Haus am Köllnischen Park:Klassiker des Expressionismus

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Das Gebäude war Zentralverwaltung der AOK, Parteihochschule der SED und ist nun bald Wohnkomplex.

Von Lars Klaaßen

Der Bärenzwinger an der Südseite des Köllnischen Parks steht seit Oktober vergangenen Jahres leer. Das Gehege ist für Tierhaltung nicht (mehr) geeignet. Nach einer längeren Debatte steht fest: Hier wird es definitiv keine Bären mehr geben, "nicht einmal Schildkröten", sagt Carsten Spallek, Stadtrat für Stadtentwicklung des Bezirks Berlin-Mitte. Wie das 800 Quadratmeter große, denkmalgeschützte Ensemble anderweitig genutzt werden könnte, ist unklar. Da ist man auf der anderen Seite der Straße schon weiter.

Gegenüber dem Bärenzwinger steht ein imposanter roter Backsteinbau. Seit die AOK das Bürogebäude 2003 verkauft hatte, stand es leer. Nun wird es saniert und zu einem Wohnhaus umgebaut. Im kommenden Jahr sollen die ersten Bewohner im "Metropol Park" einziehen. Der ganze Komplex, bestehend aus einem Vorderhaus und mehreren Seitenflügeln, wird grundlegend umstrukturiert. Die besondere Herausforderung dabei: Das Gebäude steht unter Denkmalschutz, seine wechselvolle Geschichte soll auch künftig noch erkennbar bleiben.

In den Jahren 1930 bis 1933 ließ die Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Berlin den Sechsgeschosser für ihre Zentralverwaltung bauen. Der Architekt Albert Gottheiner hat den Bau im Stil des Expressionismus entworfen. Diese vergleichsweise kurze Architektur-Epoche manifestierte sich vor allem in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg bis zum Ende der 1920er-Jahre. Geprägt wurde der Begriff schon 1913 durch Adolf Behne, der ein Werk von Bruno Taut in der Zeitschrift Pan mit aktuellen Strömungen in der Malerei verglich und mit dem Wort "expressionistisch" belegte. Eine große Anzahl von Architekten des Expressionismus beteiligten sich seit 1907 im Deutschen Werkbund und können dem Jugendstil zugeordnet werden. Später schwenkten viele von ihnen zur Strömung der Neuen Sachlichkeit über. Im Gegensatz zu dieser nutzte die expressionistische Architektur runde und gezackte Formen. Die betonte Plastizität der Bauten beruht auf dem Einfluss der Kunst, insbesondere der Bildhauerei. Zu den bekanntesten expressionistischen Gebäuden gehören der Einsteinturm in Potsdam-Babelsberg (1920-1921) von Erich Mendelsohn und das Hamburger Chilehaus (1922-1924) von Fritz Höger.

Fassade, Wandfliesen und Linoleumbeläge sollen erhalten bleiben

Das Haus am Köllnischen Park ist in mehrerer Hinsicht ein Klassiker des Expressionismus. Das fängt bei der Materialwahl an. Hinter der streng ornamentierten Klinkerfassade hat Gottheiner den Bau in Beton errichten lassen. Das war damals technische Avantgarde, mit der man auch in anderen Stilen experimentierte. Die Skulpturen an der Fassade sind ebenfalls ein typisches Element des Expressionismus. Die Architekten dieser Strömung begriffen ihre Entwürfe als Gesamtkunstwerk. Gottheiner gehört zu den vielen heute so gut wie unbekannten Schöpfern prägender Bauten deutscher Städte, deren Tätigkeit - zumindest hierzulande - abrupt endete, weil sie seit 1933 als Juden bedrängt und verfolgt wurden. Die Zentralverwaltung der AOK war Gottheiners letztes Bauwerk, bevor er das Land verlassen musste. Der Architekt starb 1947 im Alter von 69 Jahren in Stockholm.

Nach dem Krieg wurde das Gebäude der AOK entzogen. Die Adresse erlangte als "Rotes Kloster" Prominenz. 1955 zog die Parteihochschule "Karl Marx" am Köllnischen Park ein. Sie fungierte als höchste Bildungsstätte der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Ihre Aufgabe benannte das Neue Deutschland am 22. Mai 1946 folgendermaßen: "Heranbildung qualifizierter Kader in Verbindung mit theoretischer Forschungsarbeit und Herstellung von Schulungs- und anderen Materialien nach den Weisungen des Zentralsekretariats."

