Griechenland in der Krise:Zahlen, bitte!

Die Griechen wollen allein zurechtkommen? Das wird nicht gelingen. Der Gipfel in Brüssel muss ein Zeichen geben, dass die Europäer Athen nicht hängenlassen.

Marc Beise

Als die europäischen Regierungschefs vor eineinhalb Jahren in Brüssel zusammensaßen, um über die Finanzkrise zu beraten (gerade war die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers kollabiert), gaben sich die Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück unnachgiebig: Das sei kein deutsches Problem und auch kein europäisches, jedes Land möge sich selbst kümmern.

Griechenland, dpa

Griechenland in der Krise - und wer zahlt?

(Foto: Foto: dpa)

Nach wenigen Wochen wussten die Deutschen, dass das amerikanische Problem ihr eigenes geworden war. Wenn an diesem Donnerstag die europäischen Regierungschefs wieder in Brüssel zusammensitzen, dann wird keiner der Teilnehmer noch ernsthaft glauben, die griechische Krise sei allein Sache der Regierung in Athen und niemand sonst müsse sich kümmern.

Dabei wäre es so schön, und es ist leicht gesagt: Sollen die Griechen doch selbst sehen, wie sie zurecht kommen. Sollen sie doch ganz allein für ihre seit Jahrzehnten bedenkenlose Wirtschaftspolitik, fürs ewige Schuldenmachen, für Missmanagement, Schlendrian und Korruption büßen - was geht das Europa an? Aber der Fall Griechenland zeigt exemplarisch, warum die Dinge in der vernetzten Welt des 21. Jahrhunderts nicht mehr so einfach sind, wie man es aus dem Bauch heraus gerne hätte.

Die Europäer helfen Griechenland nicht, jedenfalls nicht mit Geld? Wenn die Partnerstaaten das durchhalten wollten, könnte der Sommer heiß werden. Dem hochverschuldeten Griechenland fällt es immer schwerer, sich Geld zu besorgen. Wenn aber das Land pleiteginge, und sei es noch so klein und wirtschaftlich unbedeutend, dann krachen europäische und womöglich auch amerikanische Staatsanleihen in sich zusammen, dann gehen Banken und andere Finanzakteure weit außerhalb von Griechenland in die Knie.

Auch die Folgen der Realwirtschaft wären beängstigend, gerade für ein exportstarkes Land wie Deutschland. Mag auch der griechische Anteil an den deutschen Ausfuhren bei läppischen 0,8 Prozent liegen, bei um sich greifenden Turbulenzen wäre die deutsche Wirtschaft einer der größten Verlierer.

In Griechenland selbst ficht das viele nicht an. Tausende sind auf der Straße und protestieren gegen die sparbereite Regierung; schon sieht man brennende EU-Flaggen. Die Griechen wollen allein zurechtkommen? Das wird nicht gelingen. Ohne Europa werden sie nicht aus der Krise finden. Straßenproteste und Expertenbedenken - am Ende muss vom Gipfel in Brüssel ein erstes Zeichen ausgehen, dass die Europäer keinen Spaß verstehen, aber Griechenland nicht hängenlassen. Ob das reicht, wird sich zeigen. Wenn nicht, ist der nächste Gipfel fällig, und am Ende könnten konkrete Maßnahmen stehen: Einzelne EU-Staaten wie Deutschland könnten für griechische Staatsanleihen garantieren oder sogar direkt zahlen.

Durch eine schnelle und unbürokratische Hilfe erhielte Griechenland die notwendige Atempause an den Kapitalmärkten. Aber eine solche Rettung ist vom europäischen Recht nur mit Klimmzügen gedeckt, und vor allem riskierten die Europäer, dass die nächsten schon auf der Matte stehen: Portugal, Irland, vor allem Spanien. Deshalb muss die etwaige Hilfe mit Stacheln versehen sein, sie muss Griechenland regelrecht entmündigen. Das Muster muss lauten: Ja, die Europäer helfen - aber der Preis für diese Hilfe ist grauenvoll. Wer noch kann, sollte sich lieber selbst helfen. Der sollte die notwendigen Strukturreformen starten, ehe Brüssel sie erzwingt.

Als Vorbild für Reformen kann Ungarn taugen. Ein Land, das selbst noch vor Jahresfrist am Rande des Abgrundes stand. Internationale Investoren flüchteten, die Währung verfiel. Erst die Zusage von EU und Internationalem Währungsfonds, mit 20 Milliarden Euro zu helfen, beruhigte die Lage. Die Regierung ging auf einen rigiden Sparkurs, die Mehrwertsteuer wurde von 20 auf 25 Prozent erhöht. Heute sind Experten vorsichtig optimistisch: Das Wachstum beginnt zurückzukehren, die Zinsen fallen, die Investoren kommen. So kann es gehen. Auch in Griechenland.

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