HVB-Chef Weimer:"Der Begriff Hypo hat einen schlechten Klang"

HVB-Chef Theodor Weimer über die geplante Namensänderung seines Instituts, exzessive Gehälter und die Bankenschelte der Politik.

M. Beise, T. Fromm u. A. Hagelüken

Er wollte einst Polizist oder Lehrer werden. Nun leitet er die drittgrößte Bank der Republik: Theodor Weimer, 49 Jahre, Vater von zwei Kindern, übernahm Anfang des Jahres von Wolfgang Sprißler den Vorstandsvorsitz bei der Hypo-Vereinsbank. Früher hat Weimer für die Unternehmensberatungen McKinsey und Bain sowie für die US-Investmentbank Goldman Sachs in New York gearbeitet.

HVB-Chef Theodor Weimer, Foto: dpa

HVB-Chef Theodor Weimer: "Warum sollten wir uns aus der größten Volkswirtschaft in Europa zurückziehen?"

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SZ: Herr Weimer, jahrelang hat ein Ex-Investmentbanker und Ex-Unternehmensberater wie Sie große Strategien ausgeheckt, und jetzt ist Krise. Für viele Firmen geht es ums blanke Überleben. Da interessieren Strategien nicht, oder?

Theodor Weimer: Es gab Zeiten, da war Strategie in der Tat alles. Heute ist es unser Ziel, zunächst einmal ohne größere Schäden durch die Krise zu kommen. Und gleichzeitig unser Haus für die Zukunft gut aufzustellen.

SZ: Es fragt sich nur: wie? Früher war Rendite das Maß aller Dinge.

Weimer: Im Bankenwesen geht es aus meiner Sicht nicht mehr nur um hohe Renditen. Es geht auch nicht mehr ausschließlich um den "Shareholder Value", also den Profit für die Aktionäre. Es geht jetzt vor allem um mehr Nachhaltigkeit. Alles andere ist gesellschaftspolitisch auch nicht mehr tragfähig.

SZ: Aber Sie könnten ruhig zugeben, dass Sie als Investmentbanker selbst jahrelang auf dem falschen Dampfer waren.

Weimer: Wir alle haben früher das getan, was wir alle damals für richtig gehalten haben und was man auch von uns erwartet hat. Und es gab sehr viele, die deutschen Banken vorgeworfen haben, im Vergleich zu ausländischen Instituten zu wenig Rendite einzufahren. Teilweise hatte man den Eindruck, dass man sich mit niedrigeren Renditen nur noch verstecken könne.

SZ: Haben Sie sich damals als Getriebener gefühlt? Geht es Ihnen jetzt besser?

Weimer: Es gibt sicherlich keinen Bankmanager, der sich nicht auch heute gelegentlich als Getriebener fühlt. Die Ansprüche an uns kommen von allen Seiten: von Aktionären, Mitarbeitern, Kunden. Und jeder verfolgt dabei ein anderes Interesse.

SZ: Bei Ihnen ist klar, woher der Druck kommt. Sie gehören zu 100 Prozent der italienischen Großbank Unicredit. Übt Ihr Vorstandschef Alessandro Profumo Druck aus?

Weimer: Alessandro Profumo hat klare Ziele für die Hypo-Vereinsbank: Er will, dass wir weiter wachsen und uns stetig verbessern.

SZ: Ihr Filialgeschäft ist zum Leben zu klein und zum Sterben zu groß. Wo können Sie denn da noch wachsen?

Weimer: Wir haben zwar im klassischen Privatkundengeschäft lediglich drei Prozent Marktanteil. Dafür verteilen sich diese geographisch sehr unterschiedlich: In Bayern und im Norden haben wir einen Marktanteil von mehr als 10 Prozent, bei den vermögenden Kunden in Bayern liegen wir sogar bei mehr als 15 Prozent.

SZ: Sie geben das Geschäft mit Bankfilialen für Privatkunden also nicht auf?

Weimer: Nein, warum sollten wir uns aus der größten Volkswirtschaft in Europa zurückziehen? Im Gegenteil, wir wollen unser Geschäft in Deutschland weiter ausbauen.

SZ: Dann kaufen Sie doch dazu. Es heißt, Sie interessierten sich für die Direktbank DKB der BayernLB.

Weimer: Da wissen Sie mehr als ich. Aber natürlich: Was auf dem Markt ist, schauen wir uns an. Wir zahlen allerdings keine Phantasiepreise und werden nur kaufen, wenn etwas 100 Prozent zu uns passt. Es ist derzeit nicht die Zeit für Abenteuer.

SZ: Dann werden Sie wohl neue Stellenstreichungen verkünden.

