Großbanken in Not:Die Kapitallücke klafft

Eine Studie zeigt: Commerzbank, Deutsche Bank und Postbank brauchen dringend mehr Kapital. Schuld daran sind auch die Beschlüsse von Pittsburgh.

H. Freiberger und M. Hesse

Eine französische Großbank gab am Dienstag einen Vorgeschmack darauf, was auch deutschen Großbanken bald bevorstehen dürfte: Die Société Générale kündigte eine Kapitalerhöhung von 4,8 Milliarden Euro an. Die Anteilseigner sollen der Bank das Geld zur Verfügung stellen, indem sie neu ausgegebene Aktien kaufen. Mit dem Geld will das Institut zum einen Staatshilfen zurückzahlen, zum anderen die eigene Kapitaldecke stärken.

Das zeigt einmal mehr, was Banken zur Zeit am dringendsten brauchen: Geld. Zuvor hatten schon Institute wie die Hypo-Vereinsbank-Mutter Unicredit, Frankreichs BNP Paribas und die norwegische DnB NOR Kapitalerhöhungen angekündigt. Und das ist nur der Auftakt. In einer Studie ermittelte die US-Investmentbank JP Morgan einen enormen Finanzbedarf bei den europäischen Großbanken. "Die Kreditkrise ist zwar vorbei, dennoch gehen wir in den kommenden sechs Monaten von Kapitalerhöhungen im Gesamtwert von 53,5 Milliarden Euro durch europäische Banken aus", schreiben die Analysten. Sie legen dabei eine Kernkapitalquote von acht Prozent zugrunde, die nach dem G20-Treffen von Pittsburgh wohl die neue Mindestanforderung werde.

Kapitalerhöhungen erwartet

Die drei börsennotierten deutschen Großbanken nehmen in der Studie breiten Raum ein, allen voran die Commerzbank. Allein sie habe eine Kapitallücke von 12,2 Milliarden Euro, wenn sie 2011 auf eine Kapitalquote von acht Prozent kommen wolle. Ohne die Frischgeldzufuhr wären es nur 3,8 Prozent. Commerzbank-Chef Martin Blessing hat bereits angedeutet, dass es wohl zu einer Kapitalerhöhung kommen wird, allerdings nicht kurzfristig. Für die Postbank ermittelte die Studie einen Finanzbedarf von 2,7 Milliarden Euro, für die Deutsche Bank von 3,4 Milliarden Euro.

Kapitalerhöhungen sind eigentlich Gift für die Börse, weil sie den Kurs einer Aktie verwässern. Dennoch gehörten Bankaktien am Dienstag zu den Gewinnern. Die Commerzbank-Aktie kletterte am Nachmittag um mehr als fünf Prozent nach oben, das Papier der Deutschen Bank um drei Prozent. Grund dafür war eine andere Studie, die am Dienstag herauskam: Die Analysten von Merrill Lynch stuften die Bankenbranche nach oben, weil sie die Talsohle bei den Gewinnen durchschritten habe; die Aussichten im Firmenkundengeschäft und auf dem Immobilienmarkt seien wieder gut, die Aktien zudem niedrig bewertet. Diese optimistische Einschätzung überlagerte die Aussicht auf künftige Kapitalerhöhungen. Selbst die Aktie der Société Générale lag am Dienstag leicht im Plus.

"Das Thema Eigenkapital bekommmt für die Banken in nächster Zeit zentrale Bedeutung, vor allem wegen der Beschlüsse von Pittsburgh", sagt Olaf Kayser, Bankenanalyst bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Die G20-Staaten wollen die Kreditinstitute dazu zwingen, ihre Eigenkapitaldecke zu stärken, damit bei künftigen Finanzkrisen nicht mehr Steuerzahler für die Fehler der Banken geradestehen müssen.

Deutsche Banken leiden besonders

Deshalb kam es in Pittsburgh zu einer Art Doppelbeschluss: Zum einen kommt wohl die Mindestgrenze von acht Prozent, mit der die Institute ihre Risiken abdecken müssen, zum anderen soll das sogenannte "weiche Kapital" oder "Nachrangkapital" nicht mehr zum Kernkapital zählen. Weiches Kapital sind zum Beispiel stille Einlagen und Hybridanleihen. Sie werden nicht oder nicht voll herangezogen, wenn eine Bank später Verluste macht. Deshalb ist dieses Kapital nach Ansicht der Regulierer auch nicht geeignet, Risiken abzudecken, die durch Finanzkrisen entstehen können.

Deutsche Banken litten besonders darunter, wenn ihre stille Einlagen nicht mehr als Kernkapital anerkannt werden. Die Commerzbank zum Beispiel weist in ihrem letzten Halbjahres-Bericht vier Milliarden Euro Hybridkapital aus. Die stillen Einlagen summieren sich auf 17,1 Milliarden Euro, allein 16,4 Milliarden Euro kommen vom Bund. Allerdings ist die Commerzbank der Auffassung, dass diese Einlage auch künftig als Kernkapital anerkannt wird. Analysten halten es nicht für realistisch, dass die Bank dieses Kapital kurzfristig komplett durch die Ausgabe neuer Aktien ersetzen könnte. "Die Commerzbank wird die Bundesbeteiligung in vielen kleineren Schritten zurückführen", erwartet Konrad Becker, Bankenanalyst bei Merck Finck. Sie werde dazu vermutlich in den nächsten Jahren sowohl Kapitalerhöhungen durchführen, als auch Gewinne einbehalten und die so genannten Risikoaktiva, also die Vermögenswerte in der Bilanz, reduzieren.

Doch der Analyst Becker verweist darauf, dass noch unklar sei, wie die Beschlüsse von Pittsburgh genau umgesetzt werden. Außerdem werden die Banken vermutlich bis 2012 Zeit bekommen, um die neuen Regeln umzusetzen. Darüber dürften vor allem die Landesbanken und ihre Eigentümer erleichtert sein. Nach Angaben von Ratingagenturen haben die Landesbanken im Durchschnitt etwa die Hälfte ihres Kapitalbedarfs durch nachrangiges Kapital gedeckt. Auch deshalb hatte der Präsident des Sparkassenverbundes, Heinrich Hassis, vehement vor zu scharfen Eigenkapitalregeln gewarnt: Die Sparkassen sind neben den Bundesländern die Haupteigentümer der Landesbanken.

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