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Immobilienmarkt in Deutschland:Luxusproblem

Sie werden gehasst, beneidet und gebraucht: Immobilienmakler. Nun will die neue Bundesregierung die Exzesse im Mietmarkt bremsen. Unterwegs mit zwei Vermittlern auf zwei vollkommen verschiedenen Märkten, in Dessau und Frankfurt am Main.

Von Harald Freiberger und Oliver Hollenstein

Frau Meißner schüttelt den Kopf, dann schiebt sie die Polaroids auf dem Wohnzimmertisch zusammen. "Mein Lebenskamerad hätte nicht gewollt, dass ich das Haus für 30 000 Euro verkaufe", sagt die kleine Frau mit der altmodischen Brille, dem viel zu großen Strickpulli und den roten Hauspantoffeln. Sandra Knopf lächelt die alte Frau an. "Nein, Frau Meißner, das weiß ich. Das müssen Sie auch nicht. Ich denke, 40.000 Euro können wir schaffen."

40.000 Euro für ein Haus mit alter Gärtnerei mitten in der Innenstadt, 900 Quadratmeter Grundstück , 110 Quadratmeter Wohnfläche. Nur leider in einem Zustand wie zu DDR-Zeiten. Und leider in Dessau-Roßlau. Sandra Knopf, 25, Immobilienmaklerin, sagt: "Wir brauchen ein bisschen Glück, um einen Käufer zu finden. Aber ich bin zuversichtlich."

Ortswechsel. Petra Krauß sitzt im Besprechungszimmer ihres Büros in Frankfurt am Main. Auf dem Tisch steht ein Werbekalender mit dem Spruch "Ob Wohnung oder Haus, Unterstützung bietet Petra Krauß". Es seien außergewöhnliche Zeiten, sagt die 51 Jahre alte Immobilienmaklerin. "An manchen Ecken in Frankfurt gab es sicher eine Blase, die Leute haben deutlich zu teuer gekauft." Dann erzählt sie von einem Mann, für den sie ein Gutachten für eine Wohnung an einer viel befahrenen Straße erstellte. Krauß errechnete einen Verkehrswert von 355.000 Euro, der Mann kaufte für 440.000 Euro.

Leichtes Spiel

Zwei Städte, zwei Welten, zwei sehr verschiedene Arbeitsorte für einen der unbeliebtesten Berufe überhaupt: Immobilienmakler. Ob München, Berlin oder Hamburg. Wer eine Wohnung in einem begehrten Stadtteil sucht, kommt um einen Vermittler nicht herum. Egal wie überzogen der Mietpreis ist, solvente Mieter stehen angesichts der Wohnungsknappheit Schlange. Und Makler haben leichtes Spiel - vor allem in Großstädten. Erst führen sie einen im Pulk durch eine Wohnung, dann soll man auch noch einen vierstelligen Betrag an sie abdrücken.

Wohl jeder Mieter hat sich schon einmal über Makler geärgert. Viel Geld, wenig Arbeit, so das Vorurteil. Aber stimmt das überhaupt? Und was ändert sich, wenn die Reformen der großen Koalition greifen? Union und SPD wollen die Exzesse auf dem Immobilienmarkt beenden. Dafür werden nicht nur die Mieten begrenzt, auch das Maklergeschäft soll umgekrempelt werden. Künftig gilt: "Wer bestellt, bezahlt." Das heißt, in den meisten Fällen müssen nicht mehr die Mieter zahlen, sondern die Vermieter. Zudem soll es möglich sein, Makler nicht nach Erfolg, sondern nach Aufwand zu entlohnen. Zwei Besuche.

Sandra Knopf, schlank, hübsches Gesicht, schwarze Haare, graue Stiefel mit hohen Absätzen, ist auf dem Weg in den Dessauer Stadtteil Ziebigk, fährt vom Bahnhof vorbei am einzigen Kino der Region. "In den Plattenbauvierteln stehen viele Wohnungen leer", sagt sie. "Ziebigk ist dagegen das angesagteste Viertel mit den höchsten Preisen." Rund um das berühmte Bauhaus reihen sich kleine, ruhige Straßen mit Einfamilienhäusern aus den 1930er-Jahren. Kaltmiete: sechs bis sieben Euro pro Quadratmeter. Verkaufspreise: 1200 bis 1300 Euro pro Quadratmeter.

