Heimliche Hitparade:Die Songs der Krise

Die Finanzkrise erreicht Dimensionen, die nur musikalisch zu ertragen sind: Protagonisten der Finanzszene und die Songs, die sie nie singen werden in Bildern.

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Richard Fuld (links), AC/DC, Fotos: beide AP

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Tim Wheeler, Chef der britischen Immobilienfirma Brixton, ist verzweifelt: Sein Unternehmen hat wegen der Finanzkrise 300 Millionen Euro verloren. Den neuen Geschäftsbericht schmücken deshalb ein Bild der vier Reiter der Apokalypse - und Zeilen aus dem Bob-Dylan-Song All Along The Watchtower: ,,There's too much confusion/I can't get no relief'' (Hier herrscht zuviel Verwirrung / Ich finde keine Erlösung). Wheeler hat recht: Die internationale Finanzkrise erreicht solche Dimensionen, dass sie endlich musikalisch auf den Punkt gebracht werden muss. Darum: Lied-Zeilen, die von Akteuren der Finanzkrise längst fällig wären - aber niemals von ihnen zu hören sein dürften.

Richard Fuld & AC/DC "I'm on the highway to hell"

Richard Fuld (Foto links) muss sich auf der Straße zur Hölle fühlen, die die Schwermetaller von AC/DC in ihrem Klassiker-Album von 1979 besangen. An der Wall Street wird getuschelt, Vorstandschef Fuld habe bei der Bank Lehman Brothers im dritten Quartal 1,8 Milliarden Dollar Verlust eingefahren.

Zusammen mit dem bereits gemeldeten Minus hätte die viertgrößte amerikanische Investmentbank damit dieses Jahr mehr verloren, als sie im gesamten Jahr 2007 verdient hat. 4,5 Milliarden Dollar weg - einfach so.

Die Bank ist so angeschlagen, dass ein paar Analysten-Kommentare genügen und der Aktienkurs bricht ein. Um dem Fegefeuer zu entgehen, will Fuld loswerden, was er sich eingebrockt hat: ein Riesen-Paket Immobilien und Kreditpapiere. Doch keiner will es haben. Was Fuld jetzt braucht, ist eine Kapitalspritze - oder einen feuerfesten Anzug.

Fotos: beide AP

Stan O'Neal (links), Michael Jackson, Fotos: beide AP

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Stan O'Neal & Michael Jackson "You know I'm bad"

Die Investmentbank Merrill Lynch musste wegen der Finanzkrise 8,4 Milliarden Dollar abschreiben. Als Vorstandschef Stan O'Neal (Foto links) deshalb gehen musste, nahm er eine Abfindung von 175 Millionen Dollar mit.

Ob er sich schlecht vorkommt, richtig schlecht, weil er eine der größten Banken der USA fast gegen die Wand gefahren hatte und trotzdem viel Geld kassierte, würde man natürlich gerne wissen. Doch ein Bekenntnis, wie es Michael Jackson 1987 auf der gleichnamigen Platte "Bad" vorsang, hat O'Neal bisher vermieden. Der Sohn eines Baumwollfarmers, der sich zu einem der mächtigsten Banker der Wall Street hinaufgearbeitet hatte, schweigt seit seinem Sturz eisern.

Sorgen machen muss man sich um ihn nicht: Zusätzlich zu seiner Abfindung strich O'Neal vergangenes Jahr 46,4 Millionen Dollar Gehalt und Bonus ein. Not bad.

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Josef Ackermann (links), Beatles, Fotos: AP, dpa

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Josef Ackermann & The Beatles "Help! I need somebody"

Man kannte Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann (Foto links) als Erzkapitalisten. Staatlicher Einfluss? Bloß nicht! Bis zu diesem Frühjahr. Als sich die Verluste der Banken rund um den Globus auftürmten, stimmte der Hobby-Opernsänger Ackermann plötzlich neue Töne an - er rief um Hilfe, wie einst die Beatles.

Josef Ackermann, der seine Arien gerne unter der Dusche singt, hörte sich im Frühjahr sehr nach dem millionenfach verkauften Klassiker "Help" an. Er brauchte jemand und zwar "not just anybody", wie es bei den Beatles heißt.

Ackermann wollte die Hilfe des Staates für die Finanzbranche - da darf es schon mal Lennon/Mc Cartney statt Giuseppe Verdi sein. Allerdings fühlte sich Ackermann nach einem Aufruhr um seine Worte missverstanden.

Fotos: AP, dpa

Jérôme Kerviel (links), Edith Piaf, Fotos: AP, dpa

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Jérôme Kerviel & Edith Piaf "Non, je ne regrette rien"

Eine schöne, rauchige Stimme wie Edith Piaf hat Jérôme Kerviel (Foto links) nicht, aber seine Werke schallen auch so in alle Welt. Der Franzose ist für viele der Spekulant der Subprime-Zeit, seit er bei seiner Bank Société Générale sagenhafte 4,9 Milliarden Euro verzockt hat.

Das Beste: Ein zerknirschtes Schuldgeständnis hat man von ihm bisher nicht gehört. Er bereut nichts. Die Mehrheit der gerne linksgewirkten Franzosen hält ihn laut einer Umfrage gar für unschuldig.

Der Händler ist längst zum Star, zum "Che Guevara der Finanzen" erkoren worden. Die Tat Kerviels hat für viele Menschen einen ungewöhnlichen Charme. Denn er hat der Fratze des Kapitalismus den Mittelfinger gezeigt, so sieht es die linke Salon-Schickeria. Deswegen hat er nach ihrer Meinung zu Recht kein Schuldbewusstsein. Ob er damit auf Dauer durchkommt, wird noch zu hören sein.

