Großbritannien im Griff der Finanzkrise:Browns letzter Ausweg

Die britische Regierung plant zusätzliche Milliardenhilfen für die angeschlagene Finanzbranche. Auch von Komplettverstaatlichungen ist mittlerweile die Rede.

Andreas Oldag

Die britische Regierung arbeitet an einem weiteren Hilfspaket für die angeschlagenen Banken. Es hat ein Volumen von bis zu 200 Milliarden Pfund (etwa 220 Milliarden Euro), für die der Steuerzahler gerade stehen muss.

Großbritannien im Griff der Finanzkrise: Filiale der Barclays Bank in London: Das krisengeschüttelte Geldhaus legt seine Bilanzen vorläufig offen.

Filiale der Barclays Bank in London: Das krisengeschüttelte Geldhaus legt seine Bilanzen vorläufig offen.

(Foto: Foto: dpa)

Kernelement ist eine Art staatliche Versicherung, um die angeschlagenen Banken von faulen Krediten und Wertpapieren zu entlasten. Demnach sollen die Kreditinstitute ihre Ramschpapiere offenlegen und mit einer Gebühr gegen Zahlungsausfälle und Verluste absichern. Regierung, Notenbank und Finanzaufsicht wollen das neue Hilfspaket an diesem Montag vorstellen.

Dem Vernehmen nach gibt es auch Pläne, große Geldinstitute voll zu verstaatlichen. Durch diesen Schritt könnte sich etwa der Staatsanteil an der Royal Bank of Scotland (RBS) von derzeit 58 auf 70 Prozent erhöhen.

Gründung einer Bad Bank wenig wahrscheinlich

Diesen Schritt sieht Premierminister Gordon Brown offenbar als letzten Ausweg an, die Kreditklemme zu durchbrechen, in der die Wirtschaft steckt. Trotz milliardenschwerer Hilfen ist das Kreditgeschäft blockiert. Großbritannien steckt in der schwersten Wirtschaftskrise seit 1990.

Browns Berater haben zudem die Gründung einer Bad Bank (wörtlich: schlechte Bank) diskutiert. "Wir spielen verschiedene Optionen durch", hieß es in Londoner Finanzkreisen.

Die Gründung einer Bad Bank gilt aber als wenig wahrscheinlich. Sie würde die Gründung einer staatlichen Auffanggesellschaft erfordern, die sämtliche problematischen Papiere aufkauft. Nachteil wäre ein erheblicher Bürokratie-Aufwand.

Außerdem zeigen die Erfahrungen in den USA, das es schwierig ist, den Aufkaufpreis dieser Papiere objektiv zu bestimmen. Dies war nicht zuletzt der Grund, dass der scheidende US-Finanzminister Henry Paulson von seinem Aufkauf-Programm für US-Banken abrückte.

Premier Brown forderte indes die britischen Kreditinstitute auf, das Ausmaß ihrer faulen Kredite offen zu legen. Zugleich warnte er in der Financial Times vor einer finanzpolitischen Isolation, bei der sich die Banken auf ihre Heimatmärkte zurückziehen.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, welche Verluste Experten für die britischen Großbanken in diesem Jahr erwarten.

Browns letzter Ausweg

Offenbar arbeitet die Regierung auch daran, die bereits verstaatlichte Hypothekenbank Northern Rock als Good Bank (wörtlich: gute Bank) einzusetzen. Sie soll mit Hilfe der Regierung dafür sorgen, dass Privatleute und Unternehmen ausreichend mit Krediten versorgt werden. Vor allem kleinere Firmen klagen, dass sie von Großbanken kaum noch Darlehen erhalten.

Mit einem spektakulären Schritt versucht unterdessen die Barclays Bank ihre verunsicherten Anleger zu beruhigen. Nach einem drastischen Kurseinbruch um fast 25 Prozent am vergangenen Freitag gewährt die Bank einen vorgezogenen Einblick in ihre Bilanzen. Danach beträgt der Gewinn vor Steuern für das vergangene Jahr 5,3 Milliarden Pfund - mehr als Analysten voraussagten. Der Einbruch der Aktien sei unbegründet, teilte Barclays mit.

Bereits im Oktober hatte die britische Regierung ein erstes Hilfspaket im Volumen von 500 Milliarden Pfund für die Banken verabschiedet. Neben Garantien für Leihgeschäfte und frischem Geld der Notenbank konnten sich die Banken im Tausch gegen Aktien auch mit direkten staatlichen Finanzspritzen versorgen.

Bisher nahmen die Royal Bank of Scotland (RBS), die Halifax Bank of Scotland (HBOS) und Lloyds TSB davon insgesamt 37 Milliarden Pfund in Anspruch. Die Großbanken HSBC und Barclays verzichteten bislang auf staatliches Geld.

Preise für private Immobilien im freien Fall

Am Montag sollen Medienberichten zufolge erstmals Aktien der fusionierten Bank Lloyds und HBOS an der Börse gehandelt werden. Der Staat hält infolge der Kapitalspritzen einen Anteil von etwa 43 Prozent an dem neuen Geldgiganten. Llodys-Chef Eric Daniels wird den 140.000-Mitarbeiter-Konzern führen und hofft auf 1,8 Milliarden Pfund Kostenersparnisse pro Jahr. Analysten warnen aber, die HBOS-Bilanzen könnten wegen der Abhängigkeit vom Hypothekengeschäft weitere Risiken bergen.

Den britischen Großbanken drohen nach Schätzungen von Finanzexperten in diesem Jahr neue Verluste in Höhe von bis zu 70 Milliarden Pfund. Grund sind Darlehen für Gewerbeimmobilien, die im kommenden Jahr weiter drastisch an Wert verlieren dürften.

Auch die Preise für private Immobilien sind im freien Fall: Vergangenes Jahr brachen sie um fast 16 Prozent ein. Der Dienstleistungssektor, der etwa drei Viertel der Wirtschaftsleistung ausmacht, befindet sich ebenso in einer schweren Krise.

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