Hypo Alpe Adria:"Abnicker sind nicht mehr gefragt"

Wirtschaftsjurist Marcus Lutter über die Fehler der BayernLB-Verwaltungsräte - und warum Bayerns Regierung ihre Vorgänger verklagen sollte.

H. Leyendecker

Der Wirtschaftsjurist Marcus Lutter, 79, will, dass Banker und deren Kontrolleure zur Verantwortung gezogen werden. Er ist Sprecher des Zentrums für Europäisches Wirtschaftsrecht an der Uni Bonn und gehörte Regierungskommissionen an.

Hypo Group Alpe Adria, Foto: AP

Der Kauf der österreichischen Bank Hypo Group Alpe Adria kam die BayernLB teuer zu stehen.

(Foto: Foto: AP)

SZ: Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen der Umstände beim Kauf der Bank Hypo Alpe Adria im Jahr 2007 gegen ehemalige Vorstandsmitglieder der BayernLB wegen Verdachts der Untreue. Die Strafverfolger haben aber jetzt darauf hingewiesen, dass - derzeit zumindest - weder aktive noch ehemalige Verwaltungsräte von dem Verfahren betroffen seien. Überrascht Sie das?

Marcus Lutter: Die Staatsanwaltschaften tun sich generell sehr schwer, Untreue in diesem Bereich nachzuweisen. Im Strafrecht braucht es den Vorsatz. So müssen beispielsweise Absprachen über einen zu hohen Preis belegt werden.

SZ: Müssen jene Verwaltungsräte der BayernLB, die damals das Geschäft genehmigt haben und deshalb von der Opposition im Bayerischen Landtag angezeigt wurden, mit Schadenersatzforderungen rechnen?

Lutter: Ja. Im Zivilrecht reicht Fahrlässigkeit, und die könnte in diesem Fall vorliegen. Gegen einen Einstieg bei der Klagenfurter Bank hat es mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche sachliche Gründe gegeben. Ich erinnere auch an die Fälle Siemens und MAN, wo Unkorrektheiten erhebliche zivilrechtliche Konsequenzen hatten.

SZ: Bei Siemens wurden ehemalige Vorstände vom Aufsichtsrat belangt. Im Fall der Landesbank geht es aber um die etwaige Haftung von Kontrolleuren. Wer müsste eine Haftungsklage stellen?

Lutter: Das kann in der Tat ein Problem werden. Eigentlich müsste der derzeitige Verwaltungsrat oder der zuständige Minister die im Sommer 2007 amtierenden Gremienmitglieder belangen. Wenn die Zuständigen diesen Schritt nicht tun, müssen sie selbst mit Schadenersatzforderungen rechnen.

SZ: Mit anderen Worten: Die jetzigen Mitglieder der bayerischen Landesregierung müssten ihre Vorgänger verklagen, andernfalls laufen sie selber Gefahr, zahlen zu müssen. Wann hat es einen solchen Fall schon mal gegeben?

Lutter: Einen solchen Fall hat es bislang noch nicht gegeben. Das hängt auch mit der allgemeinen Verfilzung der Beteiligten zusammen. Dabei sind Kontrolleure nicht Vertreter von Partikularinteressen, sondern allein auf das Wohl der Gesellschaft verpflichtet.

SZ: In welcher Größenordnung würde im Fall der BayernLB, die in Klagenfurt 3,7 Milliarden Euro verloren hat, eine Schadenersatzforderung liegen?

Lutter: Sicherlich nicht im Milliardenbereich. Eine ähnliche Größenordnung wie bei Siemens, wo die Schadenersatzforderungen zwischen 500.000 Euro und fünf Millionen Euro lagen, wäre, theoretisch zumindest, vorstellbar.

SZ: Müssen Verwaltungsräte nicht darauf vertrauen können, dass die eingeschalteten Berater beim Kauf eines anderen Geldhauses die Risiken besser einschätzen können als sie - und dass auch der Vorstand der BayernLB das Risiko besser überschauen konnte als die Verwaltungsräte der Bank?

