Süddeutsche Zeitung

Initiative weiblicher Führungskräfte:Steuersenkung für Frauen gefordert

Eine Gruppe weiblicher Führungskräfte aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik hat eine Senkung der Einkommensteuer nur für Frauen vorgeschlagen. Der Staat soll ihren geringeren Verdienst ausgleichen.

Claus Hulverscheidt

Die Grünen-Politikerin Antje Hermenau sagte der Süddeutschen Zeitung, angesichts der anhaltenden Diskriminierung von Frauen im Beruf sei es Zeit für revolutionäre Ideen. Tatsächlich verdienen Frauen in deutschen Unternehmen für die gleiche Arbeit im Durchschnitt immer noch zwischen 15 und 25 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Trotz aller gesellschaftlicher Debatten hat sich die Situation dabei in den vergangenen Jahren nicht etwa verbessert. Im Gegenteil: Die Kluft ist eher noch größer geworden.

Zusätzlich werden Frauen durch das Steuerrecht benachteiligt. So empfehlen Steuerberater in Fällen, in denen ein Ehepartner - meist der Mann - deutlich mehr verdient als der andere, meist eine Kombination aus den Steuerklassen III und V. Für das Ehepaar insgesamt führt das dazu, dass sie über das Jahr weniger Steuern vorauszahlen müssen, als wenn beide Partner die Steuerklasse IV wählen. Für Frauen allerdings hat die Kombination III/V den erheblichen psychologischen Nachteil, dass von ihrem Bruttogehalt netto nur wenig übrigbleibt. Muss von diesem Geld auch noch die Tagesmutter bezahlt werden, steht die Frau am Monatsende trotz Arbeit und schlechten Gewissens ohne eigenen Verdienst da.

"Der Staat hat doch angeblich ein so großes Interesse an der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um die Zahl der Kinder in Deutschland zu erhöhen", sagte Hermenau. "Und da 20 Jahre Kampf gegen das Ehegattensplitting und für eine gleiche Bezahlung von Männern und Frauen in den Unternehmen nichts gebracht haben, fordern wir jetzt Steuersenkungen nur für Frauen." Das sei sinnvoller als die Bestrebungen vor allem der CDU, das Ehegattensplitting durch den Einbau einer Kinderkomponente noch weiter zu verkomplizieren.

Nach Hermenaus Vorstellungen könnte der bisherige Steuertarif mit einem Eingangssatz von 15 und einem Spitzensatz von 45 Prozent in zwei eigenständige Tarife aufgespalten werden. Männer zahlten dann beispielsweise 17 bis 47 Prozent, Frauen dafür nur noch 10 bis 40 Prozent Steuern. Dadurch könne das Gehaltsgefälle in vielen Familien deutlich verringert werden. "In einigen Familien würden Frauen so zum Hauptverdiener - und die Männer könnten einmal die weibliche Lebenssituation kennenlernen", sagte die Grünen-Politikerin, die von 1994 bis 2004 im Bundestag saß und zuletzt haushaltspolitische Sprecherin ihrer Fraktion war. Heute führt sie die Fraktion im sächsischen Landtag und gehört auf Bundesebene dem Spitzengremium der Grünen, dem Parteirat, an.

Hermenau räumte ein, dass eine steuerliche Ungleichbehandlung von Männern und Frauen verfassungsrechtliche Probleme aufwerfen könnte. "Auf der anderen Seite ist das auch nicht grundgesetzwidriger als die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen in den Betrieben", sagte sie. Rückendeckung erhielt Hermenau von dem Berliner Verfassungsrechtler Christian Pestalozza. "Artikel 3 des Grundgesetzes bedeutet nicht, dass alle gleichbehandelt werden müssen - sondern Gleiches gleich und Ungleiches ungleich", sagte er der Bild am Sonntag. Insofern sei eine Steuererleichterung nur für Frauen durchaus denkbar.

Die Zeitung präsentierte die Chefin des Leonberger Sicherheitstechnikunternehmens GEZE, Brigitte Vöster-Alber, und die Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen, Gertrud Traud, als Unterstützerin des Projekts. Vöster-Alber sagte, das Modell sei angesichts der durchschnittlich niedrigeren Bezahlung von Frauen in den Firmen "recht und billig" und würde der Volkswirtschaft nutzen. Traud sprach von einem "cleveren Ansatz, der zu mehr Gleichberechtigung führt."

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SZ vom 11. Juni 2007
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