Großbritannien: Asil Nadir:Rückkehr des Fruchtzwergs

Der schillernde Finanzjongleur Asil Nadir hat Tausende Briten um ihr Erspartes gebracht. 17 Jahrelang war er untergetaucht. Nun steht er in London vor Gericht - und ist bester Laune.

Andreas Oldag

"Polly Peck" klingt nach einem niedlichen Kinderspielzeug oder nach einer Marke für Süßigkeiten - fast so wie Fruchtzwerge. Doch für britische Kleinanleger ist der Firmenname ein Synonym für einen Betrugsskandal, der vielen die eisern gesparten Pensionsrücklagen raubte.

Businessman Nadir gets into a car as he leaves his house in Mayfair in London

Die britische Antibetrugsbehörde wirft Nadir Dutzende Gesetzesverstöße vor - unter anderem Betrug und Bilanzfälschung im Zusammenhang mit seinem 1990 Bankrott gegangenen Unternehmen Polly Peck.

(Foto: REUTERS)

Der Mann, der hinter dieser Leidensgeschichte steht, heißt Asil Nadir, ein eleganter Nord-Zypriote, der maßgeschneiderte Anzüge mit seidenen Einstecktüchern trägt. 17 Jahre war der 69-Jährige auf der Flucht vor den britischen Strafverfolgungsbehörden und hielt sich auf der Mittelmeerinsel versteckt, die mit Großbritannien kein Auslieferungsabkommen hat.

Airbus - privat gechartert

Jetzt ist Nadir in seine alte Wahlheimat zurückgekehrt: mit großem Gefolge und in einem privat gecharterten Airbus. Sonnenbebrillte Leibwächter umringten den Finanz-Tycoon. Seine junge Ehefrau Noor lächelte huldvoll in die TV-Kameras. Und Nadir selbst, dessen Halbglatze in der Londoner Spätsommer-Sonne wie ein Spielzeugball glänzte, erklärte, dass er unschuldig sei. "Warum denken Sie, dass ich hier bin?", stellte er die rhetorische Frage, bevor er sich in eine luxuriöse Stadtvilla im Londoner Reichenviertel Mayfair zurückzog.

Am Donnerstag ist Nadir zu einer ersten Anhörung vor Gericht geladen. Die britische Antibetrugsbehörde Serious Fraud Office (SFO), die für Wirtschaftskriminalität zuständig ist, wirft Nadir Dutzende Gesetzesverstöße vor, unter anderem Betrug und Bilanzfälschung im Zusammenhang mit seinem 1990 Bankrott gegangenen Unternehmen Polly Peck. Der weitverzweigte Mischkonzern, der zu seinen Hochzeiten einen Börsenwert von etwa zwei Milliarden Euro hatte und sogar im FTSE-100-Börsenindex vertreten war, brach innerhalb kurzer Zeit zusammen. Konzerngründer Nadir, bis dahin Liebling der Londoner Finanzszene, setzte sich dann 1993 mit einem Privatflugzeug nach Nord-Zypern ab.

Warum es den flamboyanten Pleitier nun plötzlich nach Jahren des Exils zurück an die Themse zieht, bleibt allerdings unklar. Ist es möglicherweise sein schlechtes Gewissen oder ist ihm auch der Boden im türkisch besetzten Nord-Zypern zu heiß geworden? Wird Nadir schuldig gesprochen, droht ihm eine jahrelange Haftstrafe. Vielleicht hofft er aber auch darauf, schon aufgrund mangelnder Beweise davonzukommen. Viele der geschädigten Kleinanleger sind im Laufe der Jahre verstorben.

Faible fürs große Geschäft

Nadirs Rückkehr nach London ist jedenfalls das vorerst letzte Kapitel in einem schillernden Skandal, der in vielerlei Hinsicht an den späteren Zusammenbruch des Enron-Konzerns 2001 in den USA erinnert. Dort stand der inzwischen zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilte Firmenchef Jeffrey Skilling für die Hybris von machthungrigen Managern, die am Ende jede Moralvorstellung verloren hatten. Sie kassierten Millionen auf Kosten von Anlegern und plünderten Unternehmen schamlos aus. Durch windige Geschäfte hatte der texanische Energiekonzern 67 Milliarden Dollar Schulden angehäuft. Die Enron-Aktie stürzte von einstmals fast 90 Dollar auf wenige Cents ab. Kleinanleger verloren ihre Ersparnisse. Tausende von Arbeitsplätzen gingen verloren.

Auch Selfmade-Unternehmer Nadir hatte ähnlich wie Skilling immer ein Faible fürs große Geschäft. Als Sohn eines türkischstämmigen Einwanderers aus Zypern, der sein erstes Geld mit dem Austragen von Zeitungen verdient hatte, kaufte er 1980 die kleine, börsennotierte Londoner Textilfirma Polly Peck. Nadir knüpfte Verbindungen zu Londoner Investoren. Geld war damals genug vorhanden nach der Liberalisierung der Kapitalmärkte durch die Thatcher-Regierung Mitte der 1980er Jahre. So profitierte Nadir vom ersten großen Investment-Boom an der Themse. Seine Eloquenz und sein Ehrgeiz halfen ihm, dass er schon bald ein Image als Held der Londoner City hatte. Großzügige Spenden an die konservativen Tories verschafften ihm den Eintritt in illustre Politikerkreise.

Einen Coup landete Nadir 1989, als er die US-Früchtefirma Del Monte übernahm. Die Polly-Peck-Gruppe hatte damals etwa 17000 Beschäftigte. Doch schon bald gab es Vorwürfe, Nadir habe Gelder aus dem Konzern auf Konten in Nord-Zypern abgezweigt. Analysten äußerten Zweifel an der finanziellen Stabilität. Es hieß, Nadir wollte die Firma von der Börse nehmen. Banken reagierten nervös. Der Aktienkurs brach ein. Im September kam der Insolvenzantrag. Das Polly-Peck-Imperium brach zusammen. 20 Jahre später kämpft Nadir um seine Rehabilitation. "Leben ist Geschäft. Und Geschäft ist Leben", beschrieb er mal sein Erfolgsrezept.

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