Inkasso-Drohung der Krankenkassen:Die Geister, die sie riefen

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Acht Euro Zusatzbeitrag - für die Kassen ist das ein gigantischer Aufwand. Säumige Versicherte müssen mit scharfen Mahnverfahren rechnen. Doch auch das ist teuer.

Die Büchse der Pandora ist geöffnet. Mit der Ankündigung, künftig von ihren Versicherten Zusatzbeiträge zu verlangen, haben Krankenkassen wie DAK, KKH Allianz und eine Reihe von Betriebskrankenkassen eine ganze Nation in Aufruhr versetzt. Das Geld, das die Kassen aus dem Gesundheitsfonds bekommen, reicht häufig hinten und vorne nicht - da hilft auch die Finanzspritze von vier Milliarden Euro nicht, mit der die Bundesregierung dem System Erste Hilfe leistet.

Die DAK will ab Februar von ihren Versicherten einen Zusatzbeitrag von acht Euro im Monat kassieren. (Foto: Foto: dpa)

Für die Krankenkassen dürfte es keine leichte Entscheidung gewesen sein. Denn das ganze Prozedere bedeutet für sie viel Aufwand, jede Menge Bürokratie - und wohl auch jede Menge Scherereien. Denn als Körperschaft öffentlichen Rechts sind die Kassen verpflichtet, den Beitrag von jedem einzelnen Versicherten einzuziehen. Kulant sein dürfen sie nicht einmal in schweren Fällen. So müssen die Kassen hoffen, dass jedes Mitglied seinen Zusatzbeitrag selbst überweist oder den Unternehmen eine Einzugsermächtigung ausstellt.

Und was, wenn sich die Versicherten einfach weigern? Unrealistisch ist das nicht. Helmut Wasserfuhr, der Chef der Kasse GBK, befürchtet dass "im Schnitt 15 Prozent nicht zahlen". Dann müsse ein Mahnverfahren eingeleitet werden, sagte Wasserfuhr der Bild-Zeitung. "Das geht gegebenenfalls bis zur Pfändung von Gehalt und Rente."

Die Kassen haben dafür entweder ein Inkasso-Unternehmen beauftragt, sonst springt der Zoll ein. Viel Aufwand ist das für acht Euro, von denen die Kassen ohnehin nur einen Teil verwenden können. Denn etwa ein Viertel der acht Euro fällt in die Untiefen der Bürokratie. Hinzu kommt der finanzielle Aufwand für eventuell anfallende Mahnverfahren.

"Die Kassen machen es sich zu einfach"

Auch die mögliche Massenflucht der Versicherten ist eine berechtigte Sorge. Denn acht Euro im Monat mögen bei Top-Verdienern nicht so stark ins Gewicht fallen - für Menschen mit geringeren Einkommen sind jährlich 96 Euro viel Geld.

Hartz-IV-Empfänger, die eigentlich kostenlos krankenversichert sind, bekommen den Beitrag nur in Härtefällen von der Arbeitsagentur bezahlt. Der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer, hat nun in der Berliner Zeitung gefordert, die Bundesregierung müsse die Hartz-IV-Bezieher von den Zusatzbeiträgen befreien.

Für den Rest sind Aussagen wie die der Techniker Krankenkasse, zumindest in diesem Jahr noch auf Zusatzbeiträge zu verzichten, umso verlockender - zumal all jene, die den Betrag nicht zahlen wollen, dank eines Sonderkündigungsrechts problemlos die Kasse wechseln können. Allerdings rechnen Fachleute damit, dass über kurz oder lang fast jede Krankenkasse von ihren Mitgliedern einen Obolus verlangt.

Mehr Ausgaben, höhere Kosten - und die Zeche zahlen die Versicherten. Verbraucherministerin Ilse Aigner hat das Vorgehen der Kassen scharf kritisiert. "Die Kassen machen es sich hier zu einfach", sagte die CSU-Politikerin der Welt. Sie erwarte nun von den Anbietern, aber auch von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) eine überzeugende Strategie zur Kostensenkung im Gesundheitswesen.

Besonders Ärzte, Kliniken und die Pharma-Industrie seien dabei in der Pflicht. Auch die Verwaltungskosten der Krankenkassen und der kassenärztlichen Vereinigungen müssten auf den Prüfstand. Ihr Parteikollege, Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder, forderte von Rösler ein Sparpaket. Es dürfe aber nicht dazu kommen, dass Leistungen für die Patienten gekürzt würden, sagte er der Südeutschen Zeitung

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