Hotelbranche:Zimmer frei

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Soll die Stadt eine eigene Bettensteuer einführen dürfen? (Foto: Alessandra Schellnegger)

Investoren bauen viele neue Unterkünfte für Touristen und Reisende, doch nicht überall werden sie gebraucht. An manchen Standorten werden die Hoteliers zunehmend nervös.

Von Sabine Richter

Das Maritim in Köln, das Leonardo Royal in München und das Bristol in Berlin - diese Hotels haben seit Kurzem neue Eigentümer. Und es sind nur einige von wenigen Häusern, die im vergangenen Jahr verkauft wurden. Hotels stehen seit einigen Jahren weit oben auf den Einkaufszetteln der Investoren. Doch in einigen deutschen Städten wurde zuletzt so viel gebaut, dass so manche Rechnung nicht aufgehen könnte.

Im vergangenen Jahr war die Kauflust der Anleger noch ungebrochen. Gefragt war alles, ob Neubauten, Bestandsobjekte oder Hotels mit Optimierungsbedarf. Mehr als vier Milliarden Euro wurden in Einzelobjekte und Hotelpakete investiert. Es habe etwa 130 Transaktionen gegeben, sagt Alexander Trobitz vom Immobiliendienstleister BNP Paribas Real Estate. Unter den Käufern finden sich Fonds ebenso wie private Investoren. Deutlich stärker als im Vorjahr sind Luxushotels am Markt präsent: Ihr Anteil kletterte von zehn Prozent im Vorjahr auf nun 17 Prozent.

Investoren haben gute Gründe, sich für das Segment Hotel zu entscheiden. "Die Rendite liegt 50 bis 100 Basispunkte über vergleichbaren Bürorenditen und macht die Beimischung von Hotels für Fonds attraktiv, so dass dieses Segment auch für Versicherungen und Versorgungskammern sehr interessant ist", erklärt Andreas Ewald, geschäftsführender Gesellschafter Engel & Völkers Hotel Consulting.

Und die deutsche Hotelbranche ist im zehnten Jahr des Wachstums. Auch 2018 war ein sehr gutes Jahr für Deutschlands Hoteliers. Urlaub in Deutschland, insbesondere der Städtetourismus, wird immer beliebter, der schöne Sommer 2018 hat diesen Trend verstärkt. Im vergangenen Jahr waren die Bundesbürger erstmals mehr als 1,7 Milliarden Tage auf Ausflügen und längeren Reisen unterwegs, das waren rund 1,8 Prozent beziehungsweise 30 Millionen Tage mehr als 2017, errechnete der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft. Im Gesamtjahr 2018 schätzt der Verband die Anzahl der Übernachtungen (in allen Unterkunftsarten) auf 477 Millionen, ein Plus von vier Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zimmerauslastung wird mit 71,9 Prozent angegeben. Vor allem die zehn größten deutschen Städte konnten ihr Übernachtungsaufkommen weiter steigern.

In manchen Städten steigt das Angebot schneller als die Nachfrage

Doch die reale Umsatzentwicklung für den gesamten Beherbergungsmarkt stagniere mit minus 0,1 Prozent, warnt Otto Lindner, Vorsitzender des Hotelverbandes Deutschland (IHA). Auch im europäischen Vergleich seien die Zuwachsraten der deutschen Hotels bei Auslastung, Preis und Ertrag eher unterdurchschnittlich. Und das dürfte sich nicht wesentlich verbessern, denn die Konkurrenz wird immer größer. 2018 wurden in den sechs Top-Märkten schätzungsweise etwa 11 000 Zimmer in 60 Projekten fertiggestellt, für die kommenden drei Jahre befinden sich Häuser mit etwa 25 000 Zimmern in Bau oder konkreter Planung.

"Um das aktuelle Auslastungsniveau in den Hotels der Top-5-Standorte Berlin, München, Hamburg, Frankfurt und Düsseldorf halten zu können, müsste die Nachfrage im Schnitt jährlich um 4,6 Prozent steigen", berichtet Ewald. Manche Standorte könnten das schaffen. "In einzelnen Märkten sind wir aber auf dem besten Weg zu einem soliden Verdrängungswettbewerb. Frische neue Produkte werden in die Jahre gekommene Häuser unter Druck setzen", so Ewald. Und damit dürfte auch der eine oder andere Pachtvertrag unter Druck geraten. "Investoren werden Betreiber und ihre Konzepte künftig deutlich mehr auf den Prüfstand stellen".

Hamburg zählt zu den Standorten, an denen die Hoteliers langsam nervös werden. Zwar boomt der Tourismus, von Januar bis Ende November 2018 gab es 13,4 Millionen Übernachtungen, etwa fünf Prozent mehr als 2017. Aber das Bettenangebot wächst noch stärker. Laut Ulrike von Albedyll, Landesgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), betrug der Bettenzuwachs 2018 gegenüber dem Vorjahr etwa neun Prozent. In diesem Jahr kämen 17 weitere neue Hotels mit 6500 Betten auf den Markt.

"Seit dem vergangenen Jahr sehen wir eine Trendwende, die uns Sorgen macht", sagt Albedyll. Bis dahin seien Bettenangebot und -nachfrage etwa im Gleichschritt gestiegen. Das sei jetzt gekippt, die Übernachtungskapazitäten seien erstmals seit 15 Jahren weit schneller als die Gästezahlen gewachsen. Zu befürchten sei eine weitere Verknappung auf dem Beschäftigungsmarkt, eine geringere Auslastung der Hotels und sinkende Preise.

Den Touristen kann es recht sein, sie finden in Deutschland im Vergleich zum Ausland ohnehin schon eine hohe und vielfältige Hotelqualität zu günstigen Preisen vor. Und die Angebotsvielfalt wird immer größer, längst liegt zwischen schlicht und preiswert und dem Luxussegment eine schier unendliche Produktvielfalt. "Das Thema Segmentspezialisierung wird immer wichtiger, ein Produkt für alle wird es immer weniger geben", sagt Andreas Ewald. Sich abzuheben von der Konkurrenz wird zum Überlebensrezept. Übernachten kann man inzwischen in Schiffen und Industriedenkmälern, in Iglus und Zelten, Baumhäusern, in Biwaks oder direkt unter dem Sternenhimmel.

Kann man in dieser Angebotsvielfalt überhaupt noch Trends ausmachen? "Eindeutig", sagt Andreas Martin, Geschäftsführer der Hotelforum Management GmbH, der europäischen Fachkonferenz für Hotel- und Immobilienexperten. Die Größe des Zimmers spiele außer im Luxussegment nur noch eine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund stehe die komfortable Ausstattung, Individualität und Lokalität seien weitere Stichworte. "Der Gast möchte sich nicht wie in einem x-beliebigen Hotel in einer x-beliebigen Stadt fühlen", sagt Martin.

© SZ vom 09.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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