Am Abend springt der Niesel durch die Luft, und der Asphalt spritzt den Menschen die Nässe um die Beine, trotzdem sind fast 400 Demonstranten in die Lange Reihe in Hamburg-St. Georg gekommen, Politiker, Anwohner, das Schauspielhaus-Ensemble. Stehen vor der Buchhandlung Wohlers, dem ältesten Laden im Viertel, und halten Schilder in die Luft: "Das Geld kommt - der Geist geht!"
Seit Juni protestieren die Menschen zu Tausenden dagegen, dass Buchhändler Jürgen Wohlers seinen Laden schließen muss. Im Juni hatte Wohlers' Vermieter ihm eine Mieterhöhung angekündigt, von 1400 Euro auf 4100 Euro. Um mehr als 300 Prozent, mal eben so. Wohlers ist mittendrin in dem Kreislauf, der diese Stadt seit Jahren so unangenehm prägt: Verteuerung - Vertreibung - Verzweiflung bei der Suche nach einer neuen Bleibe. Nirgends in Deutschland ist der Immobilienmarkt so außer Kontrolle, im kommenden Jahr soll Hamburg sogar München als teuerste Wohnstadt hinter sich gelassen haben.
Lange haben die Menschen das mitgemacht, haben angestanden, gezahlt, noch mehr gezahlt, für die Mieten, die Ablösen und natürlich für die Makler, ohne die kaum noch ein Objekt den Mieter wechselt. Aber langsam regt sich etwas. Vor der Buchhandlung. Im Rathaus. Und bald sogar im Bundesrat. Dort will die Stadt 2013 eine Initiative auf Einführung des "Bestellerprinzips" einbringen, das die Rechte von Mietern auf Wohnungssuche so sehr stärken könnte wie es seit Jahren kein Gerichtsurteil und keine Vorschrift vermochte.
Drastische Auswirkungen
Das Bestellerprinzip sieht vor, dass bei der Vermittlung von Wohnungen nicht mehr derjenige die Courtage bezahlen muss, der ein Objekt mietet - sondern derjenige, der den Makler bestellt hat, also der Vermieter oder die Verwaltung. Schon hat der Vorschlag Anhänger gefunden: Am Montag sagte Nordrhein-Westfalens Wohnungsminister Michael Groschek (SPD): "Miete plus Provision können Normalverdiener oft kaum noch stemmen." Deshalb werde sich seine Regierung wohl der Hamburger Bundesratsinitiative anschließen. Für den Markt könnte das drastische Auswirkungen haben - zugunsten der Mieter.
"Es ist doch überall in der Wirtschaft so: Derjenige, der eine Leistung bestellt, bezahlt sie auch", sagt Anjes Tjarks, wirtschaftspolitischer Sprecher der Hamburger Grünen, von denen die Idee für das Bestellerprinzip ursprünglich stammt. Wer ein Brot bestelle, bezahle das Brot. Wer einen Maler bestelle, bezahle den Maler. Nur bei Maklern sei das Prinzip verkehrt. "Das führt dort, wo Wohnungsnot herrscht, zu den absurdesten Situationen", sagt Tjarks. "Und zu den dreistesten."
Das Wohnungsvermittlungsgesetz regelt in Paragraf drei, wie hoch die Courtage sein darf: Der Makler darf "kein Entgelt fordern, sich versprechen lassen oder annehmen, das zwei Monatsmieten zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer übersteigt", heißt es da. So kommt die Vermittlungsgebühr von 2,38 Nettokaltmieten zustande, die Makler in begehrten Städten meist aufrufen. Mehr geht nicht nach dem Gesetz. Weniger schon. Aber wer hat daran ein Interesse, wenn doch eh der Mieter zahlt, der dringend eine Wohnung sucht?