Süddeutsche Zeitung

Hypo Real Estate:Nebulöse Staatshilfe

Es wird immer schlimmer: Die Skandalbank Hypo Real Estate braucht plötzlich noch einmal satte 40 Milliarden Euro an Staatshilfen. Und das, obwohl sie nahezu gleichzeitig die Rückkehr in die Gewinnzone ankündigt. Ein Erklärungsversuch für die Nacht- und Nebelaktion.

Claus Hulverscheidtund Markus Zydra

Manche Dinge werden immer schlimmer, je länger man darüber nachdenkt und redet. Die verstaatlichte Hypothekenbank HRE ist so ein Beispiel. Am Freitagabend wurde überraschend bekannt, dass die Bank weitere 40 Milliarden Euro braucht: vom Steuerzahler, wenn auch zunächst nur als Bürgschaft.

Damit beläuft sich der staatliche Kokon aus Finanzgarantien auf sage und schreibe 142 Milliarden Euro. Zwei Tage vorher hatte HRE-Konzernchefin Manuela Better für das Jahr 2011 noch die Rückkehr in die Gewinnzone in Aussicht gestellt. Und jetzt sucht man nach einer Erklärung für das Unerklärliche, und es wird immer schlimmer.

Die Bundesregierung und der staatliche Bankenrettungsfonds Soffin wussten nach eigenem Bekunden seit Ende vorvergangener Woche von dem erneuten Garantieleistungsbedarf der HRE.

Warum so plötzlich?

Erstmals besprochen wurde das Hilfegesuch am Mittwoch bei einer Sitzung des Soffin-Lenkungsausschusses - nota bene: Das war der Tag, als HRE-Chefin Better eine Gewinnprognose abgab. Eigentlich sollten die Beratungen am Sonntag fortgesetzt und am Montag verkündet werden - doch da bereits am Freitag erste Meldungen über neuerliche Probleme der Bank in den Medien auftauchten, wurde die Entscheidung des Lenkungsausschusses kurzfristig auf den Abend vorgezogen. Soweit der Ablauf, doch warum braucht die HRE weitere 40 Milliarden Euro? Und das so plötzlich?

Man muss die Erklärung vereinfachen, um nicht in der wirren Finanzterminologie unterzugehen. Kurzum: Die HRE besitzt viele Wertpapiere, die nicht mehr viel wert sind. Dadurch wäre das Institut 2008 fast Pleite gegangen. Der Staat griff deshalb ein, um einen Systemkollaps zu verhindern. Nun sollen diese Wertpapiere ausgelagert werden, raus aus der HRE-Bilanz, rein in die Bilanz der Bad Bank FMS Wertmanagement. Wie macht man das?

Die HRE verkauft beispielsweise die schlechte Dollar- oder Griechenlandanleihe an die FMS Wertmanagement. Die FMS wiederum verkauft sie in Form von Wertpapieren weiter an internationale Investoren. "Die HRE rechnet dabei mit einem bestimmten Verkaufserlös, doch kleinste Preisveränderungen an den Finanzmärkten können dazu führen, dass bei einem Deal statt einer Milliarde Euro nur 900 Millionen Euro eingenommen werden", sagt Martin Faust, Bankexperte der Frankfurt School of Finance. Und da es um Verkäufe im Wert von rund 200 Milliarden Euro gehe, brauche die HRE das zusätzliche Geldpolster.

Immer noch mit einem Bein in der Pleite

Der plötzliche Bedarf zeigt eines: Die HRE steht trotz der riesigen Sicherheiten immer noch mit einem Bein in der Pleite. "Durch solche Aktionen kann wieder Unsicherheit in den gesamten Bankensektor einkehren, weil niemand weiß, welche Risiken bei den anderen schlummern", sagte Stephan Paul, Bankenprofessor an der Universität Bochum.

Der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Leo Dautzenberg, erklärte, er wisse zwar, dass die HRE noch lange nicht über den Berg sei, er frage sich aber, "warum solche Nacht- und Nebelaktionen immer wieder notwendig sind".

Auch wurden die Mitglieder des Bundestags-Finanzmarktgremiums, das den Soffin kontrollieren soll und dem Dautzenberg angehört, dem Vernehmen nach erst nachträglich per SMS informiert.

Eine detaillierte Unterrichtung des geheim tagenden Gremiums soll nun an diesem Dienstag stattfinden. An der Sitzung wird auch Soffin-Chef Hannes Rehm teilnehmen. In der FDP konnte man Dautzenbergs Kritik allerdings nicht nachvollziehen. "Solche Verhandlungen sind ja für die Bank höchst brisant - die kann man ja nicht mehr oder weniger öffentlich führen", sagte der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Volker Wissing.

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SZ vom 14.09.2010/pak
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