Hilfe für Griechenland:Angst vor der Viererbande

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Vier Wissenschaftler klagen gegen die Griechenlandhilfe. Sie haben recht, werden aber wohl nicht recht bekommen - denn das Bundesverfassungsgericht ist nicht zuständig.

Heribert Prantl

Die Bundesregierung hat Angst vor der Viererbande. Nicht zuletzt dieser Viererbande wegen soll das Gesetz über die Griechenlandhilfe möglichst akkurat durch den Bundestag gebracht werden.

Die Viererbande fühlt sich in ihrer Euro-Kritik bestätigt und will mit dem Rückenwind der Griechenland-Krise erneut klagen. (Foto: Foto: AP)

Die Viererbande hat nämlich Klage angekündigt, und Merkel, Schäuble & Co wollen verfassungsrechtliche Risiken ausschließen - es sind ja schon jetzt die politischen Risiken groß genug. Die Viererbande hat schon einmal zugeschlagen, vor zwölf Jahren. Damals klagte sie: mit einer 392-Seiten-Schrift in Karlsruhe gegen den Euro.

Die Klage war zwar vergeblich, sie wurde von allen acht Richtern des zweiten Senats als "offensichtlich unbegründet" abgewiesen. Aber: Mittlerweile sind einige der Befürchtungen der Viererbande eingetreten.

Sie hatte bestritten, dass der Euro funktionieren kann, wenn es keine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik gibt. Sie hatte behauptet, der Euro mache aus einer Europäischen Gemeinschaft auf Gedeih eine auf Verderb. Sie hatte befürchtet, dass schwache Volkswirtschaften den Euro in den Abgrund reißen könnten - zum Schaden jener, welche die deutsche Mark besaßen.

Die Viererbande fühlt sich nun bestätigt und will mit dem Rückenwind der Griechenland-Krise erneut klagen.

Die Viererbande besteht aus dem Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider, dem früheren Zentralbanker Wilhelm Nölling sowie den Wirtschaftswissenschaftlern Joachim Starbatty und Wilhelm Hankel.

Auf welcher Basis argumentieren sie? Auf die Verletzung welchen Verfassungsartikels wollen sie sich stützen? Aus ihrer dereinst abgewiesenen Klage gegen den Euro können sie wenig Hoffnung saugen.

Der Beschluss des Verfassungsgerichts zum Euro ist der zurückhaltendste Karlsruher Spruch zu EU-Angelegenheiten, den es je gegeben hat.

Heikle Passage im Maastricht-Urteil

Damals erklärten die Richter, dass es sich bei der Einführung des Euro um eine politische, nicht um eine juristische Entscheidung handele: Karlsruhe lehnte es also ab, sich zum Zensor der EU-Währungspolitik aufzuschwingen. Der Staat könne, sagten die Richter, wegen zahlreicher Einflussfaktoren den Geldwert nicht verfassungsrechtlich garantieren. Inflationsgefahr, wie sie die Viererbande wegen der Griechenlandhilfe an die Wand malt, ist nach dieser Rechtsprechung keine Grundrechtsverletzung; der Euro verletzt die Eigentumsgarantie nach Artikel 14 Grundgesetz nicht.

Heikel für die Bundesregierung ist allerdings das Maastricht-Urteil des Verfassungsgerichts von 1993 zur Währungsunion. Die heikle Passage dieses Urteils macht Ausführungen zum damaligen Artikel 104 b des EG-Vertrages, der die Übernahme von Schulden einzelner Mitgliedsstaaten durch die Gemeinschaft verbietet (jetzt Artikel 125 Absatz 1 des Lissabon-Vertrages).

Am Ende der Darlegungen des Gerichts heißt es: "Diese Konzeption der Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft ist Grundlage und Gegenstand des deutschen Zustimmungsgesetzes. Sollte die Währungsunion die bei Eintritt in die dritte Stufe vorhandene Stabilität nicht kontinuierlich im Sinne des vereinbarten Stabilisierungsauftrages fortentwickeln können, so würde sie die vertragliche Konzeption verlassen." Das heißt: Die Währungsunion bewegt sich dann jenseits des Vertrages, "ultra vires", wie Fachleute sagen. Das Verfassungsgericht kündigte an, in einem solchen Fall einzugreifen.

Das gilt aber nur für eine Kompetenzanmaßung der EU oder der Währungsunion - und diese Kompetenzanmaßung kann in Karlsruhe nur verhandelt werden, wenn der deutsche Gesetzgeber in Umsetzung entsprechender rechtlicher Vorgaben der EU handelt.

Genau das will die Bundesregierung vermeiden (wohl auch um die Gefahr aus Karlsruhe zu bannen). Der deutsche Gesetzgeber will nicht aufgrund einer EU-Vorgabe, sondern in originärer Kompetenz Hilfe für Griechenland leisten. Damit verstößt er zwar gegen EU-Recht; doch dieser Verstoß ist nicht in Karlsruhe, sondern beim EU-Gericht in Luxemburg zu rügen.

Die Viererbande hat also recht, wenn sie sich auf die Verletzung von EU-Recht beruft, sie bekommt aber mit größter Wahrscheinlichkeit nicht recht. Das Karlsruher Verfassungsgericht wird die Klage wegen fehlender Zuständigkeit abweisen. Und das Luxemburger EU-Gericht wird sie in seiner Europafreundlichkeit kaum für begründet erklären.

© SZ vom 27.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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