Weimer: Im Investmentbanking haben wir unsere Kapazitäten bereits deutlich verringert. Den noch vor Ausbruch der Krise für die HVB beschlossenen Abbau von 2500 Stellen werden wir auf jeden Fall umsetzen. Wir können nur hoffen, dass sich die Gesamtsituation nicht so verschlechtert, dass auch wir über weitere Anpassungen nachdenken müssen.

SZ: Entschieden wird in Mailand.

Weimer: Diese Ansicht ist ein alter Zopf: Es gibt kein Gegeneinander zwischen Mailand und München, wir arbeiten und entscheiden zusammen.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum Weimer der Unicredit-Gruppe dankbar ist.

"Alleine hätten wir diese Krise niemals so gut überstanden"

SZ: Es gibt Menschen in der HVB, die sehen das anders.

Weimer: Das kann man nicht anders erwarten. Wir haben 23.000 Mitarbeiter, von denen haben natürlich auch nicht alle den Zugang nach Mailand, wie ihn meine Vorstandskollegen oder ich haben. Wir fühlen uns ohne Wenn und Aber als Teil der Unicredit-Gruppe. Und so geht es auch dem überwiegenden Teil unserer Mitarbeiter. Alessandro Profumo hat die Hypo-Vereinsbank gekauft, als sich keiner für sie interessiert hat. Der Kauf war für die Unicredit und uns strategisch der richtige Schritt, und ich weiß eines: Alleine hätten wir diese Krise niemals so gut überstanden.

SZ: Die HVB ist heute Unicredit Deutschland.

Weimer: Ja, das trifft zu, und wir werden irgendwann den nächsten logischen Schritt tun und dies auch mit unserer Marke ausdrücken.

SZ: Das müssen Sie genauer erklären.

Weimer: Ich glaube, dass Marken viel mit Emotionen zu tun haben. Und da gibt es mir sehr zu denken, dass der Begriff "Hypo" seit dem Beinahe-Kollaps der Hypo Real Estate einen schlechten Klang hat. Auch wenn die HRE seit Jahren nicht mehr zur HVB gehört und auch nie die Bad Bank der HVB war, wie gerne behauptet wird, ist das ein Problem.

SZ: Sie werden also mit einer maroden Münchner Immobilienbank verwechselt, die mit über 100 Milliarden Euro gestützt werden muss.

Weimer: Das kommt leider vor. Es ist schlimm, wenn uns unsere eigenen Kunden verwechseln. Aber es ist noch schlimmer, wenn uns potentielle Kunden verwechseln.

SZ: Unicredit klingt besser ...

Weimer: Unicredit steht für unsere neue Identität als Teil einer der erfolgreichsten europäischen Banken. Unsere Kunden verlangen von uns eine klare Botschaft, wer wir sind und wofür wir stehen. Wir haben keine Angst vor Neuem und vor Veränderung.

SZ: Wann steht über HVB-Filialen nicht mehr HVB, sondern Unicredit?

Weimer: Fest steht: Wir wollen den Namen Unicredit lieber früher als später auch für das Deutschland-Geschäft nutzen. Unser Investmentbanking firmiert schon seit einiger Zeit unter Unicredit. Vor dem Wann denken wir aber über das Wie nach. Unsere Gruppe wird ab der kommenden Saison offizieller Sponsor der Champions League und so den Bekanntheitsgrad des Namens Unicredit europaweit und auch hier in Deutschland weiter steigern.

SZ: Dafür haben Sie Geld? Ist das die Zeit für große Sponsoraktionen?

Weimer: Wir sind überzeugt, das Investment in die Champions League wird sich für uns lohnen. Die Uefa Champions League bietet uns eine erstklassige Plattform für die Steigerung des Bekanntheitsgrades unserer Marke.

SZ: Wahrscheinlich kommt der Druck auch aus Mailand, oder?

Weimer: In Mailand ist man zuallererst daran interessiert, dass unser Geschäft gut läuft. Mit welcher Marke wir dies erreichen, ist zweitrangig.

SZ: Bei vielen Finanzkonzernen ist es wieder Mode geworden, Boni an die Topmanager zu zahlen. Ausgerechnet der von der US-Regierung gerettete Versicherer AIG will nun wieder seine Topmanager verwöhnen. Kann das wahr sein?

Weimer: Da müssen Sie AIG fragen. Ich sage klar: Die Zeit für exzessive Bonizahlungen und Boni ohne dauerhaften Leistungsbezug ist vorbei. Wir müssen die Bezahlung in Zukunft viel stärker an der Nachhaltigkeit ausrichten.

SZ: Wie halten Sie es denn mit Boni?