An der Ostseite des Gottheiner-Baus wurde der Komplex 1971 erweitert. Im Neubau fanden Großveranstaltungen wie Kongresse, Ausstellungen und Jugendweihefeiern statt. Mit dem Ende der DDR ging das Verwaltungsgebäude wieder an die AOK zurück, die es sanierte und bis 2003 unter anderem als Sitz ihrer Rechtsabteilung nutzte. Der Erweiterungsbau aus den 1970ern wurde zwischenzeitlich abgerissen. Dort sollen vier Wohnhäuser gebaut werden, die das Ensemble an der östlichen Seite abschließen. Ihre Gestaltung wird sich an die moderne Aufstockung des westlichen Seitenflügels anlehnen, der in den 1930ern nur bis zum ersten Obergeschoss vollendet worden ist.

Doch zuvor gilt es, den Altbau denkmalgerecht zu sanieren. Wo sich früher Büros befanden, sollen mehr als 130 Eigentumswohnungen von 30 bis 180 Quadratmeter Größe entstehen, dazu Penthäuser und Lofts. Die Decken sind bis zu 3,80 Meter hoch. Vor allem im Vorderhaus mit der expressionistischen Klinkerfassade sollen viele alte Elemente bewahrt werden. Dass die Fassade nicht angerührt wird, ist bei der umfassenden Umstrukturierung im Inneren noch die kleinere Herausforderung. So sollen in den Treppenhäusern nicht nur die Wandfliesen erhalten bleiben, sondern auch die Linoleumbeläge am Boden.

Im obersten Geschoss, über der zentralen Eingangshalle gelegen, hatte die Parteihochschule sich einen Kinosaal eingerichtet. Dieser Raum mit einer Deckenhöhe von etwa sieben Metern wird nicht aufgeteilt, sondern zu einem Loft mit 330 Quadratmetern umgebaut. Besonderes Augenmerk hatte der Denkmalschutz auf die ehemalige Kassenhalle der AOK gelegt. Sie befand sich hinter der zentralen Eingangshalle, flankiert von zwei Seitenflügeln und mit einem Glasdach versehen. Das Stahlgerüst, das dieses Glasdach getragen hat, wird künftig den zentralen Hof krönen, in dem kleine Gärten vor den dortigen Erdgeschosswohnungen geplant sind.

Wer etwas mehr Grün sucht, als die Höfe bieten, wird direkt vor der Tür fündig. Der Köllnische Park zählt mit etwa einem Hektar Fläche zwar zu den kleineren Grünanlagen Berlins, dafür ist hier die Lokalgeschichte der Stadt so präsent, wie nur an wenigen anderen Orten. Der Bärenzwinger wurde wenige Jahre nach dem AOK-Haus gebaut; der kleine Klinkerbau hat ebenfalls expressionistische Züge. Am 17. August 1939 wurden dort vier Bären als lebende Wappentiere angesiedelt. Der Platz nahe der Spree wurde wegen seiner Nähe zur Fischerinsel und dem Nikolaiviertel gewählt, die als Wiege der Doppelstadt Berlin-Cölln gelten. Im 18. Jahrhundert war hier Stadtgrenze. Damals fand ein teures Bauprojekt sein unrühmliches Ende: Die barocke Festungsanlage wurde nach 50 Jahren wieder geschleift, weil sie die wachsende Stadt einschnürte. Im Park steht noch ein Rest davon, der "Wusterhausener Bär", Teil eines Stauwehrs, mit dem der Wasserstand im Festungsgraben geregelt wurde.

Noch mehr zur Geschichte der Stadt erfahren Besucher des Märkischen Museums, das sich ebenfalls im Köllnischen Park befindet. Zwischen 1901 und 1907 erbaut, zitieren seine Gebäudeteile verschiedene Bauwerke der Mark Brandenburg und Norddeutschlands aus den Stilepochen Romanik, Gotik und Renaissance. Aber das sind schon wieder ganz andere Geschichten.

© SZ vom 30.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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