Griechenland in der Krise:Europa schaut gebannt auf Athen

Griechenland am Scheideweg: Heute Abend stimmt das Parlament in Athen über die Vertrauensfrage von Regierungschef Papandreou ab. Sollten Papandreou und damit auch der drastische Sparkurs seiner Regierung scheitern, droht Griechenland womöglich als erstem Euro-Land die Staatspleite. Das Vertrauen vieler griechischer Bürger hat der Ministerpräsident indes bereits verloren - vor dem Parlament demonstrierten am Abend erneut Tausende Menschen gegen die Sparmaßnahmen.

Es ist eine Abstimmung über die politische Zukunft des Regierungschefs - vielleicht aber auch über die Zukunft des gesamten Landes: Um Milliardenhilfen von der EU zu bekommen, muss Ministerpräsident Giorgos Papandreou heute Abend die Vertrauensabstimmung im Parlament gewinnen. Scheitert er - und damit auch sein drastischer Sparkurs -, droht womöglich die erste Staatspleite eines Euro-Landes.

Citizens protest in front of the greek parliament building in Ath

Proteste vor dem griechischen Parlament in Athen: Dort entscheidet sich heute die politische Zukunft von Ministerpräsident Giorgos Papandreou.

(Foto: dpa)

Das Vertrauensvotum begann am Dienstagabend um 0.30 Uhr (Ortszeit) und dauert momentan noch an. Der Ministerpräsident appellierte zuvor an die Parlamentarier: "Heute wird uns geholfen. Es ist aber unsere Pflicht, auf eigenen Beinen zu stehen", sagte Papandreou am Dienstagabend im Parlament in Athen. Ursachen der Krise seien Versäumnisse der Griechen. "Wenn die Griechen sich nicht entscheiden, alles zu ändern, wird das Land nie aus der Krise kommen", sagte er.

Vor der Abstimmung am späten Dienstagabend machten auch die Bürger in Athen erneut mobil: Tausende Menschen zogen vor das Parlament und skandierten "Diebe! Diebe!".

Barroso stellt Notfallplan vor

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso mahnte vor der Abstimmung, den Weg für weitere Milliardenhilfen aus dem Ausland nicht zu versperren. Er präsentierte gleichzeitig einen Notfallplan, mit dem die EU-Kommission Griechenland retten will. Barroso sagte, das Land könne einen Vorschuss aus bestehenden Töpfen in Höhe von einer Milliarde Euro erhalten. Er will den Vorschlag auf dem EU-Gipfel in dieser Woche vorstellen.

Mit dem Geld sollen Barroso zufolge die Wettbewerbsfähigkeit des Landes gestärkt und die Arbeitslosigkeit bekämpft werden. Es gehe darum, den Griechen "nicht nur Opfer abzuverlangen", sondern auch das Wirtschaftswachstum zu fördern. Als Gegenzug für internationale Notkredite muss Griechenland harte Sparauflagen erfüllen, die in der Bevölkerung auf Protest stoßen.

Der Vorschlag Barrosos sieht der Kommission zufolge vor, Griechenland Geld aus dem Kohäsionsfonds der EU auszuzahlen, mit dem etwa Infrastruktur und Wirtschaft in unterentwickelten Regionen gefördert werden. Hier sind bereits Gelder für Griechenland vorgesehen - genau sie hat Barroso nun ins Auge gefasst. Die Mittel können nämlich im Moment nicht ausgezahlt werden. Denn wird ein Projekt aus dem EU-Topf gefördert, muss auch das Empfängerland einen eigenen Beitrag leisten. Da die Regierung in Athen aber gegen den Staatsbankrott ankämpft, kann sie ihren Anteil nicht aufbringen - und das Geld bleibt im EU-Haushalt.

Hoffnung an den Märkten

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel appellierte an die Politiker in Athen, in der heiklen Lage Verantwortung zu zeigen. An den Märkten überwog die Hoffnung, dass Papandreou die Abstimmung überstehen und damit ein weiteres Sparpaket durchsetzen kann, das Voraussetzung für neue Milliardenhilfen ist. Der Euro, der Dax in Frankfurt und die Wall Street legten zu.

"Griechenlands Regierung muss die richtigen Entscheidungen im Parlament treffen", forderte Merkel nach den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen in Warschau. Gleichzeitig beharrte die Kanzlerin auf einer Beteiligung des privaten Sektors an einem neuen Griechenland-Hilfspaket.

Bonitätswächter von Fitch und Standard & Poor's drohen jedoch für diesen Fall, den Daumen über Griechenland zu senken: Sie kündigten an, dass selbst eine freiwillige Beteiligung privater Gläubiger an einem neuen Rettungspaket wohl als Zahlungsunfähigkeit des Mittelmeerlandes eingestuft würde. Damit wäre das EU-Mitglied de facto endgültig von den Finanzmärkten abgeschnitten. Experten befürchten dann eine Kettenreaktion, die andere Schuldenländer mit in den Abgrund reißen könnte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: