Griechenland:Geplante Volksabstimmung lässt Kurse abstürzen

Athen zögert, das EU-Rettungspaket anzunehmen und löst damit ein Beben an den internationalen Finanzmärkten aus. Anleger flüchten aus Aktien und dem Euro, der Risikoaufschlag für italienische Staatsanleihen schnellt in die Höhe, der Dax verliert mehr als fünf Prozent. Ökonomen sehen bei einem Nein der griechischen Bevölkerung mehr als den Euroraum in Gefahr.

Mit seiner Ankündigung einer Volksabstimmung über das europäische Rettungspaket hat der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou weltweit für Verunsicherung gesorgt. Aus Furcht vor einem Scheitern der Bemühungen der Euro-Länder, eine Pleite Griechenlands abzuwenden, trennten sich Anleger von asiatischen und europäischen Aktien. Der Euro setzte seine Talfahrt ebenfalls fort. Die Investoren suchten stattdessen Zuflucht in "sicheren Häfen" wie Bundesanleihen.

Der deutsche Aktienmarkt erlebte am Dienstag einen Kurseinbruch. Der Dax hat als Reaktion mehr als fünf Prozent verloren und schloss damit nahtlos an den bereits sehr schwachen Wochenauftakt an.

Am Markt verwiesen Experten einstimmig auf die jüngsten Nachrichten aus Athen: Die erneut aufkommenden Sorgen um Griechenland belasteten vor allem die Bankenwerte. Aktien von Deutscher Bank, Commerzbank und Aareal Bank brachen um acht bis zwölf Prozent ein. Börsianer sprachen von wieder deutlich verstärkter Unsicherheit um die Eurozone. Ein Händler sagte: "Auch wegen der Sorgen um den Wert der Griechenland-Anleihen drückt das besonders stark auf die Stimmung für Banken." Hinzu kommen schlechter als erwartete Zahlen der Credit Suisse.

Risikoaufschlag für Italien steigt auf Rekordhoch

Der Risikoaufschlag für Staatsanleihen des ebenfalls hoch verschuldeten Euro-Landes Italien ist auf einen Rekordstand gestiegen. Der Aufschlag richtungsweisender zehnjähriger italienischer Staatspapiere zu deutschen Titeln kletterte im Vormittagshandel auf bis zu 4,34 Prozentpunkte. Er lag damit so hoch wie noch nie seit Einführung des Euro an den Finanzmärkten im Jahr 1999.

Der jüngste Anstieg resultiert sowohl aus fallenden Wertpapierkursen in Italien als auch stark steigenden Anleihekursen in Deutschland. Italien war wegen seines hohen Schuldenstands und politischer Unstimmigkeiten ins Kreuzfeuer der Finanzmärkte geraten. Deutsche Staatsanleihen gelten indes nach wie vor als sehr sicher. Daher muss Deutschland den Anlegern auch deutlich niedrigere Zinsen bieten als Italien: Während Deutschland derzeit für zehn Jahre rund 1,8 Prozent zahlen muss, liegt der entsprechende Zins in Italien bei rund 6,1 Prozent.

Auch in Athen hat der Aktienmarkt mit einem Kurseinbruch reagiert. Der Index der 20 wichtigsten Unternehmen, ATHEX 20, stand gegen 10.05 Uhr mit einem Minus von 7,3 Prozent da. Zuvor hatte er zeitweise mehr als acht Prozent verloren. Mit der geplanten Abstimmung steige die Unsicherheit über die Entwicklung des Schuldendramas, sagten Händler. Der Markt spekuliere auf eine Ablehnung der Sparpläne bei einer Volksabstimmung und damit den Staatsbankrott Griechenlands, hieß es. Als Halter von Staatsanleihen wären die Banken davon besonders betroffen.

Ökonomen sind besorgt

Ökonomen werteten die Ankündigung in einer ersten Reaktion als starken Rückschlag in der Schuldenkrise und als enormes Risiko für die Zukunft Griechenlands. Zudem sehen sie deutliche Gefahren für den Euroraum, die Weltwirtschaft und das globale Finanzsystem.

Eine Ablehnung der finanziellen Hilfen seitens Griechenland wäre aus Sicht der Bremer Landesbank "Selbstmord". "Referenden zu ökonomischen Themen sind laut griechischer Verfassung nicht zulässig. Wir sind gespannt, wie belastbar das griechische Rechtssystem ist", sagte Chefsvolkswirt Folker Hellmeyer.

"Das gesamte Rettungspaket steht nun wieder infrage und eine harte Umschuldung scheint nicht mehr abwegig", schrieb Commerzbank-Zinsstratege Benjamin Schroeder in einem Kommentar. Auch Ökonom und Nobelpreisträger Christopher Pissarides warnte vor den Folgen: "Bei einem 'Nein' müsste Griechenland sofort Bankrott erklären. Ich sehe nicht, dass Griechenland im Euro bleiben könnte."

"Dies führt wieder zu Verunsicherung und Volatilität und macht im Grunde alle Bemühungen der EU für eine Einigung wieder zunichte", sagte Kathy Lien, Analystin bei GFT Forex. Sollte das Referendum durchgehen, wäre das eine enorme Erleichterung.

Auch bei der HSH Nordbank fragt man, ob so ein Referendum überhaupt abgehalten werden darf, bleibt aber gelassen: "Wir gehen davon aus, dass der neuerliche Griechenland-Schock eher kurzlebig sein wird, denn die Regierungen der Euroland-Staaten werden weiter - und jetzt vielleicht sogar noch etwas entschlossener - an der Umsetzung der Gipfelbeschlüsse arbeiten."

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