Historische Stadtquartiere:Das Erbe bewahren, die Umwelt schützen

Historische Stadtquartiere: Die Plato-Wild-Siedlung, ein genossenschaftliches Projekt, wurde zwischen 1912 und 1926 gebaut. Nun wurde es energetisch saniert.

Die Plato-Wild-Siedlung, ein genossenschaftliches Projekt, wurde zwischen 1912 und 1926 gebaut. Nun wurde es energetisch saniert.

(Foto: Annika Zeitler / OTH )

Wie alte Wohnkomplexe energetisch und zugleich behutsam modernisiert werden können, haben Forscher anhand einer kleinen Siedlung in Regensburg untersucht.

Von Lars Klaaßen

Den Klimawandel befeuern wir zu einem beträchtlichen Teil bei uns zu Hause: Von der Energie, die in Deutschland verbraucht wird, gehen etwa 30 Prozent auf das Konto der privaten Haushalte. Davon entfallen wiederum drei Viertel auf die Raumwärme. Je nach System ist der Verbrauch an Primärenergie durch Verluste bei Erzeugung, Wandlung und Transport noch viel größer. Dementsprechend hatten die deutschen Haushalte im Jahr 2015 einen Anteil von etwa 13 Prozent an der CO₂-Gesamtemission.

Mit jedem Wohnhaus, das neu gebaut wird, verbessert sich diese Bilanz. Optimale Dämmung und moderne Heizsysteme, die regenerative Energiequellen nutzen, können aus Häusern mittlerweile Energieerzeuger machen, die kein CO₂ mehr ausstoßen. Doch der Neubau macht nur einen kleinen Teil des Bestandes aus. Häuser, die seit 2009 entstanden, haben einen Anteil von einem Prozent. Quantitativ und mit Blick auf die energetischen Bilanzen sind ältere Gebäude ausschlaggebend.

Etwa 38 Prozent der Wohnhäuser in Deutschland wurden zwischen 1948 und 1978 gebaut. Bei ihnen gibt es einen großen Sanierungsbedarf, der in weiten Teilen aber schon in Angriff genommen wurde. Gebäude aus der unmittelbaren Nachkriegszeit lassen sich aufgrund der einfachen Bauweise, die architektonisch meist anspruchslos ist, relativ gut von außen dämmen und mit einem effizienteren Heizsystem nachrüsten.

In den Sechziger- und Siebzigerjahren entstanden in West- wie Ostdeutschland zunehmend große Siedlungen. Die seriellen Bauweisen lassen sich auch seriell sanieren, was in der Masse die Kosten pro Wohnung gering hält. Wenn das funktioniert, zahlen die Mieter aufgrund der Sanierungskosten zwar deutlich mehr Kaltmiete. Da die Energiekosten aber dann erheblich sinken, bleibt die Gesamtmiete meistens dennoch bezahlbar.

Bei Häusern, die vor dem Krieg gebaut worden sind, wird eine energetische Sanierung schnell deutlich teurer. Die Gebäude stehen häufig unter Denkmalschutz, aufwendig gestaltete Fassaden oder komplexe Baukörper erschweren die Dämmung an der Außenhülle. Immerhin noch 26 Prozent des Gebäudebestands in Deutschland stammen aus der Zeit vor 1948. "Die Entwicklung von Konservierungs- und Modernisierungskonzepten für diese Gebäudeklasse stellt deshalb einen wirtschaftlich bedeutenden Beitrag dar", sagt Wencke Haferkorn vom Referat Forschung im Bauwesen im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). "Gleichzeitig geht es um die Bewahrung des architektonischen und städtebaulichen Erbes." Insbesondere Wohngebäude aus der Zwischenkriegszeit bildeten vielerorts bauhistorisch wertvolle Stadtquartiere.

Forscher der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH) haben nun im Rahmen des Projekts Renarhis ("Regenerative Energieversorgung als Schwerpunkt einer nachhaltigen Restaurierung historischer Stadtquartiere") ein konkretes Ensemble unter die Lupe genommen: die vom "Regensburger Bauverein e. V." zwischen 1912 und 1926 gebaute Plato-Wild-Siedlung, ein genossenschaftliches Projekt. In sieben bis heute erhaltenen Häuserblöcken mit 160 Wohnungen leben dort derzeit etwa 270 Menschen. "Wichtig für die Wahl dieses Objekts war die Übertragbarkeit auf andere, vergleichbare historische Bauten und Ensembles", erläutert Oliver Steffens, der das Forschungsteam leitet.

Bezeichnend für das Erscheinungsbild des Ensembles sind sparsam historisierende Mietshausblöcke, die sich um einen grünen Innenhof gruppieren. Der genossenschaftliche Zusammengehörigkeitsgedanke wird dabei auch in den Fassaden wiedergegeben. So fassen der umlaufende Natursteinsockel sowie die horizontalen Gesimsbänder das Quartier und bilden eine architektonische Einheit.

Charakteristisch für das Erscheinungsbild der Anlage sind die mehrgeschossigen Walmdachhäuser mit Putzfassade und Natursteinsockel. "Ein fester Haustyp ist an sich nicht zu konstatieren", sagt Steffens. "Aber trotz der Heterogenität des Ensembles ist der homogene Ausdruck der Gesamtanlage mit rhythmisierenden Eck- und Mittelrisaliten wie auch Zwerchgiebelaufbauten und Lisenenbänderung deutlich zu erkennen."

30 Fachleute aus verschiedenen Disziplinen arbeiteten bei dem Projekt zusammen

Die energetische Sanierung von historischen Gebäuden wirft oft viele Fragen auf. "Von außen lassen sich die Häuser kaum dämmen", berichtet Steffens. "Wenn man stattdessen von innen dämmt, besteht Schimmelgefahr, da müssen wir genau prüfen, welche Materialien wie verarbeitet werden können." Dämmwerte wie bei Neubauten sind ohnehin nicht erreichbar. Um die vergleichsweise hohen Wärmeverluste auszugleichen, empfehlen die Forscher, verstärkt regenerative Energien einzusetzen. Hier wiederum müssten aber architektonische und denkmalpflegerische Aspekte berücksichtigt werden, betont Steffens. "Für Solarthermie-Module kommen daher nur ausgewiesene Bereiche in Frage."

Ein Blockheizkraftwerk kann alle Häuser effizient mit Strom und Wärme versorgen. Dabei ist von Vorteil, dass das Konzept gleich eine ganze Siedlung umfasst. Als Energiezentrale ist ein Neubau eine interessante Option - "als behutsame Erweiterung des Ensembles", meint Steffens. Solarthermie und Blockheizkraftwerke sind alternative Konzepte, eine Kombination hat sich hier nicht als wirtschaftlich sinnvoll herausgestellt.

Während sich die Forschung bisher auf energiesparende Neubauten und die Renovierung alter Bausubstanz vor allem unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit konzentriert, etwa durch eine von außen aufgebrachte Wärmedämmverbund-Fassade, liegt der Fokus im Forschungsprojekt Renarhis auf drei zentralen Fragen:

Wie löst man einerseits die Problematik der eingeschränkten energetischen Sanierbarkeit alter Gebäude, deren besondere Architektur erhalten werden soll, und welche bauphysikalischen und konstruktiven Lösungen sind dabei sinnvoll? Wie können zweitens die Besonderheiten und der spezifische Energiebedarf einer historischen Ensemblestruktur gezielt verknüpft werden, um eine wirtschaftlich regenerative Energieversorgung zu erreichen? Und schließlich: Wie erhält man eine dem genossenschaftlichen Gedanken verpflichtete Miethöhe, und wodurch lässt sich eine solidarische Wohngemeinschaft stärken?

Das Besondere an dem Sanierungskonzept ist sein fachübergreifender Ansatz: 30 Projektbeteiligte aus technischen sowie wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen erarbeiteten für das Plato-Wild-Ensemble mehrere Lösungsansätze: Das Projektteam verfolgte nach einer eingehenden Bestandsaufnahme das Konzept der Nachverdichtung sowie der energetischen Ertüchtigung der Gebäudehülle. Ziel war dabei, die historische Fassade zu bewahren. Das Projektteam unterlegte die Ansätze der architektonischen Modernisierung sowie der regenerativen Energieversorgung mit zahlreichen Entwürfen, Berechnungen und Simulationen. Bauphysikalische Betrachtungen zum Wärme-, Feuchte- und Schallschutz waren ein weiterer wichtiger Baustein.

Die Untersuchung wurde von der Forschungsinitiative Zukunft Bau des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gefördert. Dazu entstand ein Leitfaden in Zusammenarbeit mit dem BBSR. "Dieses vom Umfang eher kleinere Forschungsprojekt", betont Haferkorn, "hat das Potenzial, sehr große Wirkung zu entfalten."

Der Leitfaden ist als dritter Band der Reihe "Zukunft Bauen: Forschung für die Praxis" erschienen und kann kostenlos angefordert werden unter: zb@bbr.bund.de (Stichwort: Renarhis).

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