HypoVereinsbank:Szenen einer Bankenehe

Jobverlagerungen und Umbauten: Drei Jahre nach der Übernahme durch Unicredit sind viele HVB-Mitarbeiter verunsichert. Andere ziehen gleich nach Italien um.

Thomas Fromm

Die meisten von ihnen waren mit großen Reisebussen vorgefahren, einige kamen zu Fuß. Akkurat frisierte junge Männer in Nadelstreifen, Damen in Kostümen. Einige mit Laptop-Köfferchen, viele der Frauen mit eleganten Handtaschen. Es war ein langer Tross in Schwarz, Blau und Beige, der da am vergangenen Dienstag um kurz vor 16 Uhr in die Großkantine der Hypo-Vereinsbank am Münchner Tucherpark einzog.

HypoVereinsbank: Bis zum Jahr 2010 will die HypoVereinsbank 250 Jobs nach Polen verlagern.

Bis zum Jahr 2010 will die HypoVereinsbank 250 Jobs nach Polen verlagern.

(Foto: Foto: AP)

So ähnlich sieht es aus, wenn sich mehr als 1000 Banker zu einer hochkarätigen Finanzkonferenz aufmachen. Nur dass dies hier kein Bankentreffen war, sondern eine Mitarbeiterversammlung mit hochbrisanten Themen.

Bis 2010 will die Bank insgesamt 250 Arbeitsplätze nach Polen verlagern. Jobs, bei denen man keinen Kundenkontakt hat. Jobs wie in der Datenverarbeitung, bei denen es egal ist, von wo aus sie gemacht werden. Bei denen es nicht auf vertriebsstarke Mitarbeiter ankommt. Laut HVB kostet die Abwicklung in Polen bis zu 70 Prozent weniger als in Deutschland. Weitere 300 Stellen sollen ausgelagert werden. Hausmeisterjobs gehören dazu, oder auch die interne Post. Der Betriebsrat hatte das Treffen unter ein kämpferisches Motto gestellt: "Auslagerungen, Fremdvergabe und Sparprogramm: Wir sagen nein!"

Neues Logo, neue Emailadressen

Vielleicht hätte die Nachricht gar nicht so eingeschlagen bei den 23.000 HVB-Mitarbeitern. Vielleicht wäre man ja sogar darüber hinweggegangen, hätte gesagt: 550 Jobs, schlimm, aber was soll's? Aber dafür ist schon zu viel passiert in den vergangenen Jahren. Vor zehn Jahren, da gab es die erste große Fusion. Aus den beiden Traditionshäusern Bayerische Hypotheken- und Wechselbank und Bayerische Vereinsbank wurde die HypoVereinsbank. Es wurde gestrichen, geschlossen, umstrukturiert. Dann kam vor drei Jahren die italienische Unicredit, kaufte, baute um. Alles ging wieder von vorne los.

Die Bank als permanentes Laboratorium - so empfinden es viele. "Immer waren wir mit dabei und mussten uns neu einrichten", sagt ein Mitarbeiter. In den Büros macht sich Unmut breit. Der Vorstand in München wird kleiner, haben die Mitarbeiter vor einigen Wochen erfahren. Künftig gibt es nur noch sechs statt zehn Vorstände. Völlig normal, heißt es im Konzern. Andere Banken haben auch nicht mehr. Trotzdem machen sich viele Mitarbeiter so ihre Gedanken. Es ist eine Art Entfremdungsprozess, bei dem es die kleinen, alltäglichen Dinge sind, die große Wirkung zeigen.

Zum Beispiel vor einigen Wochen, als das blaue Logo der HVB durch das rote Motiv des Mutterkonzerns Unicredit ersetzt wurde. Vielen war das egal. Andere dagegen wünschten sich das Blau des bayerischen Himmels in ihr Logo zurück. Oder Anfang April, als die E-Mail-Adressen der HVBler einheitlich von der Endung hvb.de auf unicreditgroup.de umgestellt wurden. Was macht es für einen Unterschied, könnte man meinen.

Einen großen, sagen viele Mitarbeiter. Denn aus der HVB sei damit nun endgültig Unicredit Deutschland geworden. Die neue E-Mail-Adresse als Beleg für eine neue Identität; als vorläufiger Endpunkt einer schleichenden Entwicklung, an deren Ende die einst stolze bayerische Großbank zur Landesgesellschaft einer italienischen Großbank degradiert worden sei.

