Süddeutsche Zeitung

Interview:Und wieder die KPMG

Die Prüfungsgesellschaft KPMG wird auffallend oft im Zusammenhang mit Unternehmensskandalen genannt. Täuscht der Eindruck? Wirtschaftsprofessor Jochen Bigus über die KPMG und die laschen Sanktionsmöglichkeiten für Wirtschaftsprüfer.

hgn

Der ehemalige Finanzvorstand von Siemens, Heinz-Joachim Neubürger, ist im Schmiergeld-Skandal des Münchner Unternehmens angeblich schwer belastet worden: Er soll darauf gedrängt haben, dass Wirtschaftsprüfer Hinweisen auf fragwürdige Zahlungen nicht weiter nachgehen (SZ vom 18.12.2006):

Ein früherer Top-Manager der Com-Sparte soll demnach ausgesagt haben, dass ein junger Mitarbeiter der KPMG bei der Jahresabschlussprüfung 2004 auf merkwürdige Zahlungsvorgänge gestoßen sei. Später habe sich eine KPMG-Mitarbeiterin aber für den Übereifer ihres jungen Kollegen bei Siemens entschuldigt. Die KPMG erklärte unterdessen, dass sie die Unterstellung zurückweise. Sie sei den Berichtspflichten nachgekommen.

Unabhängig von möglichen Fehlern der KPMG ist offensichtlich, dass das System Wirtschaftsprüfung noch an vielen Stellen verbessert werden kann. Denn dass den Prüfern immer wieder Unregelmäßigkeiten im großen Stil entgehen, zeigen die Skandale der letzen Jahre.

Wir haben Jochen Bigus, Experte für International Accounting an der Universität Osnabrück, gefragt, wie das vermieden werden könnte.

sueddeutsche.de: Wer den Namen KPMG hört, denkt sofort an Holzmann, Flowtex oder Comroad. Und neuerdings auch an Siemens. Hat die KPMG häufiger als andere Gesellschaften mit Problemfällen zu tun?

Jochen Bigus: Die KPMG ist schon auffallend häufig in solche Fälle verwickelt. Allerdings nur in Deutschland. Schaut man ins Ausland, entdeckt man schnell, dass sich die anderen Gesellschaften auch nicht mit Ruhm bekleckern. Ernst & Young wurde im Zusammenhang mit Equitable Life verklagt, Deloitte war beim Parmalat-Skandal verwickelt und auch PWC hat Leichen im Keller.

sueddeutsche.de: Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sollen helfen, Unstimmigkeiten im Zahlenwerk aufzudecken. Offenbar gelingt das aber in den entscheidenden Fällen nicht. Liegt es daran, dass die Kontrollierten das Mandat vergeben und damit die eigene Kontrolle bezahlen?

Bigus: Der Vorstand hat natürlich Einfluss auf die Wahl der Prüfungsgesellschaft. Zwar erteilt formell die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft einen Prüfungsauftrag, orientiert sich dabei aber am Vorschlag des Aufsichtsrats. Und der Aufsichtsrat bekommt einen Vorschlag vom Vorstand. Sicher ist es unglücklich, dass die Unternehmen die Prüfung bezahlen, doch ich sehe keine andere Möglichkeit.

sueddeutsche.de: Die Sorge vor dem etwaigen Verlust eines Mandats gepaart mit laschen Sanktionsmechanismen im Falle einer zu laxen Prüfung - die Anreize für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften könnten besser gesetzt sein ...

Bigus: Darum plädiere ich dafür, die deutschen Haftungsregeln für die Wirtschaftsprüfer an internationale Standards anzupassen. Wenn hierzulande die Prüfungsgesellschaften nachweislich fahrlässig handeln, ist die Haftungspflicht auf vier Millionen Euro beschränkt. In den USA haben wir eine unbeschränkte Haftung, in vielen anderen Ländern Europas ebenfalls. Soweit müsste Deutschland nicht gehen, sonst bräche womöglich der Prüfungsmarkt zusammen. Doch die Haftung müsste deutlich angehoben werden. Eine schlagkräftigere Haftungskeule würde sicherlich das Prüfungsverhalten ändern.

sueddeutsche.de: Was ist mit der neu eingerichteten Aufsicht der Wirtschaftsprüfer. Hat sie disziplinierende Wirkung?

Bigus: Das Audit Committee, ein Prüfungsausschuss nach US-Vorbild, kann niemals vollständig prüfen. Die Arbeit der Prüfer kann nur durch neue Anreize verbessert werden, sprich: die restriktivere Haftung.

sueddeutsche.de: Kurz nach der Comroad-Affäre sagte der damalige Siemens-Chef und heutige Vorsitzende des Siemens-Aufsichtsrates, Heinrich von Pierer, dass das Unternehmen vertrauensvoll und gut mit der KPMG zusammenarbeite. Es sei nicht sinnvoll, alle drei Jahre einen neuen Wirtschaftsprüfer zu engagieren, der sich in das "hoch komplexe Siemens-Gebilde" einarbeite. Muss man angesichts der aktuellen Geschehnisse nicht doch die Zyklen vertrauensvoller Zusammenarbeit von Zeit zu Zeit einmal durchbrechen?

Bigus: Eine Rotation der verantwortlichen Prüfungsgesellschaft hat Vor- und Nachteile: In Spanien wurde sie eingeführt, dann aber wieder aufgegeben. In den USA ist die Rotation der Prüfungsgesellschaften trotz des Enron-Skandals nicht verwirklicht worden. Statt dessen werden jetzt nur die verantwortlichen Prüfer ausgewechselt. Die Gesellschaft bleibt die gleiche. Ein neuer Prüfer könnte tatsächlich unabhängiger sein, aber ihm ist der Blick womöglich verstellt. Er kennt das Unternehmen nicht und wird daher Unregelmäßigkeiten weniger rasch erkennen.

sueddeutsche.de: Wie muss denn eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorgehen, wenn ihr Unregelmäßigkeiten auffallen?

Bigus: Sie muss sie der Geschäftsführung melden und sie müssen im Prüfungsbericht erwähnt werden. Den erhält aber nur der Aufsichtsrat, er ist nicht öffentlich zugänglich.

sueddeutsche.de: Im öffentlichen Bestätigungsvermerk unter dem Jahresabschluss werden etwaige Unregelmäßigkeiten nicht erwähnt?

Bigus: Dort werden sie nur erwähnt, wenn sie zu wesentlichen Falschaussagen im Jahresabschluss führen. Sollten der KPMG bei Siemens also tatsächlich Unregelmäßigkeiten aufgefallen sein, müssten sie im Bericht an den Aufsichtsrat erwähnt worden sein. Doch für eine Erwähnung im Bestätigungsvermerk dürften die Summen, um die es geht, zu gering gewesen sein.

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