichen Hopfen anpflanzen. Neophyten können aber auch Vorteile haben, etwa weil sie eine Nahrungsquelle für Insekten sind oder auch unter schwierigen Bedingungen wachsen können. So gelangten erste Rosskastanien-Samen im 16. Jahrhundert von Konstantinopel nach Wien. Von dort breiteten sie sich über ganz Europa aus. Heute gehören sie zu einem wesentlichen Qualitätskriterium eines bayerischen Biergartens.

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