Internationaler Währungsfonds:Kampf dem Kasino

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Der Internationale Währungsfonds warnt vor den nächsten Finanzkrise. Künftig komme es aber darauf an, nicht blind zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Der Appell an die Politiker ist eindringlich, auch wenn die Forderungen des IWF im Kern nicht neu sind.

Catherine Hoffmann

Es ist der Albtraum der Bankenaufseher und Regulierer in aller Welt: Dass sich seit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers die Risiken in den Bankbilanzen nicht in Luft aufgelöst haben, sondern immer noch viele zweifelhafte Wertpapiere dort schlummern. Der Albtraum könnte Wirklichkeit sein. In einem soeben veröffentlichten Diskussionspapier warnen Ökonomen des Internationale Währungsfonds (IWF) davor, dass die Wahrscheinlichkeit einer neuen Finanzkrise durch die Bankenrettung sogar noch größer geworden sei. "Die Verletzlichkeit des globalen Finanzystems bleibt beachtlich und sie bedroht die wirtschaftliche Erholung", heißt es weiter.

Der IWF geht mit dem Krisenmanagement der Regierungen hart ins Gericht. Die Finanzhäuser seien heute bei weitem nicht so solide wie sie es sein sollten. Noch immer versteckten sich in den Bilanzen unerkannte Risiken und faule Wertpapiere. Der IWF fordert deshalb eine genaue Untersuchung der Bilanzen und vernünftige Stresstests. Gut möglich, dass Prüfer in vielen Fällen zum Schluss kämen, dass eine Bank noch Wertpapiere abschreiben und das Haus mit neuem Eigenkapital gestärkt werden muss. Dann sollte das Problem prompt angegangen werden - und zwar ohne die Schuldenlast der Staaten zu erhöhen.

Die Kritik ist nicht zu überhören: Viele Staaten haben sich bei der Rettung maroder Banken übernommen. In Europa und den USA wurden die Schulden von Pleitebanken praktisch verstaatlicht. Die Folge: Die Defizite in den öffentlichen Haushalten schwollen an, die Schuldenberge wuchsen. In Irland rächte es sich bitter, dass sich die Regierung dazu drängen ließ, für die Schulden der Banken einzustehen: Nun ist der Inselstaat selbst ein Pleitekandidat und hängt am Tropf des europäischen Notfonds. Das Land hat seine Kreditwürdigkeit ruiniert, um die Gläubiger seiner Banken zu retten. Ökonomen nennen so etwas moral hazard. Gemeint ist der Anreiz, sich im Vertrauen auf erwartete Rettungsmaßnahmen rücksichtslos zu verhalten. Wenn es schiefgeht, zahlt die Rechnung nicht der Anleger, sondern der Staat.

Das moniert auch der IWF: "Der moral hazard hat zugenommen", heißt es in dem Papier, das IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard autorisiert hat. Die Reaktion der Politik auf die jüngste Finanzkrise habe viel Geld gekostet und den Staat erpressbar gemacht. Noch immer hänge das Vertrauen in die Stabilität des Finanzsystems stark von Hilfen der Notenbanken und Regierungen ab.

Auch mit der Bankenregulierung ist der Währungsfonds unzufrieden. Teile der Finanzwelt seien heute noch stärker konzentriert als vor der Krise, die Banken noch immer so groß und komplex, dass sie den Staat im Notfall erpressen könnten. "Die Regierungen müssen darüber nachdenken, wie sie die Gefahren in den Griff bekommen, die große Banken für die Stabilität der Finanzwelt bergen", fordern die Autoren der Studie. Künftig komme es darauf an, nicht blind zu retten, was nicht mehr zu retten ist. In der nächsten Krise sollten wertlose Wertpapiere frühzeitig abgeschrieben werden und den Banken harte Auflagen gemacht werden, bevor man ihnen Hilfe anbietet. Der Appell an die Politiker ist eindringlich, auch wenn die Forderungen des IWF im Kern nicht neu sind.

Trotz vieler Absichtserklärungen gibt es bis heute keine international einheitliche Regulierung der Banken. Und gute Vorschläge, wie sich in Zukunft die katastrophalen Folgen von Bankenzusammenbrüchen vermeiden ließen, wurden nicht in die Tat umgesetzt. Der frühere Chef der US-Notenbank Paul Volcker beispielsweise fordert schon lange, den Eigenhandel der Banken zu beschränken. Dahinter steckt die Idee, dass die Kreditinstitute zu wichtig sind für die Wirtschaft, als dass man ihnen erlauben sollte, ihr Eigenkapital mit spekulativen Geschäften in Gefahr zu bringen. Mit seinem radikalen Vorschlag, die internationalen Großbanken aufzuspalten in Kredit- und Spekulationsgeschäft, konnte er sich nicht durchsetzen. Deshalb gibt es immer noch viele Institute, die als too big to fail gelten: Sie sind zu groß, um notfalls abgewickelt zu werden.

Auch an glaubwürdigen Stresstest für die Banken mangelt es. Der Härtetest, dem sich Europas Banken im vergangenen Sommer unterzogen haben, gilt heute als schlechter Witz. Nur sieben von 91 Instituten sind durchgefallen. Die irischen Banken, die den Test bestanden hatten, fielen dagegen wenige Monate später dem Staat zur Last. Die Aufseher hatten die Prüfung zu einfach gemacht, in der Hoffnung, es würden die Anleger beruhigen, wenn möglichst viele Institute durchkommen. Auch die neuen Stresstest werden weichgespült. Banken müssten lediglich einem Einbruch der Aktienkurse um 15 Prozent standhalten statt der 20 Prozent im Test des Vorjahres, berichtete die Financial Times. Ein Ölpreisschock sei ebenso wenig einkalkuliert wie die Pleite eines Staates. Das zeigt: Der IWF liegt mit seinem Verdacht wohl richtig, dass einige Häuser der nächsten Krise nicht gewachsen sind.

© SZ vom 11.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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