6000 Euro verdient

Für die Maklerin heißt das: Die Vermittlung einer 100 Quadratmeter großen Wohnung in Ziebigk, 600 Euro Kaltmiete, bringt ihr etwa 1200 Euro Provision. Zwei Kaltmieten Provision erhalten Makler bei Vermietungen, plus Mehrwertsteuer macht das 2,38 Kaltmieten. Bei Verkäufen sind fünf Prozent üblich, zuzüglich Mehrwertsteuer. Am Verkauf einer 100 Quadratmeter großen Wohnung in Ziebigk zum Preis von 120 000 Euro würde Knopf also 6000 Euro verdienen. Ist das nun viel oder wenig? Eine schwierige Frage.

Der deutsche Immobilienmarkt driftet immer weiter auseinander, stellte das Institut der Deutschen Wirtschaft in einer Studie fest: Auf der einen Seite gibt es Städte wie Dessau-Roßlau, wo schon heute 14 Prozent der Wohnungen leer stehen, so viele wie nirgendwo sonst in Deutschland. 1990 hatten die getrennten Städte Dessau und Roßlau zusammen 120 000 Einwohner, inzwischen wurden sie fusioniert, 86 000 Einwohner leben in Dessau-Roßlau. Im schlimmsten Fall wird in den kommenden 15 Jahren ein Viertel der heute bewohnten Wohnungen nicht mehr gebraucht.

Auf der anderen Seite gibt es Städte wie Frankfurt am Main. Seit 1990 sind 62.000 Menschen in die Stadt gezogen. Schon heute gibt es faktisch kaum Leerstand, im Extremfall wird bis 2030 ein Viertel mehr an Wohnfläche gebraucht. Petra Krauß erzählt in ihrem Frankfurter Büro, dass sie am Morgen wegen eines Objekts beim Notar war. Im Kaufvertrag stand ihre Provision: 19.000 Euro. "Da hat der Käufer schon gestöhnt", sagt sie. Sie verstehe das. "Man sieht den Makler nur zwei-, dreimal, und der kassiert dann fünfstellige Beträge, aber man erkennt nicht die ganze Arbeit, die dahintersteckt."

Krauß sagt, der Beruf des Immobilienmaklers ist aufwendig - wenn man ihn richtig macht. "Wir machen nur Einzeltermine, keine Massenbesichtigungen mit 30 oder 40 Leuten", sagt sie. Schließlich wolle sie die Interessenten kennenlernen. Anderen Maklern sei das zu viel Arbeit. Sie messe jedes Zimmer ab, weil häufig die Quadratmeterzahl nicht stimme. Sie gehe aufs Bauamt, ins Archiv, schaue ins Grundbuch, in die Teilungserklärung, wenn ein Mietshaus mehrere Eigentümer hat.

400.000 Euro im Jahr

Viel Arbeit, aber ist sie nicht auch gut bezahlt? In guten Lagen in Frankfurt betragen die Quadratmeterpreise inzwischen 5000 Euro und mehr, die Mieten liegen deutlich höher als zehn Euro, teilweise bis zu 16 Euro pro Quadratmeter und höher. Das treibt die Preise für die Makler in die Höhe. Trotzdem seien die Preise für seriöse Arbeit nicht zu hoch, sagt Krauß. Sie mache einen Jahresumsatz von 300.000 bis 400.000 Euro, bezahle davon aber fünf Mitarbeiter. "Ich kenne keinen Kollegen, der reich geworden wäre."

Sandra Knopf ist in Ziebigk angekommen, etwas zu früh, das Ehepaar, das sich die Wohnung anschauen möchte, ist noch nicht da. Reich werden könne man in Dessau als Immobilienmakler nicht, sagt sie. 50.000 Euro Umsatz mache sie im Jahr, nicht viel, aber genug. "Ich komme aus Dessau, ich wollte immer hier bleiben." Nach dem Bachelor in Immobilienwirtschaft kam sie vor zwei Jahren in die Heimat zurück und gründete ein eigenes Immobilienbüro. Ihr Ziel: sich besser um die Kunden zu kümmern als andere.

