Griechenland in der Schuldenkrise:Wenn Staaten pleitegehen

Es klingt ungeheuerlich: Athen plagen 350 Milliarden Euro Schulden. Viele befürchten, dass es bald zu einer Staatspleite kommt. Doch was würde das eigentlich bedeuten? Aber wann ist ein Staat pleite? Und welche Auswirkungen kämen auf das restliche Europa zu? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Simone Boehringer und Markus Zydra

Griechenland kann sich an den Finanzmärkten kein Geld mehr leihen. Athen sitzt auf Schulden in Höhe von 350 Milliarden Euro, das entspricht bald 160 Prozent der Wirtschaftsleistung. Bleibt die nächste Kapitalspritze vom Internationalen Währungsfonds (IWF) aus, dann sitzt die Regierung Papandreou im Juli auf dem Trockenen. Die Ratingagentur Standard & Poor's hat den Daumen bereits gesenkt und dem Land gerade eine Kreditwürdigkeit von CCC attestiert, also mangelhaft. Man rechnet mit einem Zahlungsausfall.

Griechischer Euro

Dem Euro-Land Griechenland droht die Pleite.

(Foto: dpa)

Was bedeutet das für Land und Gläubiger? Die Süddeutsche Zeitung beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wann ist ein Staat pleite?

Ein Staat ist pleite, wenn er seine Schulden nicht mehr aus eigener Kraft begleichen kann. Im Unterschied zu Unternehmen gibt es für Regierungen aber keine juristische Definition für ein Staats-Insolvenzverfahren. "Es bleibt daher jedem einzelnen Staat selbst überlassen, wann er sich so sehr in der Enge fühlt, dass er mit diesem Bekenntnis, seine Schulden nicht mehr decken zu können, an die Öffentlichkeit tritt", erklärt Christoph Paulus, Professor für Insolvenzrecht an der Berliner Humboldt-Universität.

Argentinien sei vor zehn Jahren "wie ein Stier auf den Torero" losgegangen und habe sich für zahlungsunfähig erklärt. "Griechenland versucht sich - hingehalten durch die Rettungspolitik der Eurozone - mit der EU auf Sparmaßnahmen zu einigen, um im Gegenzug Kapital zu erhalten."

Was passiert nach einer Staatspleite?

Generell kommt es meist zu einer Kettenreaktion an den Märkten, was die Situation zunächst noch schlimmer macht für das betroffene Land. Kapital wird abgezogen, Gläubiger wollen ihre Schulden. "Es werden binnen Kürze weltweit Klagen gegen das betreffende Land angestrengt, weil es gegenüber vielen Gläubigern Vertragsverletzungen begeht, wenn es die Zahlungen einstellt", so Paulus.

Was bringt eine Umschuldung im Fall Griechenlands?

Im Rahmen einer Umschuldung wird in der Regel die Rückzahlung nach hinten verschoben und/oder es werden niedrigere Zinskonditionen vereinbart, um dem Schuldnerland die Tilgung zu erleichtern. Die Europäische Union möchte auch die privaten Gläubiger wie Banken und Versicherungen einbinden. Diskutiert wird ein sogenanntes Roll-over-Verfahren. Hier bekommen Gläubiger auslaufende Anleihen ausbezahlt; dieses Geld soll dann aber sofort wieder an Griechenland verliehen werden - das nennt man Wiener Modell.

20 Staatspleiten seit 1999

Diskutiert wird auch eine freiwillige Laufzeitverlängerung ausstehender Anleihen. Die Bundesregierung schlägt sieben Jahre vor. Beide Konzepte gelten als sanfte Umschuldung - im Unterschied zu einem harten Schuldenschnitt. Hier würde Griechenland einen Offenbarungseid leisten und sagen: "Wir können nicht mehr, fortan bedienen wir nur noch 50 Prozent unserer Schulden."

Was haben Gläubiger von Anleihen aus Athen zu erwarten?

Die Experten sind sich weitgehend einig, dass Griechenlands Wirtschaft viel zu schwach ist, um den angehäuften Schuldenberg vollständig abzutragen. "Selbst nach einem Schuldenschnitt von 50 oder 60 Prozent lägen die Lasten im Verhältnis zum möglichen Bruttoinlandsprodukt Griechenlands immer noch über der Marke von 60 Prozent. Das ist selbst für ein wachstumsstarkes Land zu hoch", rechnet Bert Flossbach vom Kölner Vermögensverwalter Flossbach & von Storch vor.

Seit 1999 gab es insgesamt 20 Staatspleiten - allesamt in den Schwellenländern, berichtet die Ratingagentur Moody's. Der durchschnittliche Verlust für die Gläubiger betrug rund 50 Prozent, wobei die Ausfallquoten im einzelnen zwischen 18 Prozent und 93 Prozent lagen. Diese Erfahrungen, so Moody's, ließen sich aber nicht auf das Euro-Land Griechenland übertragen. Als wahrscheinlich gilt daher eine sanfte Umschuldung unter Beteiligung privater Gläubiger, die damit auf einen Teil ihrer Zinsen oder ihres Kapitals werden verzichten müssen.

Wie könnte eine geordnete Insolvenz ablaufen?

"Für Griechenland ist es zu spät. Nachträglich so ein Verfahren anzuordnen, ist mit erheblichen juristischen Schwierigkeiten verbunden", sagt Insolvenzrechtler Paulus. Für künftige Fälle schlägt er vor, "dass bei Herausgabe von Schuldtiteln generell eine Klausel in die Verträge kommt, die bei Zahlungsverzug automatisch ein Schiedsgericht für die Lösung von Konflikten bestimmt".

Paulus, der auch schon den IWF in Insolvenzfragen beriet, wirbt darüber hinaus für die Einführung eines sogenannten Planverfahrens für zahlungsunfähige Staaten. "Dazu müssten die Staaten nach dem US-Vorbild der Chapter-11-Regelung unter Gläubigerschutz gestellt werden. Den Regierungen wird Zeit gegeben, selbst einen Restrukturierungsplan zu erstellen, den sie dann mit den Gläubigern abstimmen müssen."

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