Süddeutsche Zeitung

Griechenland-Hilfen:Schäubles Scheitern

Außer Spesen nichts gewesen: Die Finanzminister der Eurogruppe können sich bislang nicht auf neue Hilfen für Griechenland einigen. Der Knackpunkt: Schäubles Beharren, die privaten Investoren zu beteiligen. Jetzt soll Kanzlerin Merkel versuchen, die europäischen Partner umzustimmen. Ein Blick hinter die Kulissen.

Claus Hulverscheidt, Berlin

Nicht immer ist Wolfgang Schäubles Miene ein verlässlicher Gradmesser dafür, wie es um das Seelenleben des Bundesfinanzministers bestellt ist. Als der Christdemokrat aber am Dienstagabend das Justus-Lipsius-Gebäude in Brüssel verließ, war sein Gesichtsausdruck derart finster, dass sich alle Interpretationen erübrigten: Außer Spesen nichts gewesen.

Die von Schäuble gewünschte Diskussion mit seinen Amtskollegen aus den 16 anderen Euro-Staaten über die Ausgestaltung eines weiteren Hilfspakets für Griechenland kam gar nicht erst zustande. Es blieb beim Vortrag der bekannten Positionen, schlimmer: Einige Minister zeigten offen ihr Missfallen über das Treffen an und für sich. Der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft blieb nichts anders übrig, als ihre zuvor angekündigte Pressekonferenz abzusagen und auf die Veröffentlichung einer gemeinsamen Erklärung zu verzichten, mit denen die Minister eigentlich die internationalen Finanzmärkte hatten beruhigen wollen.

Hauptstreitpunkt war, ist und bleibt die Frage, ob und in welchem Umfang sich die privaten Gläubiger der griechischen Regierung, also Banken, Versicherungen, Investmentfonds, Unternehmen und Kleinanleger, an weiteren Hilfen für das südosteuropäische Land beteiligen sollen. Schäuble und auch der Deutsche Bundestag haben ihre Zustimmung zu einem neuen Programm ausdrücklich davon abhängig gemacht, dass die Risiken nicht noch einmal beim Steuerzahler allein abgeladen werden. Das neue Paket soll je nach Laufzeit ein Kreditvolumen von 90 bis 120 Milliarden Euro haben. Etwa 20 bis 30 Milliarden Euro davon sollen nach den Vorstellungen der Bundesregierung all diejenigen Privatinvestoren übernehmen, die heute bereits griechische Staatsanleihen besitzen und damit ordentlich Geld verdient haben. Die Mittel wären für die Gläubiger keineswegs verloren, sie würden nur später zurückgezahlt als bislang vereinbart.

Anders als gelegentlich behauptet, ist Deutschland mit dieser Haltung innerhalb Europas zwar in der Minderheit, aber nicht isoliert. Staaten wie Finnland, die Niederlande, Luxemburg und die Slowakei vertreten eine ähnliche Position, das Gleiche gilt für den Internationalen Währungsfonds (IWF). Ziel ist, dass sich die Privatgläubiger "substantiell, quantifizierbar, verlässlich und freiwillig" an der Sanierung Griechenlands beteiligen, wie Schäubles Sprecher Martin Kotthaus es am Mittwoch ausdrückte. Konkret: Die Geldgeber tauschen ihre Anleihen in neue, länger laufende Schuldverschreibungen um und verschaffen der Regierung in Athen damit mehr Zeit für die Rückzahlung ihrer Verbindlichkeiten. Die Teilnahme an dem Programm wäre freiwillig - was staatlichen Druck auf zögerliche Investoren nicht ausschließt.

Genau davor warnen jedoch die Kritiker des sogenannten "Re-Profiling", die von Frankreich und der Europäischen Zentralbank (EZB) angeführt werden. Sie sind allenfalls zu einem "Roll Over" bereit, bei dem die privaten Gläubiger zusagen, sich nach der fristgemäßen Rückzahlung ihrer Anleihen auch an der Anschlussfinanzierung zu beteiligen. Alle schärferen Umschuldungsformen gingen dagegen aus ihrer Sicht mit der Gefahr einher, dass nach Griechenland auch die Pleite-Kandidaten Irland und Portugal, womöglich sogar Spanien, ins Visier der Finanzmärkte geraten könnten. Die EZB fürchtet zudem um ihre Bilanz, die bereits stark mit ausfallgefährdeten Staatspapieren und Bürgschaften belastet ist. Ein Roll Over ist jedoch aus Sicht der Re-Profiling-Befürworter eindeutig zu wenig: "Das wäre weder substantiell, noch verlässlich", heißt es in ihren Reihen.

Da Schäuble nicht vorankommt, will nun Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr politisches Gewicht in die Waagschale werfen und bei einem Treffen mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy am Freitag in Berlin für die deutsche Haltung werben.

Eine denkbare Lösung des Konflikts wäre, dass die EU und der IWF zunächst vereinbaren, umgehend die nächste Rate aus dem schon bestehenden, 110 Milliarden Euro umfassenden Hilfspaket für die Griechen auszuzahlen. Aus technischen Gründen müsste die EU dabei vorübergehend auch die Rückzahlung des neuen IWF-Kredits garantieren. Die Gespräche müssten dann nicht erst im Herbst abgeschlossen sein. Ganz ohne die Privaten, wie manche das wollen, wird es dabei gehen. "Dann", so hieß es in Berliner Regierungskreisen, "braucht sich Schäuble im Bundestag nicht mehr blicken lassen."

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SZ vom 16.06.2011/bbr
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