Hypo-Vereinsbank:Spezialabteilung für riskante Kreditnehmer

Die Hypo-Vereinsbank möchte rund 140.000 bonitätsschwache Kunden auslagern - und schafft sich damit selbst ein Imageproblem.

Thomas Fromm

Es ist wie in der Schule: Wer schlechte Noten hat, bekommt einen blauen Brief mit der Warnung: Versetzung gefährdet. Bei der Hypo-Vereinsbank (HVB) stehen Kunden mit schlechten Zeugnissen seit Herbst 2006 unter besonderer Beobachtung - und landen in einer eigens gegründeten Einheit, dem "Special Credit Portfolio" (SCP), zu deutsch "Spezialkreditportfolio". Der Name ist ein wenig irreführend, denn speziell sind diese Kredite nicht - dafür aber könnten sie für die Bank in Zukunft gefährlich werden.

Es geht um etwa 140.000 Kunden, Privatkunden, Firmenkunden und Halter von Immobilienkrediten, die eines gemeinsam haben: Sie gelten innerhalb der Bank als problematisch, weil sie aufgrund ihrer Einkommens- oder Arbeitsverhältnisse als potentiell riskant eingestuft werden. Studenten sind dabei, aber auch Häuslebauer ohne regelmäßiges Einkommen. Manchmal reicht es schon aus, als Kunde nur ein Hypothekendarlehen der HVB in Anspruch genommen zu haben, ohne gleichzeitig auch sein Girokonto bei dem Institut zu halten, um im SCP zu landen. Als Banker, heißt es, habe man gerne den kompletten Überblick.

Datei wird abgearbeitet

Nicht nur vielen Kunden stößt das Vorgehen übel auf. Vor allem unter den betroffenen Kundenbetreuern sei die Stimmung inzwischen schlecht, heißt es. "Klar, die verlieren ja einen Teil ihrer Vertragsbasis, wenn sie Kunden an das SCP auslagern müssen", heißt es. Außerdem hätten viele Berater langjährige persönliche Beziehungen zu ihren Kunden und seien daher in Erklärungsnot.

Statt wie gewohnt mit dem Kundenberater zu sprechen, haben es die Betroffenen nun mit eigens geschulten Risikoexperten zu tun. 240 HVB-Mitarbeiter aus allen Unternehmensbereichen sitzen seit Januar 2007 an zehn Standorten zwischen Hamburg und München. Sie haben einen Spezialauftrag: Bis 2010 müssen sie die Datei der kritischen Kunden abarbeiten. Ein Dauer-Beobachtungsposten mit Intensiv-Betreuung. "Wir stehen in ständigem Kontakt mit den Leuten und fragen sie, welche Sicherheiten sie uns anbieten können", sagt ein HVB-Mitarbeiter. Oft müssten die Konditionen verändert werden; zusätzliche Anschlusskredite und Neufinanzierungen würden, wenn überhaupt, oft nur unter Auflagen gewährt. "Wenn man sich unwohl fühlt, befreit man sich ganz von einem Risiko", heißt es. Mit anderen Worten: Wenn es hart auf hart kommt, muss sich der betreffende Kunde eine andere Bank suchen. "Es ist wichtig, dass wir unsere Risiken beherrschen", rechtfertigt ein Mitarbeiter der Bank das Vorgehen.

Hinter vorgehaltener Hand sorgen sich HVB-Banker dieser Tage um einen herben Imageverlust. Die Finanzkrise und die Angst der Kreditnehmer vor Kreditverkäufen hätten bereits für reichlich Unsicherheit bei den Kunden geführt - eine Diskussion über Kunden zweiter Klasse sei da das letzte, was man nun noch brauchen könne. Die Debatte fällt in eine Zeit, in der die Rolle der mächtigen Konzernmutter Unicredit wieder heftig diskutiert wird: Erst kürzlich hatte der Konzern bekannt gegeben, die Zahl der HVB-Vorstände von zehn auf sechs zu reduzieren. Vergangene Woche schließlich billigte das Münchner Landgericht den Plan der Unicredit, die restlichen Kleinaktionäre der HVB mit einer Zwangsabfindung aus dem Eigentümerkreis zu drängen.

Abweichen will man von der umstrittenen Kunden-Praxis in München aber nicht: Noch vor einigen Jahren sei die Bank wegen ihrer hohen Kreditrisikovorsorge in den roten Zahlen gelandet und dafür heftig kritisiert worden. Damals hätten die Münchner von allen deutschen Banken mit das üppigste Kreditportfolio gehabt - jede Insolvenz eines Kunden habe sich da sofort in den Bilanzen bemerkbar gemacht. Erst vor wenigen Wochen habe HVB-Chef Wolfgang Sprißler eine für die Hypo-Vereinsbank historisch niedrige Risikovorsorge für faule Kredite verkündet - dies sei auch eine Folge der neuen Politik. Seit seiner Gründung 2006 habe das Portfolio mit den wackeligen Krediten "zu einer deutlichen Verbesserung der Risikostruktur und damit verbunden niedrigeren Risikokosten für die gesamte Bank geführt", teilte die HVB am Wochenende mit.

Immerhin: Rund 40.000 Kunden haben die Gruppe der schlechten Schüler bereits verlassen. 13000 von ihnen haben inzwischen wieder normale Geschäftsbeziehungen mit der HVB. 27000 dagegen sind weg. Ob sie noch mal zurückkommen, ist fraglich.

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