Süddeutsche Zeitung

Interview:"Ein ziemlicher Hype"

Es fehlt nicht an kleinen, sondern an großen Wohnungen, sagt Reiner Braun, Vorstand des Berliner Forschungsinstituts empirica AG.

Von Christine Mattauch

Herr Braun, wie sehen Sie den Trend zu Mikrowohnungen?

Reiner Braun: Ich halte das für einen ziemlichen Hype. Bauträger erzählen uns schon seit drei, vier Jahren, dass sie kleinere Wohnungen bauen, weil die Leute sie fordern. Aber was die Leute wirklich wollen, ist eine kleinere Monatsmiete. Der eigentliche Mangel, das sind die großen Wohnungen.

Weshalb wird trotzdem so viel investiert?

Kapitalanleger bekommen kaum noch Rendite, wenn sie in einer Großstadt ein Mietobjekt kaufen. Bei Mikrowohnungen sieht das anders aus, zumindest auf dem Papier, weil die Quadratmetermiete sehr hoch angesetzt wird. Die Frage ist allerdings, ob sie sich langfristig realisieren lässt. Da bin ich skeptisch.

Wenn der Markt abkühlt, sind die Kleinwohnungen die ersten, die leer stehen?

Im Moment kriegt man sie gut los, aber irgendwann wird auch diese Wohnungsknappheit vorüber sein. Der Wohnungsmarkt ist träge. Wir haben jahrelang zu wenig gebaut, bis sich die Situation so zugespitzt hat, dass jetzt wieder über Subventionen diskutiert wird. Dann wird ganz viel gebaut, und in fünf oder sieben Jahren reden wir wieder über Leerstände, zumindest in weniger attraktiven Städten. Deshalb ist es wichtig, dass Mikro-Apartments flexibel gebaut werden, damit sie bei Bedarf an andere Nutzergruppen vermietet oder zusammengelegt werden können.

Es gibt auch die These, dass der Markt immer weiter nach oben geht.

In der Tat lese ich in den sozialen Medien Theorien, die mich stark an die 1990er-Jahre und den Neuen Markt erinnern: Das sei jetzt eine völlig neue Phase, es gebe keine Zyklen mehr, es ginge nur noch nach oben. Das ist natürlich Humbug.

Aber es gibt immer mehr Anbieter.

Das liegt an den sogenannten Schlagzeileninvestoren - Privatleute, die investieren, wenn in den Boulevardzeitungen steht, dass damit eine dicke Rendite zu erzielen ist. Diese Anleger bevorzugen kleine Wohnungen, weil das wenig Eigenkapital erfordert. Wer kann es sich in München leisten, eine Dreizimmerwohnung zu kaufen, bei Quadratmeterpreisen von 6000 bis 7000 Euro? Da wagen sich viele nicht dran. Aber ein Mikro-Apartment, das geht. Deshalb war es schon immer so, dass auf dem Gipfel einer Wohnungsknappheit viel zu viele kleine Wohnungen gebaut wurden.

Eine klassische Blase also?

Es wird ja immer gesagt, es ist keine Blase, weil die Beleihungen nicht nach oben gehen. Stimmt, die Beleihungen gehen nicht nach oben, weil so viel Eigenkapital vorhanden ist. Aber eine Blase gibt es trotzdem in dem Sinne, dass die Luft entweichen wird, wenn die Zinsen nach oben gehen. Und das wird auch und vor allem die Mikro-Apartments treffen.

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Quelle:
SZ vom 24.11.2017
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