Greenspan rechtfertigt sich:"Ich widerspreche mit allem Respekt"

Der frühere US-Notenbankchef Greenspan sieht keinerlei Zusammenhang zwischen seiner Politik des billigen Geldes und der Spekulationsblase auf dem Immobilienmarkt.

Der tiefe Fall von der Ikone der Finanzwelt zum Schuldigen für die Wirtschaftskrise sitzt tief: Nun hat der frühere US-Notenbankchef Alan Greenspan erneut vehement Anschuldigungen zurückgewiesen, seine Politik des leichten Geldes habe die spekulative Blase auf dem US-Immobilienmarkt heraufbeschworen. Auf einer Konferenz des US-Immobilienmaklerverbandes "NAR" rief er seinen Kritikern zu: "Ich widerspreche mit allem Respekt; sie liegen falsch."

Greenspan rechtfertigt sich: Der frühere US-Notenbankchef Alan Greenspan: "Niemand kann behaupten, dass wir riesige Mengen Geld ins System gepumpt haben."

Der frühere US-Notenbankchef Alan Greenspan: "Niemand kann behaupten, dass wir riesige Mengen Geld ins System gepumpt haben."

(Foto: Foto: AP)

Nach seiner Rede auf der NAR-Konferenz wurde Greenspan gefragt, ob er im Nachhinein denke, dass die Leitzinsen in seiner Zeit als Fed-Chef stärker hätten steigen müssen.

Der 83-Jährige antwortete, dass der Immobilienmarkt von den langfristigen Zinsen abhängig sei und nicht von den kurzfristigen Sätzen, die die Fed festlege. Der Immobilienboom habe zudem bereits im Jahr 2000 begonnen, während die US-Notenbank erst 2001 in ihre Zinssenkungspolitik eingestiegen sei. Als die Fed schließlich 2004 die Zinsen wieder erhöht habe, sei er außerdem davon ausgegangen, dass die Hypothekenzinsen nun ebenfalls steigen würden - sie seien stattdessen aber gesunken.

"Rätselhafte Uminterpretation"

"Niemand kann behaupten, dass wir riesige Mengen Geld ins System gepumpt haben. Das Geldangebot erhöhte sich um weniger als fünf Prozent", rechtfertigte sich Greenspan. "Derzeit läuft eine Uminterpretation der Finanzgeschichte, die ich sehr rätselhaft finde."

Der frühere Notenbankchef gab sich allerdings auch zuversichtlich, dass die Wirtschaftskrise überwunden werden könne. Es gebe Anzeichen dafür, dass die Krise am US-Immobilienmarkt ihre Talsohle erreicht habe, auch wenn sich das noch nicht in den Grundstückspreisen widerspiegele. Die Häuser- und Wohnungspreise seien noch immer die Achillesverse der US-Wirtschaft, die abgesehen davon in den vergangenen Wochen aber "ungemein gut" gelaufen sei.

Die Wirtschaft könne einen Verfall der Grundstückspreise um weitere fünf Prozent wegstecken, so der Geldpolitiker. Wenn sie allerdings weit darunter absacken würden, wären auch konservativ finanzierte Hypotheken in Gefahr, warnte er.

Enormer Verlust bei Freddie Mac

Dem US-Hypothekenfinanzierer Freddie Mac machen Greenspans Worte möglicherweise Hoffnung, noch steckt das Institut aber in tiefen Kalamitäten. Denn zum Jahresauftakt meldete das staatlich kontrollierte Geldhaus einen enormen Verlust von fast zehn Milliarden Dollar. Nach dem bereits siebten Quartalsminus in Folge beantragte das Institut darauf eine weitere Finanzspritze des Staates von 6,1 Milliarden Dollar (4,5 Milliarden Euro).

Die Staatshilfen summieren sich damit bisher auf mehr als 50 Milliarden Dollar. Freddie Mac und das ebenfalls taumelnde Zwillingsinstitut Fannie Mae stehen hinter knapp jedem zweiten Immobilienkredit in den USA - ihre ausgelegten Kredite erreichen den schwindelerregenden Gesamtwert von 5,2 Billionen Dollar. Um den völligen Kollaps des Hypothekenmarkts abzuwehren, hatte der Staat im vergangenen September das Steuer bei den zwei Häusern übernommen. Damit hängen inzwischen Millionen Hausbesitzer in Amerika direkt von der Regierung ab.

Die Finanzierer stehen im Zentrum der Pläne von US-Präsident Barack Obama zur Stabilisierung des US-Häusermarktes. Fannie Mae hatte erst kürzlich für das erste Quartal sogar ein Minus von mehr als 23 Milliarden Dollar bekanntgegeben und auch neue Hilfen von nun insgesamt 34 Milliarden Dollar in Anspruch genommen. Der Staat hat den zwei Finanzierern bei Bedarf Unterstützung von inzwischen jeweils bis zu 200 Milliarden Dollar in Aussicht gestellt - zuvor war es erst die Hälfte gewesen.

Erste Anzeichen für Besserung

Erst Ende April hatte der Selbstmord des Finanzchefs von Freddie Mac für große Aufregung gesorgt. Der 41-jährige David Kellerman hatte seit Anfang der neunziger Jahre für das Institut gearbeitet und erst im September das Amt des Finanzchefs übernommen. Im März verließ zudem der bisherige Konzernchef David Moffett das Unternehmen nach nur sechs Monaten an der Spitze.

Auch die nächsten Quartale würden schwierig bleiben, warnte Freddie Macs Interims-Chef John Koskinen. Es gebe allerdings erste Anzeichen, dass sich die Talfahrt der Hauspreise verlangsame.

Im ersten Quartal 2008 hatte der Konzern erst einen Quartalsverlust von 151 Millionen Dollar verbucht. Zuletzt waren es im Schlussquartal 2008 aber fast 24 Milliarden Dollar gewesen. Das Ergebnis der ersten drei Monate belasteten wieder rund neun Milliarden Dollar allein bei der Risikovorsorge für faule Kredite. Die Zahlungsausfälle nahmen nochmals zu. Weitere mehr als sieben Milliarden Dollar musste Freddie Mac auf Wertpapiere abschreiben.

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