Herr der Milliarden:Ein Deutscher wird oberster Euro-Retter

Lesezeit: 3 min

Der frühere EU-Generaldirektor Klaus Regling soll das Euro-Hilfspaket verwalten.

S. Boehringer, H. Einecke, C. Gammelin und A. Hagelüken

Der Deutsche Klaus Regling soll Chef der Gesellschaft werden, die bis zu 440 Milliarden Euro zur Rettung des Euro bereitstellt. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ist der ehemalige EU-Generaldirektor Favorit unter drei Kandidaten. Reglings Aufgabe wäre es, die Aufnahme von Krediten für das größte Hilfspaket der Währungsunion zu kontrollieren, eine Schlüsselrolle. Derzeit werde bereits über das Gehalt verhandelt, hieß es von Diplomaten.

EU-Rettungspaket: Die Garantien der Euro-Staaten in Milliarden. (Foto: online.sdewirtschaft)

Die Finanzminister der Euro-Staaten unterzeichneten einen Vertrag für das Rettungspaket, das insgesamt 750 Milliarden Euro umfasst. Unter Druck geratene Euro-Staaten mit hohen Schulden wie Italien, Griechenland oder Spanien sollen Kredite bekommen, um eine Staatspleite abzuwenden.

Der 59-jährige Regling war von 2001 bis 2008 als Generaldirektor Wirtschaft und Finanzen der EU-Kommission für das Management der Währungsunion und die Einhaltung des Stabilitätspakts verantwortlich. Dabei hatte der parteilose Beamte keine Scheu, sich mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) anzulegen, der ihn für den Posten empfohlen hatte.

Strafverfahren gegen die Bundesrepublik

Regling setzte ein Strafverfahren gegen die Bundesrepublik durch, weil sie die Defizitgrenze von drei Prozent verletzt hatte - für die Regierung eine Blamage, weil Deutschland einst die Grenze als Mechanismus gegen hohe Schulden südlicher Euro-Staaten durchgesetzt hatte.

Kontroversen erlebte Regling bereits zuvor. In den Neunziger Jahren diente er als Abteilungsleiter im Finanzministerium, bis er sich 1999 mit dem damaligen Finanzminister Oskar Lafontaine überwarf. Lafontaine hatte mit Plänen für festere Wechselkurse und anderes den Unwillen der US-Regierung und anderer Staaten erregt. Regling schied aus dem Ministerium aus und managte für einige Jahre in London einen Risikofonds.

Unterdessen äußerten sich führende Ökonomen abwartend bis skeptisch über das Garantiepaket der Euro-Länder, das der Stabilisierung des Euro und der hoch verschuldeten Südstaaten der Währungsunion dient. "Die Staatengemeinschaft kauft damit nur Zeit. Dies macht nur dann Sinn, wenn die Peripherieländer die Zeit nutzen und ihre Haushalte sanieren und ihre Volkswirtschaften modernisieren", sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.

Steigende Zinsen für gefährdete Länder

Zwar ist der Sinkflug der Gemeinschaftswährung zunächst gestoppt worden, der Euro hielt sich über der Marke von 1,19 Dollar. An den für die Finanzierung der Staaten wichtigen Anleihemärkten verminderten sich die Zinsen für gefährdete Länder wie Portugal, Spanien, Irland oder Griechenland aber kaum. Teils stiegen sie sogar leicht.

Mit 8,3 Prozent muss Griechenland in der Euro-Zone nach wie vor die höchsten Zinsen auf langfristige Schulden zahlen, gefolgt von Portugal mit 5,3 Prozent und Irland mit 5,2 Prozent. Aber auch große Schuldnerländer wie Spanien und Italien sind mit 4,6 beziehungsweise 4,3 Prozent weit stärker belastet als etwa Deutschland, das seine zehnjährigen Bundesanleihen nur mit 2,5 Prozent verzinsen muss.

"Die höchste Zinslast mit 70 Milliarden Euro 2010 muss Italien schultern", sagt Andreas Rees, Chefvolkswirt für Deutschland bei Unicredit. Das entspricht fast fünf Prozent der Wirtschaftsleistung und hat damit eine ähnliche Größenordnung wie Griechenland. Noch einigermaßen im Griff sind die Lasten bei Spanien. Das Land gehört zu den EU-Staaten mit der höchsten Neuverschuldung. "Aber die Gesamtschulden vor der Krise waren moderat, was die Zinslast unter zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts hält", erklärt Rees.

Deutsche Finanzagentur hilft aus

"Die Vereinbarung der EU-Finanzminister ist ein großer Schritt zu mehr finanzieller Solidarität in der Euro-Zone. Aber es fehlen noch die wichtige Details, dann beruhigen sich die Kurse auch wieder", meint Guillaume Menuet, leitender Europa-Ökonom bei der Bank of America. Eines dieser Details lieferte Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen. Die deutsche Finanzagentur werde im Bedarfsfall für Hilfe suchende Euro-Staaten Anleihen auflegen und vertreiben, erklärte Asmussen.

Wenn alles gutgeht, also alle Länder dank des Garantieschirms zahlungsfähig bleiben und sich weiter über die Kapitalmärkte finanzieren können, kostet der Rettungsschirm wenig mehr als die Einrichtung von Reglings Amt zur Bereitstellung von Notkrediten. Im schlimmsten Fall reicht das Geld bis nächstes Jahr, meint Chefvolkswirt Krämer von der Commerzbank. "Wenn alle Peripherieländer inklusive Italiens keinen Zugang mehr zum Anleihemarkt hätten, dann würden die 750 Milliarden Euro ausreichen, um bis Herbst 2011 sowohl die Haushaltsdefizite als auch die Tilgungen der Länder zu finanzieren", so Krämer.

Noch sind alle Euro-Staaten am Markt aktiv. Die nächste Nagelprobe könnte Portugal bevorstehen. Das Land hat für Juli eine neue Milliarden-Anleihe angekündigt. Die Griechen wollen nach mehrwöchiger Abstinenz noch im Juni testen, ob sie für ein kleines Volumen kurz laufender Titel ohne Hilfe Käufer finden.

© SZ vom 09.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: