Iban-Pflicht für Unternehmen und Vereine:Schrecken mit Ende

Iban-Pflicht für Unternehmen und Vereine: Illustration: Stefan Dimitrov/SZ

Illustration: Stefan Dimitrov/SZ

22 Zeichen, die manches verändern: Von Freitag an ist die lange Kontonummer Iban für Firmen und Vereine Pflicht. Die Aufregung hat sich etwas gelegt, doch viele Unternehmen sind noch immer skeptisch. Und manche werden die Umstellung nicht schaffen.

Von Harald Freiberger, Frankfurt

Der 9. Januar dieses Jahres brachte für Menschen wie Nils Brinkhoff eine große Enttäuschung: "Wir haben gedacht, wir sehen nicht richtig", sagte der Zahlungsverkehrsexperte der DZ-Bank. Es war der Tag, an dem EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier überraschend ankündigte, dass der einheitliche Zahlungsverkehr in Europa, auch Sepa genannt, nun doch nicht wie geplant zum 1. Februar eingeführt wird, also gerade mal drei Wochen später. Barnier hatte Angst, dass zu viele Firmen und Vereine noch nicht auf die längeren Kontonummern Iban und Bic vorbereitet sind und es zu Störungen im Zahlungsverkehr kommen könnte. Deshalb wollte er ihnen mehr Zeit geben.

Aber war das wirklich sinnvoll? "Wir waren gerade in der Endabstimmung", sagt Zahlungsexperte Brinkhoff. Die Verlängerung der Frist wäre aus seiner Sicht nicht nötig gewesen. Deshalb sei man "schon sehr enttäuscht" gewesen.

Ein anderer Mann, der über die Entscheidung der EU nicht glücklich war, ist Michael Grill, Geschäftsführer der Theatergemeinde München. Sein Verein hat 25 000 Mitglieder, die für einen Jahresbeitrag von 26 Euro einen Rabatt von bis zu 20 Prozent auf Theater- und Konzertkarten bekommen. Jedes Mitglied musste angeschrieben werden, um es über die neuen Kontodaten für die Einzugsermächtigung zu informieren. Um Porto zu sparen, verschickte Grill diesen Brief zusammen mit der jährlichen Mitteilung, die immer im August rausgeht. "Wir stellten deshalb schon von Frühjahr 2013 an unter Hochdruck auf Sepa um", sagt Grill. "Wenn wir gewusst hätten, dass der Termin verschoben wird, hätten wir ein Jahr mehr Zeit gehabt."

Liquiditätsengpässe und Zahlungsverzug

An diesem Freitag, dem 1. August, ist es nun so weit: Die Verlängerungsfrist endet. Sepa tritt endgültig in Kraft - zumindest für alle Unternehmen und Vereine. Sie müssen bei ihren Überweisungen und Lastschriften ab sofort immer die 22-stellige Iban angeben, außerdem die Bic, eine Art Bankleitzahl, die aus elf Buchstaben besteht. Das gilt nicht nur für Transaktionen ins Ausland, sondern auch innerhalb Deutschlands. Privatleute haben noch etwas Zeit: Für sie tritt Sepa erst im Februar 2016 in Kraft, dann müssen auch sie bei jeder Überweisung Iban und Bic angeben.

In einer Umfrage gaben zuletzt zwei Prozent der Unternehmen an, die Umstellung bis zum 1. August nicht zu schaffen. Sie können massive Probleme bekommen, weil Banken Zahlungen nach dem alten System nicht mehr annehmen. Es drohten dann "Liquiditätsengpässe und Zahlungsverzug", mahnte die Bundesbank. Die Geldhäuser sind technisch zwar in der Lage, Überweisungen aus dem alten Format in Sepa zu übersetzen, sie könnten aber vom 1. August an Gebühren dafür verlangen.

"Der saure Apfel wird immer süßer"

Die Teileinführung ist ein Anlass für die Experten, um die Vor- und Nachteile eines einheitlichen Zahlungsverkehrs in Europa noch einmal zu bilanzieren. Grundsätzlich findet Brinkhoff von der DZ-Bank, dass sich "die Aufregung um die Iban in der Bevölkerung etwas gelegt hat". Das Thema lasse die Emotionen nicht mehr so hoch schlagen wie vor einigen Jahren. Die Bundesbürger gewöhnten sich an den Gedanken, dass sie in eineinhalb Jahren an Iban nicht mehr vorbeikommen.

123 Milliarden Euro Ersparnis durch Sepa

Bei den Firmen setze sich ebenfalls die Erkenntnis durch, dass Sepa auch Vorteile hat, glaubt der Banker. "Am Anfang klagten viele nur über die hohen Kosten der Umstellung", sagt der Banker. Inzwischen werde das positiver gesehen. Ein Beispiel: Da Iban eine Prüfziffer enthält, werden falsche Überweisungen, etwa durch Zahlendreher, gar nicht mehr angenommen. Das bedeutet, dass irrtümlich überwiesene Lastschriften nicht aufwendig zurückgeholt werden müssen. "Gerade große Unternehmen mit vielen Kunden wie Stromversorger oder Telefongesellschaften können dadurch bei ihrem Zahlungsverkehr Kosten sparen", sagt Brinkhoff. Überweisungen ins Ausland konnten bisher schon einmal fünf Tage dauern, künftig muss der Betrag nach einem Tag auf dem Konto sein - auch das spart Geld. Brinkhoff erwartet deshalb, dass "der saure Apfel Sepa für Firmen mit der Zeit immer süßer wird".

Auch Verbraucher könnten von Sepa profitieren, wenn sie sich länger in einem anderen europäischen Land aufhalten, zum Beispiel Rentner mit Alterssitz auf Mallorca oder Studenten mit Auslandssemester. "Sie müssen künftig bei einer Bank vor Ort kein Konto für Miete und anderes mehr eröffnen, da es ja europaweit einheitliche Kontonummern gibt", sagt Brinkhoff.

Die EU rechnete vor Jahren aus, dass Banken, Firmen und Privatleute in Europa durch das einheitliche Zahlungssystem über einen Zeitraum von sechs Jahren 123 Milliarden Euro sparen.

Skepsis vor allem bei kleinen Vereinen

Doch so sehr die Experten für Sepa trommeln - bei den Betroffenen überwiegt noch die Skepsis. Nur jedes sechste Unternehmen sieht Vorteile im einheitlichen Zahlungsverkehr, das sind vor allem Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern und vielen Kontoverbindungen. Auch Michael Grill von der Theatergemeinde München tut sich schwer, etwas Positives am einheitlichen europäischen Zahlungsverkehr zu finden. "Die Umstellung unserer Software auf Sepa hat 20 000 bis 25 000 Euro gekostet", sagt Grill. Das sei viel Geld für einen kleinen Verein. Besonders teuer sei es gewesen, eine Zeitdimension in das System zu programmieren: Geldtransaktionen müssen künftig immer mehrere Tage vorher angekündigt werden.

Schon seit einem Jahr laufen die Überweisungen der Theatergemeinde über Sepa. "Es hakt häufig, Transaktionen kommen zurück, unsere Buchhaltung und EDV mussten sich immer wieder um Fehler kümmern", sagt Grill. Vorteile aus Sepa kann er noch keine erkennen.

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