Immobilien in Frankreich:Preise im freien Fall

Nach Großbritannien und Spanien hat es jetzt Frankreich erwischt: Der Immobilienboom ist vorbei, die Preise sinken drastisch. Deutschland bleibt verschont: Wo nichts boomt, kann nichts fallen.

M. Kläsgen

Nach Spanien und Großbritannien steckt nun Frankreichs Immobilienmarkt in der Krise. Alle Indikatoren deuten nach unten. Das allein ist noch keine Überraschung. Der Absturz nach dem Boom kündigte sich seit längerem an, da konnten Makler und Notare noch so beharrlich die Lage schönreden. Doch dass die Preise so tief fallen sollen, wie nun eine Studie der Großbank Société Générale vorhersagt, ist bemerkenswert.

Immobilien in Frankreich: Ein "Little French Paradise" wie hier am Strand von Nizza war der Traum vieler Briten und die Preise stiegen.

Ein "Little French Paradise" wie hier am Strand von Nizza war der Traum vieler Briten und die Preise stiegen.

(Foto: Foto: dpa)

Die Chef-Ökonomin der Bank, Véronique Riches-Flores, rechnet im Schnitt mit einem Absturz der Immobilienpreise außerhalb Paris von 25 Prozent bis zum Jahr 2010. Doch auch die Hauptstadt, die Immobilienmakler wegen des chronischen Platzmangels und des Interesses von Ausländern für eine Oase ewig steigender Preise hielten, sieht die Ökonomin im Abwärtssog: minus zehn Prozent. "Die Krise könnte so schlimm werden wie in den USA", sagt Riches-Flores.

Ein Bericht der Ratingagentur Standard & Poor's von Ende Juli bestätigt den Negativtrend. Die sehr hohen Preise und die sich verschlechternden Kreditkonditionen seien die wichtigsten Gründe, warum potentielle Käufer fernblieben. Hinzu kommen die Auswirkungen des hohen Ölpreises, die Inflation, gestiegene Lebensmittelpreise, kurz: all jene Faktoren, die den Franzosen suggerieren oder tatsächlich dafür verantwortlich sind, dass sie weniger Geld zur Verfügung haben.

Die Bürger müssten im Prinzip für etwas büßen, wofür sie gar nicht schuld seien, urteilt der Chef des Online-Maklers meilleurtaux.com, Christophe Crémer. Soll heißen: Selbst eingebrockt hat sich Frankreich den Abschwung nicht, es gibt keine zweitklassigen Subprime-Papiere und die meisten Kredite werden zu einem fest Zinssatz vergeben. Doch wegen der US-Hypothekenkrise, die sich zu einer globalen Finanzkrise entwickelt hat, sind die Banken unter Druck; steigen die Zinsen, wird es teurer, sich Geld zu leihen.

Bauern mussten plötzlich Vermögenssteuern zahlen

Verschiedene Umfragen belegen, dass die Franzosen erstmal abwarten. Viele spekulieren darauf, dass die Preise fallen, was einen Schneeball-Effekt auslösen könnte. Selbst das sonst so optimistische Wirtschaftsministerium räumt ein, der erst im vergangenen Jahr eingeführte staatliche Zuschuss zur Tilgung der Hypothekenkredite werde in diesem Jahr "wegen der Immobilien-Konjunktur" voraussichtlich nicht mehr so stark in Anspruch genommen. Die Nationalbank Banque de France sieht am Horizont gar "alarmierende Signale". "Die Lage ist sehr gefährlich", fasst Riches-Flores zusammen.

Kein Zweifel: Ein weiterer großer europäischer Immobilienmarkt ist in den Abwärtsstrudel geraten. Italien und die skandinavischen Länder könnten, so die Studie der französischen Großbank Société Générale, die nächsten Kandidaten auf der Absturzliste sein. Nur Deutschland bleibe verschont: Wo es nicht boomt, stürzt auch nichts ab.

In Frankreich hingegen schwollen die Immobilienpreise in der Dekade bis 2007 auf mehr als das Doppelte an. Franzosen erfreuten sich des angelsächsischen Immobilien-Hoppings und finanzierten mit einer Wohnung schon die nächste, größere Bleibe. Bauern auf der Atlantik-Insel Ile de Ré mussten unversehens Vermögensteuer zahlen, weil der Wert ihres teils recht brüchigen Eigenheims in die Höhe geschnellt war.

Wirtschaftswachstum in Gefahr

Auch wohlhabende Ausländer, Briten zumal, trieben die Preise nach oben. Dank schneller Verbindungen im Eurostar oder Billigflieger suchten sich viele Insulaner ein mitunter etwas sonnigeres Plätzchen beim südlichen Nachbarn. Die Katerstimmung jenseits des Kanals beschleunigt nun seinerseits den Rückgang in Frankreich.

Viele Briten müssen aus Geldnot ihr "Little French Paradise" wieder verscherbeln. Schon im laufenden zweiten Halbjahr 2008 soll laut Société Générale der Sinkflug an Fahrt gewinnen. Damit kommt die Immobilienkrise zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Frankreich dürfte nur mit Mühe an einer Rezession im dritten Quartal vorbeischrammen. Mehrere negative Effekte dürften sich dann gegenseitig verschärfen.

Denn Frankreichs Wirtschaftswachstum wird traditionell vom privaten Konsum getragen. Und dazu zählt auch der Kauf von Immobilien. Bleiben die Transaktionen aus, schlägt das direkt auf das Wirtschaftswachstum durch. So könnte eine sich selbst beschleunigende Abwärtsspirale ausgelöst werden - womit niemand rechnet, zumindest im Moment noch nicht. Nur selten flackert in den Analysen das Horrorszenario von Anfang der neunziger Jahre auf, als die Immobilienblase in Frankreich platzte.

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