"Ich helfe Ihnen da gerne"

Ein Auto fährt die Straße entlang, parkt, ein Ehepaar in den Fünfzigern steigt aus. Knopf läuft auf sie zu. "Frau Heimeier, Herr Heimeier, ich grüße Sie", sagt sie und strahlt. Herr Heimeier knurrt. "Das ist aber nicht der richtige Balkon vom Foto im Internet, oder?" Herr Heimeier war am Vortag schon einmal da, hat sich das Gebäude angeschaut. Es geht um eine Dreiraumwohnung, 67 Quadratmeter mit Balkon. "Die Wohnung ist trotz der drei Räume eher klein", sagt Knopf. "Da muss man gut überlegen, wie man die Möbel stellt. Ich helfe Ihnen da gerne." Herr Heimeier misst währenddessen das Nachbarzimmer mit einem Lasermessgerät aus. "Da ist eine kaputte Fliese auf dem Balkon", ruft er herüber. "Ja, die wird repariert, das steht schon im Protokoll", ruft Knopf zurück.

Das Ehepaar Heimeier wohnt derzeit in einem Plattenbau in der Innenstadt. Die Situation dort werde aber immer schlechter, sagt Herr Heimeier. Die Kinder der Nachbarn sind zu laut, es ist dreckig, Fahrräder werden geklaut. "Die Nachbarn sind hier sehr nett", sagt Knopf. "Schön, schön, schön, schön", brummt Herr Heimeier. Bleibt die Frage, was die Wohnung kosten soll. "350 Euro kalt", sagt Knopf. "Aber da kann man durchaus noch verhandeln."

700 Euro kann Knopf also im besten Fall verdienen an der Vermittlung der Wohnung. Durchschnittlich sind es für sie 500 Euro, macht bei einem Aufwand von mindestens zehn Stunden, wie sie selbst sagt, pro Stunde 50 Euro. Betriebseinnahme. Davon muss sie Büromiete, Auto, Fahrtkosten, Kamera, Anzeigen im Netz, Zeitungsannoncen, Steuern und so weiter bezahlen.

Was passiert, wenn diese Gebühr künftig die Vermieter zahlen müssen? "Ich denke, dass es viele Vermieter selbst versuchen werden", sagt Knopf. "Ich prognostiziere, dass ein Großteil der Vermieter dann keinen Makler mehr einschalten wird", sagt Krauß. Wenn es so komme, werde sie Mitarbeiter entlassen müssen.

220 Telefonate, 40 Exposés verschickt

Niederrad bei Frankfurt, ein älteres Ehepaar will sein kleines Mehrfamilienhaus verkaufen, gebaut in den Fünfzigerjahren. Petra Krauß hat das Haus vorher besichtigt, vermessen, fotografiert, ein vierseitiges Exposé ausgearbeitet und mit ihren Mitarbeitern 220 Telefonate geführt, all jene angerufen, die als Kaufinteressenten in ihrer Kundendatei stehen. 40 von ihnen ließen sich das Exposé zuschicken, nun sind die ersten Besichtigungstermine.

Als Erstes kommt ein Ehepaar, Mitte 50, Gastronomen in einem Frankfurter Vorort. Man merkt, dass sie ihre beste Kleidung angezogen haben. Das Haus ist alles andere als perfekt, die Böden sind verkratzt, die Wände grau, die Garage ist zu klein. Nur das Bad ist relativ neu, und hinten hinaus gibt es einen schönen Garten.