Neue Flexibilität

Und nun auch noch Polen. 250 Mitarbeiter seien verglichen mit der Größe der Bank nicht viele, sagt einer. Das Schlimme sei nur, dass jetzt alle glaubten, die Auslagerungen wären nur der Anfang. Und dass das dicke Ende noch komme.

Es wird viel diskutiert in diesen Tagen. Nicht alle sehen schwarz. Es hat auch handfeste Vorteile, Teil eines großen internationalen Bankkonzerns zu sein. Eine Mitarbeiterin aus der Münchner Zentrale sagt zum Beispiel, sie habe "völlig neue Chancen" entdeckt, die sich durch die Übernahme durch Unicredit ergeben hätten.

Sie schwärmt von einer neuen Flexibilität, von Angeboten, innerhalb der Gruppe zu wechseln - zum Beispiel nach Verona. Die Stadt mit der Arena, der Balkon von Romeo und Julia... Bloß nicht zurück in die Zeit, als die HVB eine einsame, schwächelnde Bank war. Besser Großfamilie als allein. Lieber rot als blau.

Es hat alles Vor- und Nachteile. Es hängt ganz davon ab, ob man zu denen gehört, die aufsteigen und nach Verona umziehen können. Oder zu denen, deren Jobs allein umziehen - nach Polen.

Hinterzimmer kann es überall geben

Hochrangige HVB-Manager sind an diesem Tag in die Kantine gekommen, um den Mitarbeitern zu sagen, dass die Verlagerung nach Polen jetzt der richtige Schritt ist. Arbeitsdirektor Heinz Laber und sein Kollege Matthias Sohler erklären das neue Modell, sprechen über Verwaltungsstrukturen, die helfen sollen, die Kosten zu senken. Sie legen dar, wie aus vielen einzelnen IT-Abteilungen eine große IT-Familie wird, indem HVB, Bank Austria und Unicredit ihre Computerabteilungen bündeln.

Aus dem "back office" - also all den Hinterzimmertätigkeiten ohne direkten Kontakt zum Kunde - soll eine große Back-Office-Fabrik werden. Den Zuhörern schwant: Solche Hinterzimmerfabriken kann man überall aufziehen. Man kann sie beliebig vergrößern und verkleinern, wenn es sich rentiert. Die HVB als reine Vertriebsgesellschaft, der Rest der Beschäftigten irgendwo in Polen - so werden aus Szenarien Ängste.

Eine junge Bankangestellte steht an der Bushaltestelle nebenan und raucht. Wie sie heißt, will sie nicht verraten. Und der Massenaufmarsch ist ihr irgendwie peinlich. "Bei uns sind solche Veranstaltungen ja eher unüblich", sagt sie. Es klingt fast so, als wollte sie sich entschuldigen. Als wollte sie sagen, dass man hier bei einer Bank sei, und nicht bei den Metallern. Aber es ginge nun mal nicht anders. "Wir wurden schon so oft hin- und hergeschoben."

Lesen Sie im zweiten Teil, wie Unicredit-Chef Alessandro Profumo die Stellung der HVB im Konzern bewertet.

Szenen einer Bankenehe

Ein Kollege ist da schon kampflustiger. Er warte nur noch darauf, dass ihm jetzt jemand vorwerfe, er sei ein notorischer Nörgler. Einer, der sich über alles beschwere. "Wir haben so viel mitgemacht in den vergangenen Jahren, da kann uns niemand vorwerfen, wir seien Revolutionäre oder zickige alte Dinosaurier." Tatsächlich sehen Revoluzzer anders aus als dieser Mittfünziger im grauen Zweireiher, der statt eines Transparents nur eine kleine silberne Krawattennadel trägt. Und der ganz im Duktus eines Finanzbuchhalters einen Satz wie diesen sagt: "Der Motivationsverlust vieler Mitarbeiter schlägt sich noch nicht in der Bilanz nieder."

Später am Abend berichten Teilnehmer, die Versammlung sei friedlich verlaufen, alles in allem ein konstruktiver Meinungsaustausch zwischen Management und Mitarbeitern, ohne Ausfälle, ein paar kritische Nachfragen halt. Zwischendurch sei sogar herzhaft gelacht worden - über das eine oder andere Argument des Vorstands. Einige Betriebsräte sprechen von Arbeitskampf. Von einer "Kriegserklärung" des Unternehmens ist die Rede, und davon, dass Unicredit die Deutschlandtochter "ausweidet". Es klingt wie "Ihr da oben, wir da unten". Ihr in Mailand, wir in München.

