Süddeutsche Zeitung

Griechenland-Krise:Zu viel Geschwätz

Was ist nur mit Jean-Claude Juncker los? Erst belügt er die Öffentlichkeit, weil es ihm opportun erscheint, dann schwadroniert er unverantwortlich über einen möglichen Ausstieg des IWF aus der Griechenland-Hilfe. Juncker sieht sich gerne als "Mister Euro", doch sollte er sich nicht rasch besinnen, ist er nicht mehr tragbar.

Claus Hulverscheidt

Jean-Claude Juncker hat zu viele Verdienste um Europa und die gemeinsame Währung, als dass man den Stab über ihn vorschnell brechen dürfte. Was der luxemburgische Premier und Chef der Euro-Finanzministergruppe aber in den vergangenen Wochen mit Blick auf die Krise in Griechenland verzapft hat, ist unverantwortlich und brandgefährlich.

Erst leugnete Juncker vor drei Wochen, dass ein längst öffentlich gewordenes Ministertreffen zu Griechenland stattgefunden habe. Damit leistete er allerlei Verschwörungstheorien Vorschub. Dann gestand er freimütig ein, dass er die Bürger Europas belüge, wenn ihm das politisch opportun erscheine. Und schließlich spekulierte er öffentlich darüber, dass der Internationale Währungsfonds aus dem Hilfsprogramm für Griechenland aussteigen könnte, obwohl der IWF das gar nicht vorhat.

Wer so daherschwätzt, der redet die Staatspleite geradezu herbei, auch wenn er vorgibt, sie verhindern zu wollen. Denn kein Kapitalanleger der Welt wird der Regierung in Athen in einem Umfeld derartiger Kakophonie Geld leihen. Das hat nichts mit der angeblichen Kaltherzigkeit der Finanzmärkte zu tun, sondern ist schlicht ein Gebot der Vernunft.

Kritiker im Bundestag und an den Universitäten monieren zu Recht, dass die europäischen Regierungen einer breiten öffentlichen Diskussion über die Griechenland-Hilfe und die Errichtung eines dauerhaften Euro-Rettungsschirms aus dem Weg gehen und ihr Vorgehen stattdessen als "alternativlos" deklarieren. Juncker aber schweigt, wenn er reden müsste, und er redet, wenn er schweigen müsste. Sollte er sich nicht rasch besinnen, ist er als "Mister Euro", als der er sich selbst sieht, letztlich nicht mehr tragbar.

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Quelle:
SZ vom 28.05.2011/aum
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