Infineon:Eine Aktie wie ein Wurfgeschoss

Der Auftragsboom katapultiert die Infineon-Aktie an die Spitze des Dax. Ob sie dort bleibt, ist eine andere Frage.

Nora Gohlke

Immer höher und höher hangelt sie sich: Die Aktie des Halbleiterherstellers Infineon ist der eindeutige Dax-Gewinner der letzten zwölf Monate. Der Kurs hat sich in diesem Zeitraum fast vervierfacht.

Dabei stand das Unternehmen zuletzt vor einem Trümmerhaufen: keine Aufträge, keine liquiden Mittel, die Banken verweigerten Geld für die Refinanzierung. Die seit Januar 2009 insolvente Speicherchiptochter Qimonda ließ das Eigenkapital des Mutterkonzerns schrumpfen und drohte, ihn gleich mit in den Abgrund zu reißen. Die Aktie von Infineon stürzte auf 39 Cent und flog aus dem Börsenleitindex Dax.

Die Halbleiterindustrie, die Chips für Mobiltelefone, Computer oder Autos produziert, ist ein stark konjunkturanfälliges Geschäft: Die Branche ist extrem abhängig von der Kauflaune der Verbraucher. Im Krisenjahr 2009 kauften viele weniger ein - Infineon musste darum schnellstmöglich umdenken.

Zurück auf dem Wachstumspfad

Unter der Leitung von Vorstandschef Peter Bauer wurde das Unternehmen, das bis 1999 zu Siemens gehörte, neu ausgerichtet. Infineon verkaufte sein Geschäft mit drahtgebundener Kommunikation, also etwa Internet-Breitbandzugängen, und baute Stellen ab. Außerdem brachte die Firma eine 700-Millionen-Euro-Kapitalerhöhung durch und kaufte eigene Anleihen zu günstigen Preisen zurück.

Dank dieser Anstrengungen und der sich erholenden Nachfrage kam das Unternehmen wieder auf den Wachstumspfad. Im Herbst kletterte die Aktie auf vier Euro und stieg aus dem TecDax zurück in den Leitindex auf. Im vorletzten Quartal schrieb Infineon in allen vier Sparten - Industrie, Auto, Mobilfunk sowie Chipkarten und Sicherheit - schwarze Zahlen.

Angesichts des Auftragsbooms in der Halbleiterbranche schraubte Infineon die Prognose für das jüngst abgelaufene Geschäftsquartal vor wenigen Tagen sogar noch weiter nach oben: Der Umsatz von Januar bis März dürfte zehn Prozent über dem des Vorquartals und damit bei mehr als einer Milliarde Euro liegen. Für das laufende Geschäftsjahr, das im September endet, rechnet Firmenchef Bauer mit einem Umsatzanstieg von 20 Prozent auf 3,6 Milliarden Euro.

Infineon-Chips wohl auch im iPad

Wenn die Zahlen stimmen, sind auch die Analysten gut aufgelegt. Günther Hollfelder von der Unicredit empfiehlt den Anlegern Infineon-Aktien zu kaufen: "Auf den entscheidenden Endmärkten, Auto und Handy, sieht es gut aus für den Chiphersteller."

Hat sich der Automarkt wirklich so stark erholt? Oder profitiert die Chipfirma noch von der Abwrackprämie? "Für Infineon ist es nicht so wichtig, dass insgesamt viele Autos verkauft werden, sondern vor allem diejenigen Typen mit einem hohen Elektronikanteil wie die gut ausgestatteten und teuren Modelle von Audi, BMW oder Mercedes. Und diese laufen zurzeit gut auf dem Markt", erklärt Analyst Hollfelder.

Auch in der Handysparte profitiere Infineon von den zunehmenden Signalen, dass der Computerhersteller Apple in seinem iPhone weiterhin und demnächst auch im iPad die UMTS-Chips von Infineon verwendet. Infineon selbst gibt keine Auskunft, ob Apple auf seiner Abnehmerliste steht, in Branchenkreisen gilt dies jedoch als offenes Geheimnis.

Die Infineon-Aktie ist schwer einschätzbar

Die französische Bank Cheuvreux hat das Kursziel für die Aktie zuletzt von 5,50 auf sechs Euro angehoben, die UBS empfiehlt die Aktie zum Kauf, die Citigroup hat das Kursziel von 5,40 auf 6,50 Euro je Aktie erhöht und empfiehlt die Aktie zumindest zu halten. Euphorie hört sich anders an, es überwiegt jedoch ein positiver Grundton.

Marco Günther von der Hamburger Sparkasse (Haspa) will sich diesem nicht anschließen. "Ich sehe der Entwicklung der einzelnen Abnehmerbranchen nicht ganz so optimistisch entgegen", erklärt er. Deshalb hat die Haspa die Aktie ebenfalls nur auf "halten" eingestuft. "Das Unternehmen hat sich herausgeschält und das wird honoriert an der Börse", urteilt Günther. Jedoch wäre es bei einem Titel wie Infineon schwer abzuschätzen, wie er sich weiterentwickle.

Leichte Turbulenzen für die Aktie

Ruhig geworden ist es um den Chiphersteller bisher nicht. Im Februar sorgte eine Kampfabstimmung um den Chefposten im Aufsichtsrat auf der Aktionärshauptversammlung für Unruhe.

Der scheidende Aufsichtsratchef Max Dietrich Kley hatte den ehemaligen Siemens-Vorstand Klaus Wucherer als seinen Nachfolger nominiert. Eine britische Investorengruppe war mit Wucherer jedoch nicht einverstanden und schlug den Finanzvorstand des Automobilzulieferes ZF Friedrichshafen Willi Berchtold vor. Letztendlich setzte sich Wucherer gegen seinen Konkurrenten durch.

Seit vergangener Woche klagt die japanische Chipfirma Elpida Memory wegen Patentrechtsverletzungen gegen Infineon, die ihrerseits schon seit Februar denselben Vorwurf gegen die Japaner richten.

Für die Aktie waren das jedoch nur leichte Turbulenzen. Ende März überschritt der Kurs die Fünf-Euro-Marke, derzeit steht sie bei 5,20 Euro. Vor zehn Jahren, im März 2000, ging das Unternehmen an die Börse: Die Anleger prügelten sich regelrecht um die Aktie. Ihr Ausgabepreis betrug 35 Euro, der erste Kurs lag bei 70,20 Euro. Das war zu Zeiten den Börsenbooms. Gemessen daran hat Infineon noch einiges aufzuholen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: