Gütezeichen:Im Dickicht der Siegel

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Orientierung im Supermarkt: Empfehlung mit Abstrichen für Fairtrade-Siegel (Foto: dpa)

Delfinfreundlich, geprüfte Qualität oder Topmarke: Es gibt Hunderte Gütesiegel für Lebensmittel, die manchmal sinnvoll, oft aber bloßer Nepp sind. Fünf Siegel, die Ihnen nützen - und fünf Fallen, die Sie meiden sollten.

Von Berit Uhlmann

Siegel lohnen. Fast 80 Prozent der Deutschen entschieden sich schon mindestens einmal nur deshalb für ein Produkt, weil es ein Gütezeichen trug. Preisaufschläge werden bei einer ganzen Reihe Siegel problemlos akzeptiert, wie eine Untersuchung der Fachhochschule Münster ergab. Andererseits weiß nicht einmal jeder Zweite, wofür genau die Aufdrucke stehen. Dabei wurden die Studienteilnehmer nur zu 21 recht bekannten Siegeln befragt.

Die tatsächliche Anzahl der Label liegt im Bereich von Hunderten. Wie viele es sind, weiß niemand, mit dem Zählen käme man auch kaum hinterher, denn ständig kommen neue Zeichen hinzu. "Jeder kann sich irgendein Qualitätsversprechen ausdenken, ein Logo drumherum entwerfen und das Siegel auf sein Produkt drucken", sagt Andreas Winkler von Foodwatch. So sind viele der vermeintlichen Qualitätszeichen lediglich eine Werbebotschaft in siegelähnlicher Form. Worthülsen also, für die keinerlei Kriterien definiert, geschweige denn überprüft werden.

Kaum zu überblickender Wirrwarr

Und selbst die Siegel mit klaren Richtlinien und unabhängigen Kontrollen dürften die meisten Verbraucher überfordern. Einige sind Partikularinteressen gewidmet, wie das Zeichen für die delfinfreundliche Fischerei. Hinter anderen verbirgt sich eine Vielzahl von Kriterien, die kaum zu überblicken sind, wie die Richtlinie für das EU-Ökosiegel, die knapp 100 Seiten umfasst. Manche Siegel werden von unabhängigen Institutionen vergeben, andere haben sich Branchen oder Konzerne selbst gebastelt. Es gibt sich ergänzende, aber auch konkurrierende sowie sich in Teilen überschneidende Siegel. Ein und dasselbe Siegel kann verschiedene Abstufungen und Geltensbereiche haben. Kurzum, der Wirrwarr ist groß.

Foodwatch hält denn auch gar nichts von den Siegeln und fordert stattdessen verbindliche, klare Angaben auf jedem Etikett. Andere Verbraucherschützer halten nur sehr wenige Zeichen für wirklich nützlich. Die Verbraucherinititive, die auf dem Portal Label-online die bekannteren Zeichen bewertet, findet dagegen gleich viele "wirklich gute" Siegel.

Süddeutsche.de hat Verbraucherschützer (von der Verbraucherzentrale Bayern, dem aid-Infodienst, Foodwatch und der Verbraucherinitiative) um Einschätzung gebeten: Die einzigen, die bei allen auf Wohlwollen treffen, sind die beiden Bio-Siegel. Empfehlungen gibt es mit Abstrichen auch für das Fairtrade-, MCS-Fischerei-Siegel und - unter dem Vorbehalt, das es sich durchsetzt - ein ganz neues Regionalsiegel. Details finden Sie in der unten stehenden Bildergalerie.

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Bei vielen anderen Siegeln drohen Verbraucher, auf hohle Versprechungen oder Selbstverständlichkeiten hereinzufallen.

Siegel, bei denen Sie vorsichtig sein sollten:

Die meisten Siegel, die mit dem Wort "ohne" anfangen

"Ohne Geschmacksverstärker", "ohne künstliche Aromen", "ohne Zusätze" - auch wenn solche Aussagen in Form eines seriös wirkenden Label daherkommen: Sie sind kein Gütezeichen, sondern lediglich Rezepturangaben. Es ist zwar davon auszugehen, dass sie korrekt sind, sagt Saphir Robert, Projektleiterin des Portals Label-online. Doch wie so oft in der Lebensmittelwerbung stimmen sie meist nur aufgrund von haarspalterischen Definitionen.

Verzichtet ein Hersteller auf den Geschmacksverstärker Natriumglutamat, ersetzt er ihn sehr häufig durch Hefeextrakt, was praktisch auf das Gleiche hinausläuft. Und Aromen sind oftmals nicht so natürlich, wie Verbraucher annehmen. Steht etwa "natürliches Aroma" auf der Verpackung, muss das Aroma nur aus irgendetwas Natürlichem entstanden sein, das können auch Sägespäne sein. "Verbraucher sollten also in jedem Fall zusätzlich noch die kleingedruckte Zutatenbeschreibung auf der Produktverpackung lesen", rät Robert.

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"Light", "gut für das Immunsystem", "regional": In der Parallelwelt der industriell hergestellten Nahrung hat kaum eine Formulierung die Bedeutung, die der Laie sich vorstellt. Viele Ausdrücke sind mehr oder weniger ausgeprägte Mogeleien. Ein Etiketten-Dolmetscher für Ihre Einkäufe.

Berit Uhlmann

Anders liegt der Fall beim "Ohne Gentechnik-Siegel". Die Verbraucherinitiative hält es für empfehlenswert, denn es ist ein staatlich kontrolliertes Siegel, das erst nach umfassenden Kontrollen vergeben wird. Allerdings ist der Ausdruck "frei von Gentechnik" relativ zu sehen: Fleisch, Eier oder Milch mit diesem Siegel können auch von Tieren stammen, die innerhalb bestimmter Fristen mit gentechnisch verändertem Futter gefüttert werden.

Siegel, die mit der Kontrolle ihrer Ware werben

"Geprüfte Qualität", "kontrollierter Anbau": Solche Siegel sollen besondere Qualität suggerieren und werben doch nur mit Selbstverständlichkeiten. "Welche Lebensmittel kommen denn unkontrolliert auf den Markt?", kommentiert Harald Seitz vom öffentlich geförderten aid-Infodienst für Ernährungsthemen.

In diese Richtung gehen auch Prüfsiegel, wie etwa das Zeichen des Instituts Fresenius. "Sie bedeuten in der Regel, dass die Firma ihr Qualitätsmanagement ausgelagert hat", sagt Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern. Entsprechend geht die Prüfung meist nicht über das gesetzlich Vorgeschriebene hinaus oder aber der Verbraucher erfährt die Kriterien nicht.

Siegel, die einfach nur eine hohe Qualität behaupten

"Premium", "Goldstandard", "Unsere Besten", "Gutes von XY". Das sind schlichte Werbebotschaften, die nie überprüft werden.

Auch manches amtlich wirkende Siegel aus dieser Kategorie ist zweifelhaft. So vergibt die Lebensmittel Zeitung das Label "Top-Marke" schlicht an die 100 bestverkauften Produkte in verschiedenen Kategorien. Ob aber wirklich die Qualität oder aber ein findiges Marketing der Grund für den Verkaufserfolg war, bleibt unklar. Etwas aussagekräftiger ist das "Produkt des Jahres"-Siegel der Zeitschrift Lebensmittel-Praxis. Es wird aufgrund von Verbraucher-Umfragen vergeben. Die Produkte wählt jedoch die Zeitschrift selbst aus.

Traditions-Siegel

"Nach alter Tradition", "Nach bewährter Tradition": Solche Siegel kommen altehrwürdig daher, doch oft steht nicht einmal dabei, worauf genau sich die Tradition bezieht oder wie lange es sie schon gibt. Egal, wie retro die Verpackung erscheint, Verbraucher sollten die Zutatenliste lesen, empfehlen die Verbraucherzentralen auf dem Beschwerdeportal Lebensmittelklarheit.de. Oft genug tauchen dann E-Nummern oder sehr komplizierte Zutaten auf, die man nicht wirklich als traditionell bezeichnen kann.

Eine Ausnahme ist das GTS-Siegel der EU: Es steht für die "garantiert traditionelle Spezialität" und gewährleistet, dass eine gleichbleibende Herstellungsmethode verwendet wird. Mozzarella trägt beispielsweise häufig dieses Zeichen - und zeigt zugleich dessen Schwachstelle. Ob er nämlich von der erfahrenen kampanischen Molkerei oder irgendwo in Nordeuropa hergestellt wird, ist für das Siegel völlig egal.

Das Bauernhof-Siegel

"Hof Landglück", "Gut Fröhlichkeit", "Bauer Gutmensch": Etwas in der Art drucken sich auch große Konzerne gerne aufs Etikett. Ebenso erfunden wie die eben genannten Namen sind meist auch die Höfe, mit denen sich Produkte bisweilen schmücken. Und selbst wenn es den Hof mit dem romantischen Namen gibt, sagt das nichts über die Qualität der Produkte aus.

Solche Label suggerieren eine nichtindustrielle, traditionelle Landwirtschaft. Die Verbraucherzentralen bemängeln: "Aus unserer Sicht sollten Firmennamen, Produktbezeichnungen und Abbildungen keine Produktionsweise vermitteln, die weit an der Realität vorbeigeht. Beispielsweise kann irrtümlich der Eindruck entstehen, die Tiere für Milch- oder Fleischwaren hätten auf der Weide gestanden."

Linktipp: Wer Genaueres über einzelne Label wissen möchte, kann sich unter Label-online informieren.

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