Günstige Immobilien-Kredite:Fatale Gier nach Beton

´Finanztest": Beratung zu Bausparverträgen häufig mit Mängeln

Günstige Kredite machten den Erwerb des Eigenheims für viele erschwinglich. Doch einige Hauseigentümer könnten bald eine böse Überraschung erleben.

(Foto: dpa)

Das Eigenheim gilt bei vielen Deutschen als Symbol für Leistung. Wer sein Zuhause nicht mehr nur mietet, der hat etwas geschaffen - und etwas geschafft. Günstige Baukredite machten in den vergangenen Jahren den Kauf einer Immobilie verlockend. Doch der Hype könnte bald böse Folgen haben.

Von Angelika Slavik

Eine Immobilie ist immer auch ein Symbol. Manche Menschen assoziieren Geborgenheit und Sicherheit damit, für sie ist ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung der ultimative Rückzugsort. Andere fühlen sich im Wissen um eigene vier Wände besonders unabhängig: von Vermietern, die womöglich den Zins erhöhen. Von der Inflationsrate, die Barvermögen vielleicht schneller entwertet als gedacht. Von Währungsturbulenzen. Vor allem aber gilt Immobilienbesitz vielen Menschen in Deutschland als Symbol für ihre Leistung. Wer sein Zuhause nicht nur mietet, sondern besitzt, der hat etwas geschaffen - und etwas geschafft.

Anders als in vielen anderen Ländern schien Immobilienbesitz hierzulande aber oft ein Vorrecht der Besserverdienenden zu sein. Die Mehrheit der Deutschen lebt zur Miete. Typischerweise ist die größte finanzielle Investition ihres Lebens nicht die in eine Haus, sondern die in ein Auto. Das könnte sich jetzt ändern. Der Nullzins macht's möglich.

Ende 2008 begann die Europäische Zentralbank, den Leitzins von damals mehr als vier Prozent etappenweise immer weiter zu senken. Geld wurde immer billiger - und damit auch die Baukredite. Die Anschaffung einer Immobilie wurde plötzlich auch für Menschen interessant, für die ein solches Investment in einem anderen Zinsumfeld undenkbar gewesen wäre.

Ist das Leben mit dem Nullzins also einfach demokratischer? Wohl nicht.

Dennoch wollten viele Durchschnittsverdiener die Gelegenheit zum vermeintlich günstigen Immobilienkauf nicht verstreichen lassen. Dazu kamen all die Wohlhabenden, die nach einer sicheren Parkmöglichkeit für ihr Kapital suchten, das sie von Inflation und Euro-Krise bedroht wähnten. Die Gier nach Beton war groß wie noch nie, Deutschland, so schien es, war in einen regelrechten Kaufrausch verfallen - und ist es noch.

Das hat Folgen: In vielen großen Städten gilt der Markt praktisch als leer gefegt, es sind kaum noch Eigentumswohnungen zu haben; und falls doch, so berichten Makler, kämen auf ein einziges Objekt schon mal bis zu zweihundert Interessenten. Diese extreme Nachfrage treibt auch den Preis in bislang nicht gekannte Höhen. Das macht sogar die Bundesbank nervös: Die Notenbanker sprachen jüngst von einer Übertreibung bis zu 20 Prozent. Soll heißen: Viele Deutsche haben in den vergangenen Monaten und Jahren für ihre Immobilie zu viel Geld bezahlt, viel zu viel. Das gibt der Sache mit dem vermeintlich günstigen Kredit eine völlig neue Dimension.

Aber auch für jene, die zu einem vernünftigen Preis kaufen oder gekauft haben, könnte die Entscheidung noch unangenehme Folgen haben.

"Mancher wird eine böse Überraschung erleben"

Hartmut Schwarz ist Zinsexperte bei der Verbraucherzentrale Bremen. Er sagt, dass viele Menschen vor lauter Begeisterung über die aktuell günstigen Kreditkonditionen die langfristige finanzielle Perspektive außer Acht ließen. "Gerade jetzt sollte man das Zinsänderungsrisiko bedenken", sagt Schwarz. Denn Baufinanzierungen laufen üblicherweise mit zehnjähriger Zinsbindung, dann müssen die Konditionen neu verhandelt werden.

"Wenn die Zinsen auf vier, fünf oder sechs Prozent galoppieren, wird mancher eine böse Überraschung erleben, das ist klar", sagt Schwarz. Die höhere finanzielle Belastung könnte dann zahlreichen neuen Immobilienbesitzern zu viel werden. Im schlimmsten Fall landen in zehn Jahren also wieder eine ganze Menge dieser Objekte am Markt - was wiederum die Preise drücken könnte. Die wirtschaftliche Bilanz der Aktion Immobilienkauf könnte so am Ende ziemlich bitter ausfallen.

Aber natürlich können die niedrigen Zinsen auch nützlich sein - vor allem für Menschen, die schon vor einiger Zeit ein Haus oder eine Wohnung gekauft haben. Immobilienbesitzer, deren Darlehen schon länger als zehn Jahre mit Zinsbindung läuft, können im Normalfall ihr Darlehen kündigen, ohne dass eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung berechnet wird. Diese Möglichkeit sollte man "unbedingt nützen" und sich die günstigen Konditionen durch eine Umschuldung sichern, rät Verbraucherschützer Schwarz. Und was macht man mit dem so gesparten Geld? In ein bisschen Spaß investieren? Schwarz hat einen nüchterneren Vorschlag, er rät zu einer höheren Tilgung: Dann bleibe die monatliche Belastung für Hausbesitzer konstant, "aber die ganze Sache ist wesentlich schneller erledigt".

Wer erst in ein paar Monaten oder einem Jahr neue Konditionen verhandeln kann, könnte mit einem Forward-Darlehen versuchen, den Nullzins zu nutzen. Dabei wird schon jetzt ein Kreditvertrag geschlossen, die Laufzeit beginnt aber erst später. Für diese Planungssicherheit verlangen die Banken einen Zinsaufschlag - im aktuellen Umfeld kommen Kreditnehmer dabei aber immer noch ziemlich günstig weg. Allerdings stellt sich die Frage, ob so ein Forward-Darlehen wirklich nötig ist: Anzeichen, dass die Nullzins-Ära schnell wieder enden könnte, sehen Experten nicht. In Sachen Kreditfinanzierung gilt aktuell also das Motto: nur kein Stress.

Und die Kapitalanleger? Neben den Überlegungenen zu Umschuldung und Forward-Darlehen hat der Nullzins auch Auswirkungen auf die Rentabilität einer Immobilienanlage. Zum einen gilt: Wenn die Schuld schneller getilgt ist, wirft eine Wohnung durch die Mieterträge schneller Gewinn ab. Die Erträge sind allerdings auch der Haken an der Sache: Denn die Mieten sind, vor allem in den Ballungsräumen, zwar zuletzt massiv gestiegen, allerdings konnte der Anstieg nicht mit dem der Kaufpreise mithalten. Nun beschließt die voraussichtlich künftige Bundesregierung auch noch eine Mietpreisbremse - es dauert also mitunter ein Vierteljahrhundert, bis sich die Investition rechnet. Das kann auch der Nullzins nicht mehr rausreißen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: