Süddeutsche Zeitung

Herz Jesu:Dem Himmel so nah

Die katholische Pfarrkirche in Mönchengladbach wurde 2009 verkauft und zu Wohnungen umgebaut. Das war ein schwieriges Projekt, aber die Mieter sind zufrieden.

Von Sabine Richter

Seit 2007 wird in der katholischen Pfarrkirche Herz Jesu in Mönchengladbach keine Messe mehr gelesen. Durch die Zusammenlegung von zwei Kirchengemeinden wurde die 1903 geweihte neugotische Backsteinbasilika nicht mehr benötigt. Die Gemeinde konnte die Kosten für den Unterhalt des Gebäudes nicht mehr tragen und entschloss sich zum Verkauf. Die Firma Schleiff Denkmalentwicklung aus Erkelenz erwarb die Kirche im Oktober 2009 einschließlich eines herausparzellierten Grundstücksteils und entwickelte ein Konzept für Umbau und Umnutzung. Die Projektentwickler hatten einschlägige Erfahrung: Sie hatten bereits in Aachen die Kirche St. Alfons zu einem Bürogebäude umgebaut.

Von außen ist kaum erkennbar, dass das Kirchengebäude jetzt nicht mehr als Gotteshaus dient. Die Fassade des denkmalgeschützten Baus ist komplett erhalten, dahinter finden sich nun auf vier Ebenen 23 moderne, gut ausgestattete Wohnungen, 52 bis 82 Quadratmeter groß. Sie verteilen sich im ehemaligen Chorraum und im Querhaus des Kirchenbaus auf einer Gesamtfläche von 1560 Quadratmetern. Zinsverbilligte Darlehen der NRW Bank in Höhe von 2,3 Millionen Euro sind in den Umbau geflossen: Deshalb sind die Mieten auch trotz des ungewöhnlichen Ambientes bezahlbar: der Quadratmeter kostet 4,85 Euro. Im Inneren dient das alte Mittelschiff mit seinem freiliegenden Kreuzrippengewölbe der Erschließung; die sakrale Atmosphäre lässt sich immer noch erspüren. Zu den Wohnungen gelangt man über Treppen und offene Galerien sowie einen gläsernen Aufzug.

Das ortsansässige Architekturbüro B 15 hat bewusst auf moderne Baustoffe wie Glas und Stahl und auf viel Farbe gesetzt. Die hölzernen Wände leuchten in kräftigem Grün, Blau, Türkis, Gelb oder Ocker und stehen in Dialog mit den historischen Bleiglasfenstern, Strebebögen, Säulen und Gesimsen. Auf den Galerien wurden die alten Natursteinplatten des Kirchenbodens wiederverwendet. Die Erdgeschosswohnungen verfügen über separate Terrassen mit Gartenzugang, die Mieter der Obergeschoss-Wohnungen können eigene Gärten nutzen.

Bei der Umwandlung ist vieles zu beachten - Barrierefreiheit, Brand- und Schallschutz

"Das Konzept haben wir in ausführlichen und langwierigen Beratungen mit der Kirchengemeinde und den zuständigen städtischen Behörden erarbeitet. Wir mussten sehr viele Leute mitnehmen", sagt Georg Wilms, einer der geschäftsführenden Gesellschafter der Firma Schleiff Denkmalentwicklung aus Erkelenz. "Die Umwandlung einer Kirche ist nicht nur mit vielen Emotionen verbunden, sie stellt für private Projektentwickler eine ziemliche Herausforderung dar", sagt er. Anders als in anderen europäischen Ländern seien die baurechtlichen Auflagen hierzulande sehr aufwendig und teuer. Deshalb könne man diese Form der Umnutzung in Deutschland an zwei Händen abzählen. Beim Zuschnitt der Wohnungen waren die Anforderungen der Wohnbauförderungsbestimmungen hinsichtlich der Wohnungsgröße und Barrierefreiheit zu beachten. Schwieriger ging es beim Denkmal- und Brandschutz zu, hinzu kamen komplizierte Fragen des Schallschutzes, der Belichtung und auch des Urheberrechts von Künstlern, die die Kirche ausgestattet hatten. Um das äußere und innere Erscheinungsbild der Kirche nicht zu verlieren, wurde eine innovative Bauweise genutzt - das Haus-in-Haus-Konzept. Dank der Holzrahmenbauweise, die vor die tatsächlichen Wände gesetzt wird, konnte das ursprüngliche Gebäude vollständig erhalten bleiben.

Da nur lückenhafte und ungenaue Bestandspläne vorlagen, wurde die Fachhochschule Köln mit einem Laser-Aufmaß beauftragt. "Da haben wir festgestellt, dass wir das Fußbodenniveau absenken mussten, um überhaupt sinnvolle Geschosshöhen in den Seitenschiffen zu erreichen", berichtet Wilms. "Aber insbesondere haben uns die restriktiven deutschen Brandschutzbestimmungen zu schaffen gemacht." Da die Landesbauordnung die Errichtung von Holz-Geschosswohnungsbau in dieser Höhe nicht zuließ, erarbeitete der Brandschutzingenieur ein Konzept auf der Grundlage der Musterbauordnung in Verbindung mit der Holzbaurichtlinie. "Das Brandschutzkonzept machte den Einbau einer teuren Überdruckanlage notwendig, die im Fall eines Feuers den Rauch in den Wohnungen halten soll, damit das ehemalige Mittelschiff als zweiter Rettungsweg von der Feuerwehr genutzt werden kann. Ohne Quersubventionierung durch den Bau von elf Wohneinheiten mit Tiefgarage auf dem Kirchengrundstück und den Neubau des Jugendheimes für die Kirchengemeinde wäre die Gesamtfinanzierung nicht möglich gewesen."

Viele Bürger freuen sich, dass wieder Leben in das Gebäude einkehrt

Auch der Austausch der Fenster war anspruchsvoll. "Wir haben eine Lösung gefunden, wie der obere Teil der Kirchenfenster abgefangen und erhalten bleiben konnte, während der untere Teil ausgetauscht wurde", sagt Wilms.

Das energetische Konzept beinhaltet unter anderem die Nutzung von Erdwärme, ergänzt um Gas-Brennwertthermen, Fußbodenheizung, zentrale Warmwasseraufbereitung, Regen- und Grauwassernutzung sowie eine Foamglas-Innendämmung. Durch das Wiederaufbereiten des Grauwassers konnte der Abwasserverbrauch ohne Komfortverlust um 50 Prozent reduziert werden.

"Die Mieter sind zufrieden, haben ein gutes Miteinander, das Projekt rechnet sich", sagt Wilms zufrieden. Die inzwischen mehrfach preisgekrönte Umnutzung stößt auch bei den Bürgern auf großes Interesse und Anteilnahme. "Viele Menschen haben mir erzählt, dass sie in dieser Kirche getauft, gefirmt oder getraut wurden und dass sie sich gefreut haben, dass hier wieder Leben einkehrt", berichtet Georg Wilms. Vor Beginn der Umbauarbeiten hatten die Bürger von Mönchengladbach bei einer Musikveranstaltung die Gelegenheit, sich von ihrer Kirche zu verabschieden.

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Quelle:
SZ vom 26.03.2016
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