Süddeutsche Zeitung

Gold:Gier nach Gold - wie nach 1980

Ein Experte erinnert sich an das Jahr, als das Edelmetall noch etwas mehr kostete als derzeit - und entdeckt viele Parallelen

Simone Boehringer

''Es erinnert doch einiges an den Januar 1980'', sagt Hans Hagen. Damals wie heute schoss der Goldpreis binnen weniger Handelstage von knapp 800 auf mehr als 850 Dollar. Hagen war damals Leiter des Edelmetallhandels der Bayerischen Raiffeisen-Zentralbank.

Am Montag, den 21. Januar, 15.29 Uhr, schrieb er in sein Handelsbuch: Ankauf 854, Verkauf 862 Dollar. Gemeint war damit der Preis pro Feinunze Gold. Zwei Minuten später hieß es: ''Fix 850.'' Das war die höchste je erreichte Marke beim maßgeblichen Londoner Fixing. Zwischenzeitlich erreichte der Goldpreis an jenem Montag ein Rekordhoch bei 870 Dollar. Danach ging es rapide bergab.

Das könne auch heute wieder passieren, meint Hagen, mit seinen 65 Jahren einer der wenigen Branchenkenner in Deutschland, der damals schon an verantwortlicher Position im Edelmetallgeschäft tätig war und es teilweise als Berater heute noch ist. Wie damals, seien auch heute wieder viele Spekulanten am Markt, ''die morgens in Hongkong Gold kaufen, in der Hoffnung, es abends in New York wieder teurer verkaufen zu können'', sagt Hagen. ''Die Hausse nährt die Hausse, damals wie heute, das birgt die Gefahr einer plötzlichen Korrektur.''

Tatsächlich kostete die Feinunze Gold Ende vergangener Woche noch weniger als 800 Dollar, bis Dienstag Nachmittag wurde das Edelmetall in der Spitze mit 845,40 Dollar gehandelt. Nach Gewinnmitnahmen ergab sich zum Londoner Nachmittagsfixing noch ein Preis von 834,50 Dollar. Analysten wie etwa Robin Bhar von der Schweizer UBS rechnen fest mit einer ''deutlichen Abwärtskorrektur'', sobald alte Rekorde eingestellt werden.

Spiegelbild des Dollar

Am Dienstag gab es erst einmal eine kurstreibende Nachricht: Ein hochrangiger Vertreter des Ständigen Ausschusses im Nationalen Volkskongress Chinas monierte, die immensen Währungsreserven des Landes doch endlich besser aufzuteilen. Der Kapitalmarkt verstand das in erster Linie als eine Ansage zur Flucht aus dem Dollar. China gehört zu den größten Gläubigern der USA. Entsprechend stark sackte die US-Währung ab.

Bis 17.45 Uhr erreichte der Euro zum Dollar einen Rekordwert von 1,4655 Dollar. ''Gold ist derzeit das exakte Spiegelbild des Euro-Dollar-Kurses'', erklärt Michael Klawitter, Devisenanalyst bei der Dresdner Bank. ''Der Dollar wird als globale Reserve- und Handelswährung zunehmend in Frage gestellt'', so Klawitter. Anleger, allen voran die Profis steckten ihr Geld daher bevorzugt in ''reale Werte'', also in Rohstoffe, allen voran Edelmetalle. Bereinigt man den alten Höchststand von Gold um die seither stattgefundene Geldentwertung, berechnete Reuters, müsste der Goldpreis heute bei rund 2200 Dollar liegen.

Dabei hat der Wert des Edelmetalls seit Beginn der US-Hypothekenkrise im Sommer bereits um gut ein Drittel zugelegt. Auf Dreijahressicht hat sich der Goldpreis sogar verdoppelt. Die Dollar-Schwäche, der hohe Ölpreis, die Inflationsängste der Menschen und die angespannte politische Lage im Nordirak gelten als Haupttriebfedern für den Goldpreisanstieg der vergangenen Wochen.