Ungewöhnliche Jahre

Die Interessenten löchern die Maklerin mit Fragen. Von wann ist die Heizung? Wurde die Elektrik mal erneuert? Wie hoch sind die Mieteinnahmen? Hört man die Flugzeuge bei geschlossenem Fenster? (Niederrad liegt am Rand der Einflugschneise der neuen Startbahn.) Krauß führt durchs Haus, antwortet: "Es ist Niederrad, da müssen wir uns nichts vormachen." Der Kaufpreis liegt bei 385 000 Euro. Der Mann will handeln. "Man muss noch viel machen", sagt er. "Ist im Kaufpreis berücksichtigt", sagt Krauß. "Wir haben drei Viertel bar, ein Viertel müssen wir bei der Bank finanzieren", sagt er. 350 000 Euro stelle er sich vor. "Die Besitzer werden vielleicht ein bisschen runtergehen, aber nie unter 370 000 Euro", sagt Krauß.

Als die Interessenten weg sind, erklärt sie, dass das Paar wohl nicht den Zuschlag bekommen wird. Zu wenig Geld. Die vergangenen beiden Jahre waren ungewöhnlich, sagt Krauß. Die Leute hätten Sparkonten bei der Bank aufgelöst und 500 000 Euro und mehr für eine Immobilie in bar auf den Tisch gelegt. 90 Prozent der Käufe liefen ohne Bankfinanzierung ab, es war, als gäbe es morgen keine Immobilien mehr. "Ich mache mir keine Illusion, es wird nicht so bleiben", sagt Krauß. In den kommenden Jahren werden die Preise wieder sinken - und damit auch ihre Einnahmen.

Sandra Knopf kennt so einen Boom nicht. Vielleicht sieht sie daher die Vorschläge der Koalition etwas optimistischer. "Ich fände es gar nicht so schlecht, wenn man auch erfolgsunabhängig Gebühren erheben könnte", sagt sie. Bezahlt wird derzeit ja nur im Erfolgsfall. Die Bezahlung von Gebühren mindere das unternehmerische Risiko für die Makler.

Klar ist: Wenn die neuen Regeln kommen, könnten engagierte Makler wie Knopf und Krauß profitieren. Vielleicht hätten es schwarze Schafe dann schwerer.

An solche Makler ist Frau Meißner aus Roßlau gleich mehrfach geraten. Vor zwei Jahren ist ihr Lebenskamerad gestorben. So nennt sie den Mann, den sie nach dem Tod ihres Ehemanns vor 20 Jahren kennengelernt hatte. Gemeinsam nahmen sie einen Kredit auf, begannen, das alte Haus zu renovieren. Sie wurden nicht mehr fertig. "Man hätte ja gedacht, dass man noch kann, so zehn, 15 Jahre", sagt die 68-Jährige. Nun kann sie das Haus nicht mehr halten.

"Es reicht hier nicht, einfach eine Anzeige ins Netz zu stellen"

Schon kurz nach dem Tod ihres Lebenskameraden habe ihr Versicherungsmakler sie angesprochen. Er sei nebenher auch Immobilienmakler, werde das Haus schon verkaufen. Es passierte: nichts. Er meldete sich erst wieder, als Frau Meißner zur nächsten Maklerin wechselte - und forderte 800 Euro Provision. Dann geschah wieder: nichts. Irgendwann hörte Meißner, ihr Haus stehe in diesem Internet. Für 30.000 Euro, obwohl sie immer gesagt hatte, für das Geld verkaufe sie auf keinen Fall.

Dann bat sie Sandra Knopf um Hilfe. Die sagt: "Es reicht hier nicht, einfach eine Anzeige ins Netz zu stellen und zu warten. Man muss Interessenten direkt ansprechen, sich Mühe geben - auch wenn der Auftrag nicht viel Geld verspricht." Im besten Fall verdient Knopf an Frau Meißners Haus 2000 Euro. Sie hat sich damit abgefunden, dass in Dessau auch künftig die Immobilienpreise und Mieten sinken werden. "Mit guter Beratung werde ich meine Marktnische finden", sagt sie.

Um 18 Uhr ist Sandra Knopf auf dem Heimweg. Das Autotelefon klingelt, Herr Heimeier ist dran. "Wir überlegen gerade, wo wir den Kühlschrank hinstellen könnten", sagt er. Im Hintergrund hört man Frau Heimeier glucksen. Es könnte ein erfolgreicher Tag gewesen sein für Sandra Knopf.

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Quelle:
SZ vom 19.12.2013
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