Gipfelbeschlüsse:Wie die G20 den Finanzsektor reformieren wollen

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Finanztransaktionssteuer, Bankenreform, Kampf dem Derivatehandel und den globalen Ungleichgewichten: Mit großen Plänen reisten die Regierungschefs zum G-20-Gipfel nach Cannes. Was daraus geworden ist - im Überblick.

Michael Kläsgen, Cannes

Die wenigen Fortschritte, die die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer bei ihrem Treffen in Cannes machten, finden sich vor allem im Bereich der Finanzmarktregulierung. Erstmals vereinbarten die G 20 zudem, die Agrarproduktion zu steigern. Sie einigten sich darüber hinaus darauf, soziale Mindeststandards in jedem Land zu definieren. Die Rolle der Schwellenländer soll insgesamt aufgewertet werden.

[] Systemrelevante Banken

Weltweit tätige systemrelevante Banken, sogenannte Sifis, sollen ab 2016 einen größeren Kapitalpuffer über eine höhere Eigenkapitalquote aufbringen. Damit wollen die G 20 die Banken besser vor Krisen schützen und den Schaden für die Steuerzahler begrenzen. Davon betroffen sind 29 Geldhäuser. In Deutschland zählen die Deutsche Bank und die Commerzbank dazu. Die Sifis sollen Pläne vorlegen, wie sie im Falle einer Pleite abgewickelt werden können. Damit soll das bisher geltende Prinzip "too big to fail" (zu groß für einen Bankrott) durchbrochen werden. Die G 20 wollen zudem die Boni für Banker stärker kontrollieren.

[] Schattenbanken

Die Geschäfte sogenannter Schattenbanken wie Hedgefonds, die wie Banken handeln, aber nicht wie diese beaufsichtigt werden, sollen künftig überwacht werden. Geld erhalten sie größtenteils von herkömmlichen Banken, die im Zuge einer verschärften Kontrolle des regulierten Sektors immer mehr Aktivitäten in den Schattenbereich ausgelagert haben. Die G 20 vereinbarten Leitlinien, um Aufsicht und Regulierung in diesem Bereich zu verbessern. Es geht um ein Geschäftsvolumen von schätzungsweise 60 Billionen US-Dollar, etwa ein Drittel der weltweiten Finanzgeschäfte. Schattenbanken sind in der Regel in Steuerparadiesen angesiedelt.

[] Steuerparadiese

Die G 20 brandmarkten elf Steuerparadiese, die jegliche Kooperation beim Austausch von Finanzdaten verweigern, darunter die Seychellen, Brunei, Uruguay sowie Trinidad und Tobago. Viele Schattenbanken befinden sich in diesen Steuerparadiesen. Die Schweiz und Liechtenstein müssten weitere Anstrengungen unternehmen.

[] Derivate

Die G 20 wollen den Derivatemarkt stärker kontrollieren. Derivate sind eine Art Wette auf die Preisentwicklung unterschiedlichster Produkte. Der Handel mit Derivaten ist zuletzt rasant über das Direktgeschäft (OTC-Derivatehandel) gewachsen. Jetzt soll er durch die Verlagerung auf Börsen- und Handelsplattformen transparenter werden. Zudem wollen die G 20 durchsetzen, dass die Funktionsweise der Märkte für Kreditausfallversicherungen, die sogenannten Credit Default Swaps (CDS), untersucht wird. CDS werden teilweise für Spekulationen gegen Staaten genutzt.

[] Reform des Weltwährungssystems

Die G 20 wollen langfristig eine Welt schaffen, in der mehrere Währungen Gewicht haben. China signalisierte, seine Währung flexibler gestalten zu wollen. Der US-Dollar wird zwar mittelfristig die Nummer eins bleiben, seine Bedeutung aber abnehmen. Dadurch sollen die Dollar-Abhängigkeit der Weltwirtschaft reduziert und die Krisenfestigkeit des Weltwährungssystems gesichert werden. Am System der flexiblen Wechselkurse halten die G 20 grundsätzlich fest.

[] Finanztransaktionssteuer

Sie gilt als das Symbol für die Beteiligung der Finanzbranche an den Kosten der Krise. Die G 20 rangen heftig darum, erzielten aber wie erwartet keine Einigung. Vor allem Großbritannien und die USA sperrten sich dagegen. Deutschland und Frankreich befürworteten sie. Spanien, Argentinien, Brasilien und die Afrikanische Union sind auf deren Seite. Den USA konnten sie das Zugeständnis abringen, dass die Finanzbranche einen größeren Beitrag zur Krisenbewältigung leisten soll, was nicht in der Schlusserklärung dokumentiert ist. Die Frage ist nun, ob eine solche Steuer im Euro-Raum eingeführt wird. Nach den Worten des Gipfel-Gastgebers Nicolas Sarkozy könnte dies bereits 2012 der Fall sein.

[] Internationaler Währungsfonds

Der IWF soll mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet werden. Er soll auch kurzfristig notleidenden Ländern mit Liquidität aushelfen können. Insbesondere soll die Rolle des IWF in Europa aufgewertet werden, um eine "Brandschutzmauer" um Länder wie Italien oder Spanien zu ziehen. Wie dies genau geschehen soll, muss noch geklärt werden. Dies könnte über spezielle Sonderziehungsrechte bedrohter Länder geschehen, die bei Notenbanken weltweit in Euro umgetauscht werden können. Jene Länder könnten auch einem vom IWF verwalteten Fonds Mittel zur Verfügung stellen, die dieser zur Sicherung der Finanzstabilität weltweit einsetzen könne. Sowohl die Sonderziehungsrechte als auch der vom IWF verwaltete Fonds könnten sich an dem zur Erweiterung der Schlagkraft des Euro-Rettungsschirms EFSF geplanten Sondervehikels beteiligen.

[] Ungleichgewichte

Die G 20 einigten sich, dass Länder mit hohen Handelsüberschüssen wie Deutschland oder China ihre Binnennachfrage ankurbeln sollen. Länder mit hohen Defiziten, darunter die USA, sollen hingegen ihren Haushalt sanieren.

© SZ vom 05.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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