Kurz vor dem indischen Divali-Fest sei auch die Schmucknachfrage gestiegen, hieß es am Markt ''Hinzu kommt der Bedarf börsengehandelter Goldfonds, die sich teils für jeden verkauften Anteil physische Ware in den Tresor legen müssen'', erklärt Barbara Lambrecht, Edelmetall-Analystin der Commerzbank. So absorbiere alleine der größte dieser Exchange Traded Funds mit Namen Street Tracks fast 20 Millionen Unzen, umgerechnet 620 Tonnen; das entspricht knapp einem Viertel der jährlichen Minenproduktion.

Ein ähnliches Phänomen gibt es am Silbermarkt, weshalb auch der Silberpreis in die Höhe schnellte. So kostete Silber am Dienstag zeitweise mehr als 16 Dollar je Unze, soviel wie seit 27 Jahren nicht mehr. Platin und Palladium wurden ebenfalls mitgerissen. Platin lag bei einem Rekord von 1484 Dollar je Unze, Palladium in der Spitze bei 382 Dollar.

Auch 1980 kam die Goldrally nicht von ungefähr, erinnert sich Hagen. ''Die Inflation war sehr hoch und der Ölpreis auch. Hinzu kam, dass Weihnachten 1979 die Russen in Afghanistan einmarschiert waren. Es herrschte Angst, dass sie weiterziehen würden bis in die Ölförderländer Irak, Iran, Kuwait. Der Bezug von Öl für den Westen schien gefährdet.''

Ahnungen über einen baldigen Tod des jugoslawischen Diktators Tito, der die Vielvölkerregion Balkan zusammenhielt, und Gerüchte, die Ölförderländer würden darüber nachdenken, sich künftig in Gold statt in Dollar bezahlen zu lassen, taten laut Hagen ein Übriges, den Goldpreis nach oben zu treiben.Wie heute auch, ging die Goldrally damals einher mit steigenden Notierungen der anderen Edelmetalle. Hagens Handelsbuch weist für den 21. Januar einen Silberpreis von gut 50 Dollar aus, Platin kostete 950 Dollar und Palladium um die 280 Dollar.

Schnelles Ende

Wie ihm damals zumute war? ''Ich hatte keine Zeit, mir über die Lage viele persönliche Gedanken zu machen.'' Stattdessen telefonierte sich Edelmetallhändler Hagen die Finger wund, um für Kunden ''physische Ware, also Barren und Münzen'' zu besorgen. ''Frankfurt, London, Zürich'', waren die wichtigsten Verbindungen, ''Ein-Unzen-Münzen Krügerrand und Maple Leaf sowie Goldbarren'' die gefragtesten Produkte, weiß Hagen.

Und heute? Da sitzt ''Teilpensionär'' Hagen beim Münchner Edelmetallhändler Pro Aurum und hilft ehrenamtlich, dem Kundenansturm Herr zu werden. Was geht am besten? ''Krügerrand Gold- und Silbermünzen und Wiener Philharmoniker-Münzen'', sagt Pro-Aurum-Geschäftsführer Mirko Schmidt. ''Wir haben teilweise Lieferzeiten von zwei bis acht Wochen.'' Ähnliches bestätigt Karlheinz Jockel, Leiter des Edelmetallhandels der Dresdner Bank. ''Es ist wie beim Autokauf. Wer auf ein bestimmtes Produkt festgelegt ist, muss warten.''

Vorsicht ist dennoch geboten, wie die Geschichte lehrt: Am 22. Januar 1980 war die Goldhausse erst einmal für zwanzig Jahre vorbei. Ende Januar kostete die Goldunze noch 650 Dollar, bis Ende März war der Preis unter 500 Dollar gefallen. Von 1990 bis 2002 war das Edelmetall weniger als 400 Dollar wert

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SZ vom 8.11.2007/sho/mah
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