Hauskredit:Ruhiger schlafen

Einfamilienhaus in Egenhofen, 2017

Wenn der Hauskredit ausläuft, haben viele Eigentümer noch Restschulden und müssen entscheiden, wie es mit der Finanzierung weitergeht.

(Foto: Johannes Simon)

Mit Forward-Darlehen können sich Immobilienkäufer die niedrigen Zinsen für künftige Kredite sichern. In den vergangenen Jahren haben davon aber nicht die Kunden, sondern mehr die Banken profitiert.

Von Simone Gröneweg

Mal rauf, mal runter: Die Bauzinsen zeigten sich in den vergangenen Wochen volatil. Im März erreichten sie ein neues Allzeittief, danach ging es wieder nach oben. Der Biallo-Index für zehnjährige Baufinanzierungen notierte zuletzt bei einem Durchschnittszins von 0,78 Prozent. Der Index stellt den Durchschnittswert aller an das Portal gemeldeten Angebote dar.

Damit ist das Baugeld immer noch extrem billig. Grund genug für Immobilieneigner, deren Zinsbindung in einigen Monaten ausläuft, trotz aller Unsicherheiten in die Zukunft zu blicken. Sie können schon jetzt ihre Anschlussfinanzierung festzurren. Viele Banken bieten die Möglichkeit an, sich die aktuellen Zinsen bis zu zwölf Monate kostenlos zu reservieren. "Wer erst kurz vor Ablauf der Zinsbindung über seine Anschlussfinanzierung nachdenkt, ist vielleicht zu spät dran", warnt Thomas Hein, Leiter Vertrieb Immobilienfinanzierung bei der Direktbank ING Deutschland. Das kann sich als Nachteil herausstellen, denn nicht immer kommt von der Hausbank das günstigste Angebot.

Wer keine Zeit hat, entsprechende Vergleichsofferten von verschiedenen Geldhäusern einzuholen, verschenkt unter Umständen viel Geld.

Zinsunterschiede machen sich vielleicht nicht auf den ersten Blick, aber sicher auf Dauer bemerkbar. Ein Beispiel: Kostet ein Kredit über 200 000 Euro statt 1,0 Prozent zum Beispiel 1,3 Prozent, kommen jährlich 600 Euro Extrakosten zusammen. Das summiert sich im Laufe der Zeit.

Manche Immobilienkäufer oder Bauherren planen weit voraus. Die Finanzbranche hat dafür ein passendes Produkt kreiert: das Forward-Darlehen. Dabei handelt es sich um ein Annuitätendarlehen, das erst nach einer bestimmten Zeit ausgezahlt wird. Der Kunde unterschreibt den Vertrag sofort, ruft das Geld aber erst in einigen Jahren ab. Im Extremfall liegt diese Vorlaufzeit sogar bei fünf Jahren.

Je weiter die Anschlussfinanzierung in der Zukunft liegt, desto höher sind die Gebühren

Das Interesse an dieser Kreditvariante hat in den vergangenen Wochen zugenommen. Der Baugeld-Vermittler Dr. Klein Privatkunden AG wertet regelmäßig die Baufinanzierungsdaten für Deutschland aus. Die Analysen zeigen, dass der Anteil der Forward-Darlehen an den Baufinanzierungen hierzulande seit Beginn dieses Jahres sukzessive gestiegen ist. Im März lag der Anteil bei acht Prozent, im Februar waren es noch 6,5 Prozent.

Geschenkt bekommen die Kreditnehmer die niedrigen Zinsen aber nicht, sie müssen dafür einen Zinsaufschlag zahlen. Grundsätzlich gilt: Je länger die Vorlaufzeit, desto spekulativer das Ganze und desto höher sind in der Regel die Gebühren. Die fallen derzeit aber nicht allzu hoch aus. Bei einer Vorlaufzeit von 24 Monaten liegen die Aufschläge für ein zehnjähriges Hypothekendarlehen durchschnittlich bei unter 0,3 Prozentpunkten. Möchte sich jemand den Kredit drei Jahre im Voraus sichern, zahlt er im Schnitt unter 0,5 Prozentpunkten zusätzlich.