Zur gleichen Zeit sitzen führende HVB-Manager in ihren Büros in der Münchner Kardinal-Faulhaber-Straße und versuchen, sich einen Reim auf all das zu machen. Es überrascht sie, dass die Arbeitnehmervertreter ihre Positionen so vehement verteidigen. Vielleicht liege das daran, dass HVB-Vorstand Laber zurzeit auch als Verhandlungsführer des Arbeitgeberverbandes des privaten Bankgewerbes auftritt, sagt einer hinter vorgehaltener Hand. Der Tarifvertrag läuft am 30. Juni aus; die Verhandlungen sollen am 19. Juni beginnen. "Da wird doch jetzt nicht zufällig Druck gemacht."

Eine Bank wird zum Markt

Unicredit-Chef Alessandro Profumo blickt von Mailand aus ratlos über die Alpen. Der Italiener, der im Laufe von Jahren über Zukäufe einen Bankengiganten geschmiedet hat, hat eine vollkommen andere Denke als viele der altgedienten HVBler. Im vergangenen Jahr kaufte der Ex-McKinsey-Partner den italienischen Konkurrenten Capitalia. Jetzt hat er eines der größten Bankenimperien Europas mit einem Börsenwert von 57 Milliarden Euro unter sich.

Wenn er in Mailand über die 2005 gekaufte Münchner Bank redet, spricht er längst nicht mehr nur von der HypoVereinsbank. Immer öfter redet er vom deutschen Markt. So wie er vom österreichischen Markt spricht, wenn er eigentlich die Bank Austria meint. Jenes Institut, das die HVB vor acht Jahren kaufte und das seit einem Jahr in den Händen der Unicredit liegt. 15 Milliarden Euro gab Profumo im Sommer 2005 für die angeschlagenen Bayern aus.

Vielleicht war das eines der deutsch-italienischen Missverständnisse: Profumo kaufte zwar eine Bank, meinte aber eigentlich einen Markt. 15 Milliarden für einen 95-Prozent-Anteil - da sei doch eigentlich klar, wie die Rollen verteilt sind, wo oben und wo unten ist, wo Zentrum und wo Peripherie. "Die Geschichte zweier Banken, die vor drei Jahren fusionierten, ist eine Mär", sagt ein Insider. "In Wahrheit hat eine Bank die andere gekauft." Oder, wie es ein führender Unicredit-Manager formuliert: "Wer so viel Geld für eine Bank ausgibt, erwartet doch auch, dass hier Geld generiert wird." Deswegen Verlagerungen. Deswegen Polen.

Natürlich war alles vorhersehbar. Unicredit hat viele Standorte, auch und vor allem in Osteuropa. Und in einem Universum wie dem von Unicredit gibt viele Funktionen, die doppelt und dreifach besetzt sind. Manager wittern Einsparmöglichkeiten, wenn Verwaltungseinheiten verschiedener Banken zusammengelegt werden.

300 Stellen werden ausgelagert

Sparen lässt sich überall, vor allem aber in der Informationstechnologie, im Einkauf, im Immobilienmanagement. In der HVB habe man seit dem Unicredit-Einstieg die Zahl der Beschäftigten in diesen Bereichen von 6000 Ende 2005 auf 3500 gesenkt, teilte der Konzern vor einigen Monaten mit. Nun folgen die nächsten Schritte: Allein mit der Auslagerung von 300 Stellen an einen externen Dienstleister will die HVB künftig 25 Millionen Euro einsparen.

Es gibt Mitarbeiter im Konzern, die freuen sich, dass das Machtzentrum der Bank über die Alpen nach Mailand gewandert ist, auch wenn das ihre Kollegen anders sehen mögen. Sie wurden aufgewertet. "Bei uns gibt es seit einiger Zeit ein neues Selbstbewusstsein", sagt der Mitarbeiter einer HVB-Niederlassung nördlich von Bayern. Früher habe München alle Abläufe dominiert, heute sei alles föderaler geworden. "Man hört uns jetzt mehr zu als früher, das ist eine Riesenchance."

Und noch etwas sei anders, vielleicht sogar besser als früher: Die Kultur. "Profumo ist noch längst nicht bei allen angekommen, aber er macht Tempo, und das ist gut so", sagt der Mitarbeiter. "Wenn früher die Ansage kam, nach links zu gehen, schaute man vorsichtshalber auch erstmal nach rechts. Heute heißt es einfach: zack, zack!" Zack, zack - ganz so schnell dürfte es nicht gehen, bis das Unicredit-Imperium auch im Kleinen zusammengewachsen ist.

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