Süddeutsche Zeitung

Griechenland in Not:Aufpasser für den Euro

Was passiert, wenn nichts passiert? Griechische Zustände können nur verhindert werden, wenn die Währung unabhängig bewacht wird.

Cerstin Gammelin

In der aufgeregten Debatte um die griechischen Missstände fehlt ein ganz entscheidendes Wort: Konsequenzen. Zwar werden die Griechen von den Verantwortlichen aller europäischen Institutionen aufgefordert, umgehend den allzu lässigen Lebensstil zu ändern, also regulär zu arbeiten, Steuern sowie Rentenbeiträge zu zahlen und zugleich mit weniger Lohn zufrieden zu sein. Aber was passiert, wenn nichts passiert? Welche Konsequenzen muss Griechenland fürchten?

Auch der letzte Liebhaber der schönen griechischen Inseln dürfte mittlerweile begriffen haben, dass das Land dringend grundlegender Reformen bedarf. Aber ebenso unübersehbar ist, dass die europäischen Währungs- und Finanzgremien gründlich reformiert werden müssen. Deren Mitglieder haben es nämlich zugelassen, dass Griechenland den Euro einführt, obwohl die Hellenen offensichtlich gefälschte Daten lieferten. Sie haben jahrelang zu- oder weggeschaut und das Finanzdesaster erst ermöglicht, das inzwischen den Euro gefährdet.

Unfassbar kompetenzlos arbeitet das europäische Statistikamt Eurostat. Dessen Beamten schwante zwar längst, dass die aus Athen gelieferten Haushaltszahlen nicht ganz den Tatsachen entsprechen könnten. Sie meldeten diese Zweifel wieder und wieder nach Brüssel, vermochten es aber nicht, sich weitergehende Befugnisse zu sichern, um die Daten endlich auch einmal prüfen zu dürfen.

Weitaus dramatischer sind die Versäumnisse der Finanzminister aus den Ländern, die den Euro eingeführt haben. Man stelle sich vor: Jeden Monat treffen sich die 16 Eurominister, um ihre Währungspolitik abzustimmen. Sie wissen, dass die Griechen mit geschönten Zahlen hantieren, dass sie noch niemals die erlaubte Verschuldungsgrenze eingehalten haben, weder den Arbeitsmarkt noch die Sozialsysteme reformieren und damit zwangsläufig dramatisch an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Und doch unterlassen sie es, mit den griechischen Kollegen ein ernstes Wort zu reden. Die Beschützer der jungen Währung machen sich durch ihr wohlwollendes Schweigen zu Handlangern der Betrüger.

Die Dritte im Bunde der Verantwortlichen ist die EU-Kommission. In der Behörde, wo schon mal vorgeschrieben wird, ab wann das Wort Krise überhaupt benutzt werden darf, regiert politischer Proporz. Selbst wenn der Währungskommissar ernsthaft würde durchgreifen wollen, müsste er die Zustimmung des Kommissionspräsidenten einholen. Und der sagt im Zweifel nein, denn ihm wiederum sitzen die nationalen Regierungen im Nacken, von denen keine am Pranger stehen will.

Das griechische Fiasko zeigt sehr plastisch, dass Mitgliedsstaaten nicht von anderen Mitgliedsstaaten kontrolliert und gemaßregelt werden können. Soll die Währungsunion langfristig überleben, dann muss sie dringend von einer Aufsichtsbehörde kontrolliert werden, die unabhängig ist gegenüber allen EU-Gremien und den Mitgliedsstaaten.

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SZ vom 26.02.2010/mel
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