Lutter: Verwaltungsräte dürfen nicht darauf vertrauen, dass der Vorstand alles gesagt hat, was für eine Kaufentscheidung wichtig ist. Sie müssen bei den Vorständen nachhaken, wenn etwas nicht klar ist, und wenn sie keine aus ihrer Sicht nachvollziehbare Information bekommen, müssen sie anderswo die Antwort auf ihre Fragen suchen.

"Es war die Gier"

SZ: Muss ein Verwaltungsrat Einzelheiten von Krediten und Feinheiten wie die Wahrscheinlichkeit ihres Ausfalls kennen?

Marcus Lutter, Foto: oh

Wirtschaftsjurist Lutter: "Verwaltungsräte dürfen nicht darauf vertrauen, dass der Vorstand alles gesagt hat, was für eine Kaufentscheidung wichtig ist."

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Lutter: Nein. Er muss Details eines Kundengeschäfts nicht kennen, aber er muss sich um die Details eines geplanten Kaufs intensiv kümmern. Im Fall der Landesbanken sind solche Übernahmen wie der Mehrheit bei Hypo Alpe Adria eigentlich per se nicht rechtmäßig.

SZ: Warum?

Lutter: Die Tätigkeit einer Landesbank muss einem öffentlichen Zweck dienen. Warum soll der Bürger für die geplante Expansion einer Landesbank auf dem Balkan geradestehen? Wer bei dieser Expansion mitgewirkt hat, hat also pflichtwidrig gehandelt.

SZ: Jeder der Verwaltungsräte hätte sich also beim Kauf der Mehrheit bei der Hypo Alpe Adria widersetzen müssen?

Lutter: Ja.

SZ: Warum haben sich Landesbanken wie Geschäftsbanken verhalten?

Lutter: Es war die Gier. Wenn jemand unbedingt 25 Prozent Gewinn im Jahr machen wollte, musste er unzumutbare Risiken eingehen. Warum reichen nicht acht Prozent?

SZ: Ist es nachzuvollziehen, wenn Verwaltungsräte jetzt klagen, für die Kaufentscheidung sei ihnen nicht viel Zeit geblieben? Außerdem hätten sie nach bestem Wissen und Gewissen zugestimmt.

Lutter: Wer keine Zeit hat, sich zu kümmern oder sich keine Zeit lässt, um eine solche Milliardeninvestition ausreichend zu prüfen oder wer schlicht inkompetent ist, hat in einem solchen Kontrollgremium nichts zu suchen. Der Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahren die Kontrolleure immer mehr in die unternehmerische Mitverantwortung genommen. Von Rechts wegen ist heute der mit-unternehmerische Kontrolleur gefragt und nicht der Abnicker.

SZ: Wie müsste ein solches kompetentes Gremium aussehen?

Lutter: Jedenfalls anders als der heutige Verwaltungsrat: Verwaltungsräte müssen spezielle Fähigkeiten und Kenntnisse haben. Idealiter müsste sich ein solches Gremium aus unabhängigen Wirtschaftsprüfern, unabhängigen Unternehmern und unabhängigen früheren Bankiers zusammensetzen. Ein Ministerialdirigent des zuständigen Ministeriums kann dabei sein, aber sein Minister, der wenig Ahnung und keine Zeit hat, gehört da nicht rein. Nach einer im August vergangenen Jahres beschlossenen Änderung des Kreditwesengesetzes muss neuerdings jedes Mitglied eines Aufsichtsrats oder Verwaltungsrats Sachkunde nachweisen.

SZ: Wer prüft die Sachkunde?

Lutter: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht soll sie prüfen.

SZ: Glauben Sie wirklich, dass ein hochrangiger Politiker, der nichts vom speziellen Bankengeschäft versteht, künftig von der Bafin wegen mangelnder Sachkenntnis abgelehnt werden wird?

Lutter: Wir wollen es hoffen.

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