Gipfel in Brüssel:Merkel allein im Euroland

"Wir diktieren niemandem etwas": Bundeskanzlerin Angela Merkel wehrt sich vor dem EU-Gipfel zur Euro-Krise gegen die harsche Kritik der vergangenen Tage. Doch ihre Gegner schießen scharf. Sie warnen vor einer Spaltung Europas und werfen "Madame Non" vor, auf eine "Anti-Euro-Stimmung" in Deutschland Rücksicht zu nehmen. Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker plädiert für ein neues Gremium.

Es geht um viel, mindestens um die Zukunft des Euro, für manche sogar um die Zukunft Europas. An diesem Donnerstagnachmittag kommen die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten zu ihrem Gipfel in Brüssel zusammen, um über Auswege aus der Euro-Krise zu beraten - und die Antwort auf die Frage, mit welchem Ergebnis sie auseinandergehen, hängt zu einem gewichtigen Teil auch von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ab.

Deutsch-Franzoesischer Ministerrat

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat unter den übrigen Staats- und Regierungschefs der EU gerade einige Gegner.

(Foto: dapd)

Einen "machtbewussten Auftritt" zu demonstrieren, war noch das Mindeste, was sie in den vergangenen Tagen über sich lesen musste. Andere sprachen auch von "Arroganz", von "uneuropäischem Verhalten" und von "deutscher Isolation in Europa".

Unmittelbar vor Beginn des Gipfels wehrt sich die Kanzlerin gegen solche Einschätzungen. "Deutschland diktiert niemandem etwas", sagte sie der Bild. Zugleich appellierte sie für Geschlossenheit beim Gipfel. Dadurch werde deutlich, dass der Euro "für keinen von uns" in Frage stehe, "Spekulanten haben keine Chance".

Deutschland sei gut durch die Wirtschaftskrise gekommen, weil die Menschen keine Angst gehabt und große Gelassenheit gezeigt hätten. "Diese Entschlossenheit und Zuversicht brauchen wir jetzt weiter. An Europa und den Euro zu glauben, sich nicht beirren zu lassen, ist schon die Hälfte der Lösung", sagte Merkel. Sie kämpft in Brüssel vor allem gegen die sogenannten Euro-Bonds, also gemeinsame Anleihen aller EU-Länder, und eine ins Spiel gebrachte Ausweitung des Rettungsschirms.

Doch ihr Hauptgegner der vergangenen Wochen, Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker, legte im Gespräch mit dem Handelsblatt noch einmal nach - wenn auch weniger barsch als zuletzt schon geschehen. Er warf den Staats- und Regierungschefs vor, bei EU-Entscheidungen "allzu sehr Rücksicht auf die innenpolitische Agenda" zu nehmen. Gipfelbeschlüsse hätten "Anlass zu Marktturbulenzen gegeben". Für eine engere wirtschaftspolitische Abstimmung in der Währungszone reichten Treffen der Euro-Finanzminister nicht aus. Deshalb müssten Gipfeltreffen der Eurostaaten einberufen werden.

Verhofstadts Vorwurf

Der frühere belgische Premierminister Guy Verhofstadt, mittlerweile Vorsitzender der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament, unterstützte Junckers Forderung nach Euro-Anleihen. Es sei ein Fehler, dass der EU-Gipfel auf Berliner Wunsch möglichst nicht darüber sprechen solle. Euro-Anleihen sollten "ein Kernelement des künftigen Wirtschaftens in der Europäischen Union" sein. Der Euro könne nicht überleben, wenn er weiter mit 16 Regierungen, 16 wirtschaftspolitischen Strategien und 16 Anleihenmärkten konfrontiert werde.

Nach Ansicht Verhofstadts hat sich die Kanzlerin aus Rücksicht auf eine Anti-Euro-Stimmung in Deutschland "aus der Europa-Avantgarde, zumindest vorläufig, verabschiedet". Der EU-Gipfel dürfe sich nicht mit Beschwichtigungen nach der Devise "Kein Stress vor Weihnachten, bitte!" begnügen, schreibt er in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau und die Berliner Zeitung.

Polens Ministerpräsident Donald Tusk warnte unterdessen vor einem Auseinanderdriften der EU. "Wir beobachten in der EU neuerdings, dass das gemeinschaftliche Denken schwächer wird", sagte er der Zeitung Die Welt. Das finde seinen Ausdruck zum Beispiel darin, dass die Teilung der EU in die Länder der Eurozone und die Länder draußen immer schärfer werde. Dies erinnere an "das unselige Projekt vom Europa der zwei Geschwindigkeiten", sagte Tusk. Es klinge, als wolle jemand einen Teil der Gemeinschaft aussperren.

Zugleich stärkte er Merkel den Rücken. "Bundeskanzlerin Merkel ist, so glaube ich, einer der wenigen Politiker in Europa, die sehr gut verstehen, wie wichtig das Gleichgewicht oder sogar die Synergie dieser Interessen ist", sagte Tusk. "Man darf nicht auf Kredit leben und kann nur dann leihen, wenn man in der Lage ist, das auch abzuzahlen", sagte Tusk zu der Debatte um gemeinschaftliche Euro-Anleihen.

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