Süddeutsche Zeitung

Hilfspaket für Hypo Real Estate:Alle Banken wollen gerettet werden

Während der Bundesfinanzminister einen nationalen Alleingang anstrebt, drängen viele Kreditinstitute auf eine europäische Lösung.

Martin Hesse

Nach der Rettung der Immobilienbank Hypo Real Estate drängen Banken und Ökonomen auf ein Hilfspaket für die gesamte Kreditwirtschaft. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück zeigte sich offen für eine Branchenlösung. Umstritten ist aber in Politik und Wirtschaft, wie ein solcher Notfallplan aussehen soll.

Ein Schirm für ganz Deutschland

"Wir müssen jetzt versuchen, in Deutschland insgesamt einen Schirm zu spannen, damit wir nicht von dem einen Fall zu dem anderen Fall geraten", sagte SPD-Finanzminister Steinbrück am Montag. Mit singulären Lösungen komme man irgendwann nicht mehr weiter. Steinbrück sprach von einem Plan B. Am Sonntagabend hatten Bund und Banken mit einem erweiterten Rettungspaket einen Zusammenbruch der Hypo Real Estate (HRE) verhindert.

Vertreter der privaten, öffentlichen und genossenschaftlichen Banken drängen angesichts der neuerlichen Zuspitzung der Finanzkrise auf eine umfassende Lösung in Deutschland. "Wir halten es für wichtig, von Einzelfalllösungen wegzukommen", sagte ein Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. "Diese führen dazu, dass für die Retter die Wellen immer höher werden."

Private Banken wollen europäische Lösung

Auch von den Genossenschaftsbanken kam Zustimmung zu einem umfassenden Risikoschutz. Der Präsident des Bankenverbandes, Klaus-Peter Müller, hatte bereits vergangene Woche Staatsgarantien für Verbindlichkeiten der Institute angeregt. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hatte gefordert, man müsse in Europa ähnlich umfassende Maßnahmen vorbereiten wie sie die USA ergriffen haben. Die privaten Banken drängen weiter auf eine Lösung auf europäischer Ebene, um Wettbewerbsnachteile gegenüber Instituten anderer Länder zu vermeiden. Die Bundesregierung hatte diese Herangehensweise am Wochenende abgelehnt.

In Bankenkreisen heißt es, die Regierung habe vor allem verhindern wollen, dass Deutschland als größtes EU-Mitglied die Rettung von Banken kleinerer Staaten überproportional mittragen müsse. Grundsätzlich sei man in Berlin aber nach wie vor offen für einen europäischen Plan. Einig ist man sich in Brüssel und Berlin, dass auch in Europa die Bilanzierungsvorschriften für Banken gelockert werden sollen, nachdem die USA ihren Kreditinstituten vergangene Wochen neuen Spielraum bei der Bewertung von Wertpapieren gegeben hatte.

Offenbar hat es zwischen Finanzministerium, Bundesbank, der Finanzaufsicht Bafin und führenden Vertretern der Kreditwirtschaft bereits erste Gespräche über einen deutschen Notfallplan gegeben. Die Überlegungen befinden sich jedoch in einem frühen Stadium. In Bankenkreisen hieß es, bis ein Plan stehe, könnten noch einige Wochen vergehen.

"Eine Möglichkeit wäre es, dass der Staat den Banken nach amerikanischem Vorbild Kredite abkauft", sagte Bankenprofessor Martin Faust von der Frankfurt School of Finance. Jan-Pieter Krahnen von der Universität Frankfurt weist darauf hin, dass die Schwierigkeiten der deutschen Banken anders als in den USA nicht in erster Linie in einem hohen Abschreibungsbedarf für faule Kredite lägen. Es gebe vielmehr Refinanzierungsprobleme, weil viele deutsche Kreditinstitute stark auf den Interbankenmarkt angewiesen seien, der jetzt praktisch zum Erliegen gekommen ist.

Der Kollaps des Interbankenmarktes hatte auch die Hypo Real Estate zu Fall gebracht. Am Sonntagabend hatten Bund und Banken aller Lager sich auf ein neues Rettungspaket geeinigt. Demnach weiten die Banken ihre Kreditlinie für die HRE von 15 auf 30 Milliarden Euro aus. Mit einem Kunstgriff verhindern Bund und Banken, dass einer von beiden die ursprünglich vereinbarte Ausfallbürgschaft erhöhen muss. Es bleibt bei einem Bürgschaftsrahmen von 35 Milliarden Euro, wovon Banken und Versicherungen 8,5 Milliarden Euro tragen.

Dennoch konnten die Banken ihren Kreditrahmen erweitern, weil die Europäische Zentralbank indirekt eine Garantie übernimmt. Sie akzeptiert in größerem Umfang Vermögenswerte der HRE als Sicherheit, so dass diese stärker beliehen werden können. "Es ist eine gesichtswahrende Lösung für alle", sagte ein Bankenvertreter.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.521758
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 07.10.2008/jkr
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.