Hypo Real Estate in großer Not:Ohne den Bund geht es nicht

Vorstandschef Wieandt über die Rettung der Hypo Real Estate, die Krux mit der Refinanzierung - und warum das Institut nur mit Staatshilfe eine Zukunft besitzt.

C. Busse, A. Hagelüken, U. Schäfer

Der Mann ist korrekt. Er erscheint pünktlich auf die Minute. In der linken Hand trägt er eine dicke grüne Aktenmappe. Der Anzug, die Manschettenknöpfe, der Scheitel - alles sitzt genau. Axel Wieandt, 42, gibt sein erstes Interview als Chef der Hypo Real Estate, der Krisenbank schlechthin. Im Oktober übernahm er von einem Tag auf den anderen den Job als Sanierer, den Josef Ackermann, sein Chef bei der Deutschen Bank, ihm angetragen hatte. Seither lebt Wieandt in einem Münchner Drei-Sterne-Hotel und sieht seine Familie in Frankfurt nur noch am Wochenende.

Hypo Real Estate: "Ein Zusammenbruch birgt hohe Risiken"

Axel Wieandt führt seit Oktober das Krisen-Institut Hypo Real Estate.

(Foto: Foto: Schellnegger)

SZ: Herr Wieandt, Ihr inzwischen verstorbener Vater war ein bekannter Banker und hat unter anderem die BfG-Bank saniert und später die Schmidt-Bank in Hof abgewickelt. Liegt das Retten von Banken in Ihren Genen?

Wieandt: Mein familiärer Hintergrund hat bei der Entscheidung für diese Aufgabe bei der Hypo Real Estate sicher auch eine Rolle gespielt. Ich hatte zu meinem Vater ein enges und vertrauensvolles Verhältnis. Aber das Sanieren von Banken wird nicht mit den Genen weitergegeben. Und ob uns die Sanierung der HRE gelingt, muss sich erst noch zeigen.

SZ: Sie hatten einen sicheren Job bei einem sicheren Geldhaus, der Deutschen Bank. Nun leiten Sie Deutschlands Krisen-Institut Nummer eins. Haben Sie den Wechsel schon bereut?

Wieandt: Nein. Ich habe von meinem Vater auch gelernt, dass man sich in die Pflicht nehmen lassen muss. Als mir diese Herausforderung angetragen worden ist, habe ich sofort zugesagt.

SZ: Warum?

Wieandt: Weil die Rettung der HRE wichtig für das Finanzsystem und die Wirtschaft in Deutschland und auch in Europa ist.

SZ: Sie haben keine Erfahrung im Führen einer Bank. Ein Nachteil?

Wieandt: Ich fühle mich dieser Herausforderung gewachsen. Und die, die mich mit dieser Aufgabe betraut haben, sehen das offenbar genauso.

SZ: Wie weit sind Sie mit der Sanierung der Bank?

Wieandt: Wir haben in den ersten 100 Tagen einiges bewegt: Transparenz über die Lage der Bank geschaffen, ein strategisches Konzept zur Neuausrichtung vorgelegt und die Unternehmensstruktur vereinfacht. Dazu kommt der personelle Neuanfang. Der Aufsichtsrat wurde neu besetzt und hat mittlerweile alle Vorstände ausgetauscht. Wir haben damit überzeugend dokumentiert, dass wir einen Neuanfang wollen. Es sind alle wesentlichen Voraussetzungen geschaffen, dass der Bund jetzt seinerseits über weitere Maßnahmen zur Unterstützung der Hypo Real Estate entscheiden kann.

SZ: Ihr früherer Chef Josef Ackermann hat gesagt, die Deutsche Bank würde sich schämen, Staatsgeld anzunehmen. Schämen Sie sich?

Wieandt: Ich weiß nicht, ob Sie Dr. Ackermann da richtig zitieren.

SZ: Wir denken schon.

Wieandt: Unabhängig davon gilt: Die Hypo Real Estate hat nur mit Unterstützung des Bundes eine positive Zukunft. Wir haben immer deutlich gesagt, dass Eigenkapitalhilfen nötig sind, um die Fortführung der Bank zu ermöglichen. Und die Fortführung ist im Interesse des deutschen Finanzsystems. Wenn der Bund einsteigt, stärkt das an den Kapitalmärkten und bei den Kunden wieder das dringend benötigte Vertrauen.

SZ: Wie viel muss der Bund übernehmen, ein Viertel der Anteile, eine Mehrheit oder die ganze Bank?

Wieandt: Ich begrüße einen Einstieg des Staates. Ob, wie und in welcher Höhe dieser erfolgt, entscheidet zunächst der Bund.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum der HRE-Chef keine Probleme mit dem Eigentümer Staat hat.

