Hamburg:Shoppen, was das Zeug hält

Konsumklimastudie der GfK

Ob teuer oder billig, an Geschäften mangelt es der Hamburger Innenstadt nicht. Trotzdem kommen immer mehr dazu.

(Foto: Bodo Marks/dpa)

Die Verkaufsfläche wächst dort Jahr für Jahr. Was die einen begeistert, sehen andere mit Sorge.

Von Sabine Richter

Dem Hamburger Alsterhaus steht Großes bevor. Im November soll die neue Luxury Hall eröffnet werden, der erste Abschnitt eines langfristig angelegten Umbauplans für das 1912 eröffnete Gebäude an der Binnenalster. Wie die ganze Innenstadt wappnet sich auch das Luxuskaufhaus für die neue Konkurrenz in der Hafen-City und den wachsenden Onlinehandel.

Um die 80 Millionen Euro sollen hier in den nächsten fünf Jahren investiert werden, sagt André Maeder, Geschäftsführer der Kadewe Group, in der seit eineinhalb Jahren die früheren Karstadt-Premium-Häuser Alsterhaus, Oberpollinger in München und das Kadewe in Berlin gebündelt sind. Insgesamt sollen in die drei Häuser 300 Millionen Euro fließen.

Unter der Leitung der Architekten Kleihues + Kleihues, denen mehrere Innenarchitekten zur Seite stehen, sind eine Reihe grundlegender Änderungen im Alsterhaus geplant. So sollen innerhalb der 20 000 Quadratmeter Verkaufsflächen die Wegeführungen verbessert werden; Glas, Licht und Raum sollen einen besseren Überblick verschaffen und ein luxuriöses Einkaufserlebnis vermitteln. Künftig werden internationale Spitzenmarken angeboten, darunter auch solche, die man nur hier kaufen könne, erklärt Maeder. Im zweiten Stock will man die sieben Balkone, die bisher als Lagerflächen dienen, für die Kunden öffnen. Geplant ist hier ein Café mit 40 Plätzen, mit Blick auf die Binnenalster.

Unibail-Rodamco investiert in der Hafen-City 970 Millionen Euro

Im Geschäftsjahr 2014/15 (30. September) setzte die Kadewe Group etwa 602 Millionen Euro um, ein Plus von vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das Wachstum im Alsterhaus sei überdurchschnittlich gewesen, sagt Maeder. Das laufende Geschäftsjahr 2015/16 wird aufgrund der hohen Investitionen wohl mit einem Minus von etwa sieben Millionen Euro abschließen.

Nicht nur das Kadewe, auch Hamburg insgesamt rüstet auf. In der an teuren Geschäften nicht gerade armen Innenstadt herrscht ein regelrechter Bauboom. Überall wird - unterstützt durch mehrere Business Improvement Districts (BID) - saniert, erweitert und verschönert, werden neue Einkaufsmeilen errichtet.

Ein ganz großer Wurf entsteht in der Hafen-City, im südlichen Überseequartier. Unibail-Rodamco, Europas größter börsennotierter Immobilienkonzern, will dort 970 Millionen Euro in ein Einkaufscenter investieren. Das soll aber "kein klassisches und vor allem kein standardisiertes Shoppingcenter sein, sondern ein offener Stadtraum, wo alle touristischen Besonderheiten genutzt werden", erklärt Jürgen Bruns-Berentelg, der Chef der Hafen-City GmbH. Bisher waren hier weder der Einzelhandel noch die Gastronomie besonders erfolgreich, viele mussten aufgeben. Die Mieten waren für die geringe Kundenfrequenz zu hoch, die Lage zu isoliert.

Nach Zugeständnissen der Stadt wird Unibail nun 80 500 Quadratmeter Fläche für bis zu 190 Läden vermieten können. Auf der nun verdoppelten Fläche lasse sich ein wesentlich vielseitigeres Angebot darstellen, sagt Bruns-Berentelg, "viele Marken werden es begrüßen, eine attraktive Standortalternative in einem neuen Kontext vorzufinden". Hier sei Raum für Mieter mit neuen Ideen und Konzepten, die in die maritime Themenwelt passten, vorstellbar seien auch Themen des Showroomings, also mit Ausstellungscharakter.

Fachwelt und Bürger sehen das Shoppingcenter allerdings oft skeptisch. Selbst für einen erfahrenen Einzelhandelsbetreiber wie Unibail werde es eine riesige Herausforderung sein, zusätzliche Flächen in dieser Größenordnung zu platzieren, meint beispielsweise Sandra Ludwig von JLL. Viele Hamburger befürchten zudem, dass hinter den viel gepriesenen internationalen Marken vor allem die üblichen Ketten wie Zara oder H & M stecken. Für Gerd Wilhelmus, Geschäftsführer und Leiter Projektentwicklung bei dem Essener Einkaufszentren-Spezialisten mfi, muss das Projekt deshalb "ein Abschied von der Standard-Verkaufsmaschine sein". Das Management müsse also konsequent auf permanente Innovation setzen, der Ort einen immateriellen Zusatznutzen bieten und mehrere Lebensbereiche verknüpfen - nur so könne das Ganze wirklich erfolgreich sein.

Die Firma Unibail, die 26 Malls in Deutschland betreibt, will hier all das realisieren, was als Erfolgsrezept für Einkaufszentren gilt: Authentizität, Aufenthaltsqualität und Erlebnis. Das ist genau das, was nach Meinung vieler Bürger großen Teilen der Hamburger City bisher fehlt. Und der Grund, weshalb die traditionellen Hamburger Innenstadthändler Angst vor der neuen Konkurrenz haben.

Die Einzelhandelsfläche in der Hamburger Innenstadt beträgt laut Handelskammer 345 000 Quadratmeter. Mit den neuen Projekten, die bis 2017 in der Innenstadt auf den Markt kommen (etwa 24 000 Quadratmeter), und dem Überseequartier erhöht sich die Verkaufsfläche bis 2021 um ein gutes Viertel. Der Trägerverbund Projekt Innenstadt befürchtet Umsatzeinbußen in der City von bis zu 15 Prozent; bei einem Umsatz von 1,9 Milliarden Euro (2015) wären das 285 Millionen Euro. Es bestehe zudem die Gefahr, dass Händler aus der Innenstadt ins südliche Überseequartier wechselten.

"Die vielen neuen Flächen werden der Hamburger Innenstadt wehtun", vermutet auch Sandra Ludwig von JLL. Die Sortimentsüberschneidung werde hoch sein - und der Kunde könne sein Geld schließlich nur einmal ausgeben. Dass beide profitierten, die Innenstadt und Hafen-City, weil die Kunden in beiden Quartieren einkaufen, erwartet City-Managerin Brigitte Engler nicht: "Das neue Einkaufszentrum wird in der nun geplanten Größenordnung ein autarkes Center, das keine Anbindung an die Kerncity mehr benötigt."

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