Insolvente US-Bank:BGH spricht deutschen Lehman-Anlegern Schadensersatz zu

  • Der Bundesgerichtshof spricht erstmals zwei deutschen Anlegern Schadensersatz zu, die durch die Insolvenz der US-Bank Lehman Brothers Geld verloren haben.
  • Die Bank habe ihre Beratungspflicht verletzt, weil sie die Kunden nicht über das Risiko eines Totalverlustes informert habe.
  • Für die meisten Lehman-Geschädigten könnte das Urteil zu spät kommen.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Der Kreis der Geschädigten war beträchtlich. Mindestens 40 000 Deutsche sollen durch die spektakuläre Insolvenz der US-Bank Lehman Brothers im September 2008 das Geld verloren haben, das sie in Lehman-Zertifikate gesteckt hatten.

Doch ihre Hoffnung, ihre Verluste bei den Banken zurückzuholen, die ihnen die Papiere verkauft hatten, wurde meist enttäuscht: Der Bundesgerichtshof hat bisher alle Anlegerklagen abgewiesen. Nun hat der BGH sich erstmals auf die Seite der Geschädigten geschlagen. Die Bethmann Bank muss zwei Anlegern Schadensersatz von fast 100 000 Euro und gut 27 000 Euro zahlen. (Az XI ZR 169/13 u. 480/13)

Die Bank habe ihre Beratungspflicht verletzt

In beiden Fällen ging es um Garantiezertifikate, die mit einem vollmundigen Versprechen ausgestattet waren: Die Anleger sollten mindestens 100 Prozent ihres Kapitals zurückgekommen. Im "Basisprospekt" zu den Anlageprodukten war zwar von einem Sonderkündigungsrecht zum Beispiel für den Fall der Insolvenz oder der Fusion die Rede - mit der möglichen Folge, dass der Anleger in diesem Fall weniger als den Nennbetrag oder sogar "Null" zurück erhalten würde.

Doch weder wurde dieser Prospekt den Anlegern ausgehändigt, noch wurden sie von den Bankberatern mündlich darauf hingewiesen.

Nach dem Urteil des BGH hat die Bank damit ihre Beratungspflicht verletzt und muss den Anlegern daher den Schaden ersetzen. Kennzeichnend für ein Garantiezertifikat sei ja gerade der 100-prozentige Kapitalschutz, so dass die Bank ihre Kunden "ungefragt" über das Risiko eines Totalverlusts informieren müsse. Denn dies sei ein für die Anlageentscheidung "wesentlicher Umstand", entschied der Bankensenat.

Für die meisten Lehman-Geschädigten dürfte das Urteil allerdings zu spät kommen. Solche Ansprüche verjähren binnen drei Jahren "ab Kenntnis" des Aufklärungsfehlers der Bank. Chancen auf Schadensersatz dürften damit allenfalls jene haben, deren Verfahren noch laufen und die ein solches "Garantiezertifikat" gezeichnet haben.

Der Düsseldorfer Anwalt Julius Reiter, der viele Anleger vertreten hat, weist darauf hin, dass er beim Oberlandesgericht Düsseldorf mehrere Verfahren verloren habe, in denen er sich auf die nun vom BGH akzeptierte Argumentation gestützt habe. Noch im vergangenen Jahr sei er beim BGH mit einer Beschwerde gegen ein solches Urteil gescheitert.

Unter dem Strich haben nach Reiters Einschätzung damit vor allem jene Anleger Geld zurück bekommen, die mit der Bank einen Vergleich aushandeln konnten. Erfolglos geblieben war auch der Versuch, die frühere BGH-Rechtsprechung zur Aufklärung über Provisionen aus dem Wertpapierverkauf auf die Lehman-Fälle anzuwenden.

Dahinter steckt das Argument, die Aussicht auf eine Vergütung bedeute einen Interessenskonflikt für die beratende Bank. Der BGH indes hat seit 2011 eine Aufklärungspflicht mehrmals verneint. Weil die Gewinnabsichten der Bank offensichtlich seien.

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