Weimer: Wir führen derzeit für die oberen Führungsebenen ein neues - viel stärker an Nachhaltigkeit ausgerichtetes - Bonussystem ein. Allerdings bedeutet das für uns nur eine Anpassung, keine Revolution, wir haben noch nie exzessiv gezahlt und trachten nicht danach, Leute einzustellen, die nur des Geldes wegen kommen.

Lesen Sie auf der dritten Seite, warum Weimer glaubt, dass die von der Politik kritisierte Kreditvergabepraxis der Banken derzeit nicht das Problem darstellt.

"Unsere Firmenkunden bleiben unsere Stärke"

SZ: Was heißt das?

Weimer: Die Auszahlung der Boni wird in Zukunft über mehrere Jahre gestreckt, jedes Jahr wird überprüft werden, ob die Ergebnisse nachhaltig sind. Kurzfristige Gewinne werden nicht mehr mit Boni belohnt werden.

SZ: Bei vielen Unternehmen werden die Boni gekürzt, dafür steigt das Grundgehalt - und am Ende bleibt alles gleich.

Weimer: Ich gehe davon aus, dass in der Bankenbranche künftig insgesamt weniger bezahlt werden wird.

SZ: EZB-Chef Trichet und Finanzminister Steinbrück kritisieren, dass die Banken ihr Geld lieber für sich behalten, als es an Kunden auszuleihen.

Weimer: Die Wirtschaft schrumpft gerade um sechs Prozent. Da ist es noch keine Kreditklemme, wenn die Ausleihungen wachsen oder stabil bleiben. Wer Geld braucht und kreditwürdig ist, bekommt weiterhin Kredit. Wir haben unser Kreditvolumen im ersten Quartal 2009 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als fünf Prozent gesteigert - trotz Krise, trotz dammbruchartiger Einbrüche der Wirtschaft im ersten Quartal.

SZ: Bei vielen Mittelständlern hört man aber, dass sie überhaupt kein Geld mehr von den Banken bekommen.

Weimer: Das Problem liegt nicht bei der Kreditvergabe, sondern bei der raschen Verschlechterung der Kreditwürdigkeit vieler Unternehmen. Wir müssen deshalb bei der Kreditvergabe noch genauer hinsehen.

SZ: Sie rechnen nicht mit einem baldigen Abflauen der Krise?

Weimer: Nein. Wir gehen davon aus, dass es noch lange dauern wird, bis wir wieder das Niveau von 2007 erreichen. Wir müssen uns als Bank in dieser Situation davor hüten, gutes Geld schlechtem hinterherzuwerfen. Das hilft niemandem.

SZ: Ein Beispiel bitte.

Weimer: Ohne Namen zu nennen: Wenn ein großes Unternehmen von uns einen dreistelligen Millionenbetrag möchte und uns gleichzeitig versichert, dass das Unternehmen in den nächsten 24 Monaten wieder eine Rendite auf dem Niveau des Jahres 2007 erwirtschaften wird, dann erlauben wir uns schon, die ein oder andere unangenehme Frage zu stellen. Aber glauben Sie mir: Wir haben ein Eigeninteresse daran, den Unternehmen in einer zeitlich befristeten Krise zu helfen. Wir befinden uns in einer Schicksalsgemeinschaft mit unseren Kunden - und haben auch kein Problem damit.

SZ: Fürchten Sie nicht dennoch, dass Sie viele Ihrer Kredite nie wiedersehen?

Weimer: Wir rechnen im Bankengewerbe sowohl für 2009 als auch für 2010 mit deutlich höheren Ausfallraten bei den Krediten als 2008.

SZ: Jetzt werden Ihnen wohl Ihre 76.000 Firmenkunden zum Verhängnis. Je mehr Kredite ausfallen, desto mehr wächst Ihnen das doch über den Kopf.

Weimer: Unsere Firmenkunden sind und bleiben unsere Stärke, wir sind im Geschäft mit Firmenkunden auch besser aufgestellt als die meisten unserer Wettbewerber. Aber natürlich wird auch unsere Risikovorsorge in diesem Jahr deutlich ansteigen. Wir hatten im vergangenen Jahr 760 Millionen Euro auf faule Kredite abgeschrieben. Dieses Jahr wird es wohl deutlich über eine Milliarde Euro sein.

SZ: Heißt das, dass Sie in diesem Jahr erneut in den roten Zahlen landen?

Weimer: Das habe ich damit nicht gesagt.

SZ: Aber es ist denkbar, oder können Sie das ausschließen?

Weimer: Schließen Sie aus, dass der FC Bayern in der Champions League in der ersten Runde ausscheidet? Das erste Halbjahr ist für uns ganz gut gelaufen, aber es wäre fahrlässig, zu diesem Zeitpunkt bereits Aussagen über das Gesamtjahr machen zu wollen.

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