Wer sich für diese Darlehensvariante entscheidet, sollte auch weitere Punkte bedenken, etwa die Sondertilgung. Gerade dann, wenn Erbschaften oder Boni in Aussicht stehen, hilft diese Möglichkeit, den bisherigen Schuldenberg schneller abzutragen. Wer mit schwankendem Einkommen rechne, solle sich Anpassungsmöglichkeiten bei der Tilgungsrate sichern, rät zudem der Verband der Privaten Bauherren. Und wer seine Anschlussfinanzierung mit einem Forward-Darlehen regelt, sollte sicher sein, dass er die Immobilie noch länger behält. "Ich hatte schon Immobilieneigner in der Beratung, die haben frühzeitig ein Forward-Darlehen abgeschlossen und später dann doch verkauft", erzählt Anke Behn, Finanzexpertin bei der Verbraucherzentrale Bremen. Die Betroffenen hätten eine fünfstellige Vorfälligkeitsentschädigung zahlen müssen - das sei ärgerlich gewesen. Ob die Absicherung der Zinsen wirtschaftlich sinnvoll war, weiß man leider erst hinterher. "Das Ganze lohnt sich nur dann, wenn die Zinsen in Zukunft höher liegen als der vereinbarte Zins plus Absicherungsprämie", verdeutlicht Behn. In den vergangenen Jahren sei die Wette nicht aufgegangen. Die immer wieder erwartete Zinswende trat nicht ein.

Ob die Zinsen in der Zukunft steigen oder fallen, kann niemand voraussagen. "Das lässt sich mit dem Blick in die berühmte Glaskugel vergleichen", meint Alexander Krolzik von der Verbraucherzentrale Hamburg. Bei dem derzeitigen Zinsniveau gebe es nicht mehr viel Spielraum nach unten, aber eine Prognose über einen längeren Zeitraum sei immer schwierig, ergänzt er. Die Analysten der Deutschen Bank und der Postbank erwarten, dass die Zinsen sich bis Ende 2021 eher seitwärts bewegen. Sie verweisen auf sinkende Inflationsraten und die umfangreichen geldpolitischen Maßnahmen der Notenbanken. "Es ist aktuell eher nicht davon auszugehen, dass die Europäische Zentralbank den Leitzins in absehbarer Zeit erhöht", meint Thomas Hein von der ING ebenfalls.

Manche Käufer wollen vor allem Planungssicherheit. Andere warten lieber ab

Allerdings beeinflussen auch die Anleihenmärkte die Zinsen. Banken, die Baugeld verleihen, finanzieren sich in der Regel über Pfandbriefe. Deren Verzinsung orientiert sich unter anderem an den Renditen der Bundesanleihen. Steigen die, verteuert sich auch das Baugeld. "Derzeit sehen wir noch ein Hin und Her", erklärt Max Herbst von der FMH-Finanzberatung. Künftig könnte es jedoch etwas nach oben gehen, sagt er. Wenn die Staatsverschuldung angesichts der Coronakrise deutlich steigt, kann sich das auf die Bonität Deutschlands auswirken. Anleger könnten bei den Bundesanleihen zurückhaltender werden. Damit würden deren Kurse unter Druck geraten und im Gegenzug die Renditen anziehen, was am Ende auch zu etwas höheren Bauzinsen führen würde. "Das Zinsniveau wird sich nicht massiv verändern", betont der Baufinanzierungsexperte Hein. Zwischendurch könne es aber immer wieder zu kleineren Ausschlägen kommen.

Am Ende geben vor allem die persönliche Motivation und das eigene Sicherheitsbedürfnis den Ausschlag für einen solchen Kredit. "Wer seine Anschlussfinanzierung unter Dach und Fach hat, kann vielleicht ruhiger schlafen, weil er sich darüber keine Gedanken mehr machen muss", beschreibt die Verbraucherschützerin Behn die Vorteile des Forward-Darlehens. Auch Baufinanzierungsexperte Hein betont, dass es für manche Immobilieneigner durchaus richtig sein kann, sich die Zinsen gegen einen kleinen Aufschlag schon jetzt zu sichern. "Manche Menschen benötigen diese Planungssicherheit", sagt er. Andere nehmen das Ganze gelassener und warten ab. Oder haben vielleicht sogar Spaß daran, die Zinsen beim Auf und Ab genau zu beobachten. Sie wollen nur dann einen Vertrag abschließen, wenn die wieder besonders niedrtig sind.

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