Fotos: AP, dpa

John Paulson (links), Abba, Fotos: Reuters, AP

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John Paulson & Abba "The winner takes it all"

3,7 Milliarden Dollar - so viel hat der amerikanische Hedgefonds-Manager John Paulson (Foto links) im vergangenen Jahr verdient. Denn: Er war schlauer als andere und sah den US-Immobiliencrash voraus.

Während Banken und Aktionäre Milliarden verloren, strich er dick Geld ein. Mehr Geld, als vermutlich jemals jemand in einem Jahr an der Wall Street verdient hat. Er ist der Held, der Gewinner.

Wie die vier freundlichen Schweden von Abba schon in den achtziger Jahren wussten: "The winner takes it all". Wer hätte bei einer Tagesgage von 10.200 Dollar kein Liedchen auf den Lippen, wer würde nicht trällernd durch New York laufen? Eben. Doch Obacht, Herr Paulson: Die Platte war das erfolgreichste Album von Abba, verkaufte sich über zehn Millionen Mal. Nach diesem Album ging es für Abba nur noch abwärts.

Fotos: Reuters, AP

Ingrid Matthäus-Meier (links), Wolfgang Petry, Fotos: beide ddp

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Ingrid Matthäus-Meier & Wolfgang Petry "Wahnsinn, warum schickst du mich in die Hölle?"

Ingrid Matthäus-Meier (Foto links) kam sich vor wie im falschen Film. Nach nur zwei Jahren als Chefin der Staatsbank KfW sollte sie zurücktreten? Als ob vor allem sie für die Schwierigkeiten der Tochterbank IKB verantwortlich wäre, die eine milliardenschwere Rettungsaktion nötig machten.

Doch als die Rücktrittsforderungen nicht abrissen, gab sie im April 2008 auf. "Ich will nicht länger den Kopf hinhalten", sagte sie, und vermutlich hätte sie dem stänkernden Wirtschaftsminister Michael Glos am liebsten Wolfgang Petrys Mallorca-Dauerhit "Wahnsinn" entgegengeschleudert. Denn so richtig hatte sie immer noch nicht verstanden, warum sie an den IKB-Problemen schuld sein sollte. Das schrieb sie auch in einem Brief an die Mitarbeiter. Wie Petry weiter singt: "Mein Stolz liegt längst schon auf dem Müll."

Fotos: beide ddp

Ben Bernanke (links), Louis Armstrong, Fotos:  AP, dpa

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Ben Bernanke & Louis Armstrong "Nobody knows the trouble I've seen"

Es klang wie ein Traumjob: Vor zwei Jahren beerbte Ben Bernanke (Foto links) Alan Greenspan auf dem Posten des US-Zentralbankchefs. Greenspan, den Magier, den legendenumworbenen Herrscher der internationalen Finanzmärkte, der seine Zinsentscheidungen in der Badewanne austüftelte.

Ben Bernanke dagegen ist längst im Strudel der Finanzkrise untergegangen. Wenn er einen guten Freund hat, wird er ihm versichern, dass niemand sich die Schwierigkeiten vorstellen kann, die ihm die Krise bereitet - und die ihm sein Vorgänger Greenspan mit eingebrockt hat, weil er die Märkte mit billigem Geld flutete.

Hört er dazu ein paar traurige Trompetentöne von Louis Armstrong, der den Gospelsong schwarzer Sklaven in seiner berühmten Coverversion interpretiert hat? Niemand weiß es.

Fotos: AP, dpa

Georg Funke (links), Elton John, Fotos: dpa, AFP

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Georg Funke & Elton John

"Sorry seems to be the hardest word" Die Anleger hätten es so gerne gehört. Ein kleines "Es tut mir leid". Oder einfach "Entschuldigung". Doch Georg Funke (Foto links), Chef des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE), dachte gar nicht dran.

Zu aller Überraschung verkündete er im Januar, dass die HRE fast 400 Millionen Euro abschreiben müsse. Und das, wo Funke doch noch kurz zuvor verkündet hatte, mit der Subprimekrise habe man kaum etwas zu schaffen. Tja, das stimmte aber nicht.

Entschuldigen wollte er sich trotzdem nicht. Sorry war für ihn das schwerste Wort, wie schon Elton John 1976 auf seinem Album "Blue Moves" geahnt hatte. Während Elton John im Songverlauf weiter fragt: "Was soll ich tun, damit du mich liebst?", ließ Funke Kontaktversuche der erbosten Aktionäre an sich abprallen.

Fotos: dpa, AFP

Michael Diekmann (links), Stereo Total, Fotos: AP, Simgil

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Diekmann & Stereo Total "Am schönsten bist du, wenn du gehen musst"

Liebende verzehren sich vor allem dann nach einander, wenn sie getrennt sind. Wer wüsste das besser als Michael Diekmann (Foto links).

Der Allianz-Chef ist seit 2001 mit der Dresdner Bank verheiratet. Was aus Leidenschaft begann, kühlte rasch ab. Irgendwann, als er mal wieder über die Bank grübelte, ertappte sich Diekmann womöglich dabei, wie er eine Melodie der Berliner Band Stereo Total summte: "Du bist schön von hinten."

Und er sagte sich vielleicht mit Sängerin Françoise Cactus: "Am schönsten bist du, wenn du gehen musst!" Michael Diekmann schnippte mit den Fingern und stellte die Dresdner Bank zum Verkauf.

Doch wie es so ist im Leben: Er hat zwar beschlossen, sich zu trennen, doch der Abschied ist aus verschiedenen Gründen schwer. Drum steht seine Braut noch immer an seiner Seite - vorerst.

Fotos: AP, Simgil Texte: Alexander Hagelüken, Martin Hesse, Alexander Mühlauer, Marc Steinhäuser, Hanna Wilhelm

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