Ohne den Bund geht es nicht

SZ: Haben Sie als Mann, der sein ganzes Leben bei einer privaten Bank gearbeitet hat, kein Problem damit, dass Ihr Haupteigentümer künftig der Staat ist?

Wieandt: Nein, überhaupt nicht. Besondere Zeiten erfordern besondere Lösungen.

SZ: Teuer wird es auf jeden Fall. Die Steuerzahler haben bisher 92 Milliarden Euro bereitgestellt, so viel wie noch nie für ein Unternehmen in Deutschland. Ist die Bank ein Fass ohne Boden?

Wieandt: Manche Menschen befürchten, das ganze Geld sei weg. Aber das ist überhaupt nicht so. 42 Milliarden Euro sind staatliche Garantien, die nur in Anspruch genommen würden, wenn die HRE nicht mehr leistungsfähig wäre. Und 50 Milliarden Euro sind von uns mit Sicherheiten unterlegte Kreditlinien, die unter anderem von einem Finanzkonsortium kommen und für die teilweise der Bund bürgt. Der Steuerzahler hat bis heute keinen Euro verloren. Gleichzeitig bezahlen wir, und das ist richtig so, Gebühren für die Garantien an den Staat.

SZ: Wie hoch ist der maximale Verlust des Staates, wenn alles ausfällt?

Wieandt: Das ist eine rein hypothetische Frage. Wir haben ein Konzept für die Sanierung präsentiert. Wir konzentrieren uns künftig auf das Immobilien- und Staatsfinanzierungsgeschäft auf der Grundlage des Pfandbriefs. Aus dem internationalen Geschäft außerhalb Europas werden wir uns weitgehend zurückziehen. Und wir werden uns an der goldenen Bankregel orientieren, langfristige Engagements auch langfristig zu refinanzieren. So können wir wieder wettbewerbsfähig werden.

SZ: Bekommen Sie derzeit überhaupt noch frisches Geld von privater Seite?

Wieandt: Für uns ist es im Moment sehr schwierig, uns an den Finanzmärkten zu refinanzieren. Aber wenn der Bund einsteigt, wäre dies das Vertrauenssignal, auf das die Märkte warten. Dann sind wieder ganz andere Kredite an uns möglich.

SZ: Warum soll der Staat die Bank überhaupt retten? Wäre es nicht billiger für alle Bürger, die Hypo Real Estate einfach pleitegehen zu lassen?

Wieandt: Ein Zusammenbruch unserer Bank birgt hohe Risiken für andere Elemente des Finanzsystems. Wir haben eine Bilanzsumme von 400 Milliarden Euro, die ist vergleichbar mit der der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers. Die Eskalation der Finanzkrise nach dem Fall von Lehman hat gezeigt, welche Auswirkungen Kettenreaktionen an den Märkten haben können.

SZ: Wann bekommen die Steuerzahler ihr Geld zurück?

Wieandt: Wir haben erklärt, dass wir für die Restrukturierung sicher zwei bis drei Jahre brauchen. Das wird ein steiniger Weg werden.

SZ: Welche Fehler haben Ihre Vorgänger im Vorstand gemacht?

Wieandt: Ich konzentriere mich auf die Zukunft, nicht auf die Vergangenheit, die zudem bekanntermaßen Gegenstand von Untersuchungen des Aufsichtsrates und von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ist.

SZ: Für ehemalige Vorstände wie Vorstandschef Georg Funke waren teilweise großzügige Abfindungen und Ruhegehälter vorgesehen. Die meisten Deutschen haben dafür kein Verständnis.

Wieandt: Die Vergütungen für Vorstände sind Sache des Aufsichtsrats. Mein Eindruck ist, dass sich unser Aufsichtsrat seiner Verantwortung gegenüber dem Unternehmen, aber auch der Öffentlichkeit sehr wohl bewusst ist.

SZ: Wenn der Aufsichtsrat den kritischen Zeitgeist in Sachen Managergehälter kennt: Wie viel verdienen Sie?

Wieandt: Ich habe einen Fünf-Jahresvertrag und werde alles zur Rettung dieser Bank tun. Einzelheiten meines Vertrages werden gemäß den Corporate-Governance-Regeln veröffentlicht.

SZ: Wenn der Staat einsteigt, würden die Vorstandsgehälter ohnehin auf 500.000 Euro beschränkt.

Wieandt: Der Vorstand würde das natürlich akzeptieren und die Gehälter, wo erforderlich, auf das notwendige Niveau senken.

SZ: Der Namen Hypo Real Estate dürfte für alle Zeiten verbrannt sein. Planen Sie schon eine Umbenennung?

Wieandt: Wir prüfen diese Frage, und es gibt erste Überlegungen in diese Richtung. Aber im Vordergrund steht jetzt nicht die Verpackung. Wir arbeiten mit Vorrang am Inhalt.

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