Süddeutsche Zeitung

Griechenland in der Krise:Die wahren Täter werden nicht bestraft

An der Ehrlichkeit des griechischen Premiers zweifelt noch keiner - an seinen Fähigkeiten zuletzt immer mehr. Er darf sich keine Fehler mehr erlauben.

Kai Strittmatter

Eines ist klar: Dieses Land wird nicht mehr dasselbe sein. Europäische Union und Internationaler Währungsfonds helfen Griechenland mit einer noch vor kurzem unvorstellbaren Summe: 120 Milliarden Euro.

Dafür verpflichtet sich das Land zu harten Einschnitten. Wenn all die Streichungen und Steuererhöhungen vollzogen sind, werden viele Griechen bis zu 30 Prozent weniger im Geldbeutel haben. Ihr Leben wird umgekrempelt. Sie werden ärmer.

Kann man Griechenland vor der Pleite retten? Das ist die Wette, die läuft. Der erste Teil ist nun gewonnen. Das Rettungspaket sollte den Griechen nicht nur Schreckensnachricht sein. Ja, es wird brutal gestrichen, aber es finden sich darin auch Strukturreformen, die der Regierung den Rücken stärken beim Umbau des Landes. Griechenland ist ein gescheiterter Staat.

Das Sparen verschafft dem Land eine kurze Atempause, wichtiger für die Zukunft ist das Aufbrechen verkrusteter Strukturen. Die vereinbarte Abschaffung unsinniger Behörden oder das Aufknacken der bislang abgeschotteten Kartelle von Architekten, Rechtsanwälten oder Lastwagenfahrern tun letztlich für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes mehr als ein einbehaltener 13. Monatslohn.

Ein kluges Zeichen von EU und IWF ist es auch, den Griechen für die Reduzierung ihres Defizites ein Jahr mehr Zeit zu geben: Erst 2014 soll es auf drei Prozent heruntergefahren sein. Ein wenig Luft zum Atmen.

Aber die Wette hat noch einen zweiten Teil. Das Vertrauen der Europäer hat die Regierung Papandreou zwar gewonnen, doch jetzt muss die Regierung zeigen, dass sie den Apparat unter Kontrolle hat und erneuern kann. Die Gewerkschaften - bislang skrupellose Profiteure des alten Systems - müssen auf Sabotage verzichten.

Die konservative Opposition, die den Karren erst so tief in den Dreck gefahren hat, als sie an der Regierung war, muss sich entscheiden zwischen Verantwortung und Populismus. Vor allem aber: Premier Papandreou muss das Vertrauen der Bürger wiedergewinnen. Ein so brutales Sparpaket kann nur wirken, wenn das Volk mitzieht.

Bluten werden vor allem die einfachen Leute, die bislang schon rechtschaffen ihre Steuern zahlten. Sie wussten längst, dass es mit Griechenland so nicht weitergehen kann. Auch brachten sie dem integren Papandreou anfangs viel guten Willen entgegen.

Den hat der Premier zum Teil verspielt, weil er zu lange gezögert hat, weil die bittere Wahrheit nur scheibchenweise präsentiert wurde.

Aber auch, weil das Volk die wahren Täter, die bestechlichen Politiker, die korrupten Beamten, die steuerhinterziehenden Ärzte und Rechtsanwälte bislang nicht bestraft sieht.

An der Ehrlichkeit des Premiers zweifelte noch keiner, an seinen Fähigkeiten zweifelten zuletzt immer mehr. Papandreou darf sich keine Fehler mehr erlauben. Noch sind die Griechen in Schockstarre. Was wird sein, wenn sie aufwachen: wachsender Protest oder wachsende Einsicht?

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SZ vom 03.05.2010/hgn
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